Bevor es losgeht, tritt ein Mann in feinem Anzug auf die Bühne, der Chef des Hörbuchverlags Random House Audio: „Damit keine Missverständnisse aufkommen: Das ist keine Veranstaltung der FDP. Wir sind hier alle aufrechte Linke.“ Das Folgende müsse man in seinem historischen Kontext verstehen, fügt er hinzu. Aber natürlich dürfe gelacht werden. „Auch für die Live-Atmosphäre.“ Schließlich soll aus dem Abend eine CD werden.
Knapp 200 Menschen sind in die Kalkscheune in Berlin-Mitte gekommen, um Harry Rowohlt und Gregor Gysi zuzuhören, wie sie Briefe von Marx und Engels vortragen. Neben den beiden sitzt die Schauspielerin Anna Thalbach. Sie liest Zwischenmoderationen vom Blatt ab. Thalbach ist nervös, verspricht sich mehrmals, fängt dann wieder von vorn an: „Damit das für die Aufnahme geschnitten werden kann.“
Rowohlt brummt mit tiefer Stimme Marx-Zitate ins Mikrofon. Wie der Philosoph über die revolutionsunwilligen Arbeiter lästert: „Komplettere Esel als diese Arbeiter gibt es wohl nicht.“ Und voller Schadenfreude über Arbeitervereingründer Ferdinand Lasalle herzieht: „Der jüdische Nigger Lasalle hat glücklicherweise wieder 5.000 Taler bei einer Spekulation verloren.“
Das Publikum lacht bereitwillig. Den letzten Teil der Lesung, Briefe an andere Zeitgenossen, bestreitet Gysi allein, schließlich starb Marx zwölf Jahre früher als Engels.
Am Ende gibt es viel Applaus, man fühlt sich gut unterhalten. Rowohlt posiert noch für die Fotografen vor einer kleinen Marx-Büste. Gysi gibt Fernsehteams Interviews: „Heute würden die beiden natürlich nicht mehr so schreiben.“ Und: „Auf eine gewisse Weise haben sie Lasalle ja auch gemocht.“
Marxistische Dialektik eben.
Das Hörbuch der Lesung „Marx Engels intim“ erscheint am 25. Mai.