Ein Neonazi will sich einen Begriff aus der linken Prostestkultur als Marke schützen lassen. Die Szene läuft dagegen Sturm - doch ihre Chancen auf Erfolg sind nicht groß
Der Onlineshop von Timo S. ist auf den ersten Blick nicht ungewöhnlich. Tarnjacken, Babykleidung mit Totenkopfdruck und T-Shirts mit mehr oder weniger lustigen Sprüchen werden hier angeboten – so wie in tausenden anderer Onlineshops auch. Doch nur ein paar Klicks weiter zeigt sich, wessen Geistes Kind Timo S. wirklich ist. Man findet den Teleskopschlagstock aus Stahl für 34,90 Euro, die Kriegsflagge des Deutschen Reichs für 9,90 Euro und Bekleidung der Marke Erik Sons, eines in der rechten Szene verbreiteten Modelabels.
S. ist ein bekannter Neonazi. Im Internet kursieren Fotos, auf denen er den rechten Arm zum Hitlergruß hebt, er spielte in Rechtsrockbands Schlagzeug – und hat im Dezember einen großen Coup gelandet: Beim Deutschen Patent- und Marken
und Markenamt (DPMA) hat S. sich den Begriff „Hardcore“ für Textilien schützen lassen. Hardcore, das steht für eine Subkultur mit Wurzeln in der Punk-Bewegung - und sie ist dezidiert links. Nur durch Zufall wurde die Eintragung bekannt. Seitdem versetzt sie die Szene in helle Aufregung.Denn Hardcore ist im linken Spektrum äußert beliebt. Populäre Bands wie Anti-Flag zeichnen sich durch kritische, politische Texte zu harten Riffs aus. Hardcore ist Protestkultur – mit eindeutiger Stoßrichtung.„In der politischen Einstellung von Hardcore ist schon eine Konsumkritik enthalten“, sagt Daniela Eichholz vom Lehrstuhl für allgemeine Soziologie an der Technischen Universität Dortmund. Sie hat über Hardcore geforscht, für ein Onlineportal hat sie ihre Ergebnisse zusammen getragen. „Die Szene war schon in den Anfängen links“, sagt sie. Hardcore sei entstanden, als Punk zur populären Massenkultur wurde. „Der Gedanke hinter Hardcore war, dass die Jugendkultur zurück in die Hände der Jugend kommen sollte“, so Eichhorn, „die Jugendlichen wollten nicht mehr nur konsumieren, sie wollten produzieren – und zwar nicht für die Bosse von Plattenfirmen.“Glatzen nur noch in der TagesschauMit rechter Ideologie sei dieser Ansatz nicht zu vereinbaren. Dem stimmt auch Johannes Radke zu. Radke ist Rechtsextremismusexperte. Für ihn ist Timo S.’ Griff nach der Marke Hardcore eine weitere Ausprägung eines schon länger zu beobachtenden Trends: „Die Neonaziszene hat sich in den letzten sechs bis sieben Jahren gewandelt“, sagt er. Den klassischen Skinhead mit Bomberjacke und Springerstiefeln gebe es eigentlich nur noch in der Tagesschau. „Der Großteil der Szene läuft heute genauso rum wie Autonome“, sagt Radke.So wollen sich die Rechten für neue Anhänger öffnen. „Früher musste man in der Szene eine Glatze haben und schlechten Rechtsrock hören“, so Radke. Das habe viele abgeschreckt, aber „heute ist das egal. Die junge Generation von Nazis hört Punk, Hardcore – manche sogar HipHop“. In der Szene werde das akzeptiert – solange der Nachwuchs ideologisch auf Linie bleibe.Daraus ergibt sich ein einfaches Problem: „Heutzutage erkennt man Nazis nicht mehr auf den ersten Blick“, so Radke. Könnte die Tatsache, dass T-Shirts mit der Aufschrift Hardcore künftig nur noch von einem rechten Onlineversand verkauft werden dürfen, diese Situation noch verschärfen?Dennis Breuer winkt ab: „Eine Marke eintragen ist einfach, sie zu verteidigen ist aber deutlich schwieriger“. Breuer ist Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Markenrecht. In seinem Blog hat er sich ausführlich mit dem Hardcore-Fall beschäftigt.„Das entscheidende ist der Schutzumfang“, sagt Breuer. Je fantasievoller ein Markenname sei, desto weitreichender gelte der Markenschutz. Hardcore hingegen sei ein eher beschreibender Begriff. „Meiner Meinung nach würde schon ein T-Shirt auf dem Hardcore nicht allein, sondern mit einem anderen Wort in Verbindung steht, die Marke nicht verletzen“. Die Eintragung ins Markenregister solle wohl eher abschreckend auf Mitbewerber wirken, denn eine Verletzung des Markenrechts kann teuer werden: Strafzahlungen bewegen sich mindestens im vierstelligen Bereich – plus Anwaltsgebühren.Die Szene wehrt sichAbschrecken lassen will man sich in der linken Szene sicher nicht. Seit bekannt geworden ist, dass ein bekannter Neonazi den Begriff Hardcore für sich beansprucht, laufen die Gegenaktionen. Noch läuft die Widerspruchsfrist gegen die Markeneintragung. Viel Aussicht auf Erfolg hat sie laut Breuer nicht, doch trotzdem versuchen sich in ganz Deutschland Händler zu wehren.So auch im Berliner Szeneladen Core Tex. „Wir wollen uns gar nicht vorstellen was passiert, wenn der damit vorbeikommt“, sagt die Verkäuferin. Ihr Chef habe schon einen Anwalt eingeschaltet. Um den zu bezahlen, verkauft der Laden jetzt Soli-Shirts. Um das Bild einer großen Kalaschnikow schlängelt sich die Aufschrift: „Hardcore Defender – For a Nazi Free Scene“. 15 Euro kostet das Shirt – der komplette Erlös soll in die Gegenkampagne fließen. Ähnlich Aktionen gibt es in vielen Läden oder auch im Internet – und sie werden gut angenommen: „Wir hatten schon Bestellungen, bevor das Shirt überhaupt da war“, sagt die Verkäuferin.Einer, der das Shirt gekauft hat, ist Sonic: „Ich finde die Aktion gut und wichtig“, sagt er. Deshalb wolle er sie auch finanziell unterstützen. Doch auch wenn in naher Zukunft die Marke Hardcore einem Neonazi gehören sollte, will Sonic nichts ändern: „Ich werd mich da bestimmt nicht anpassen“, sagt er.Daniela Eichholz überrascht das nicht: „Es gab Mitte der Achziger schon einmal die Gefahr, dass Hardcore nach rechts abrutschen könnte“, sagt sie. Bands aus dem Umfeld der Neonazivereinigung Blood and Honour hätten sich damals in Großbritannien gebildet. Halten konnten sie sich allerdings nicht. Auch andere Jugendkulturen seien schon Opfer von Unterwanderungsversuchen geworden – mal erfolgreicher, wie bei der Skinheadbewegung, mal weniger erfolgreich, wie jüngst bei den Gothics. Eichholz: „Rechte sind eben Hausierer, die mal an jeder Haustür klingeln.“ Und auch Johannes Radke sieht erstmal keine Gefahr dafür, dass die Hardcore-Szene demnächst nach rechts rutscht: „Die meisten Hörer sind, was Nazis angeht, sensibilisert“, sagt er. Trotzdem findet er den Kampf gegen S. berechtigt: „Da geht’s schließlich ums Prinzip.“