Seit Journalisten an der neuen Öffentlichkeit im Netz nicht mehr vorbei senden- und schreiben können, diskutieren sie das "Ende des Journalismus". Traurig oder lustig?
Wähle einen dramatischen Titel für die Diskussionsrunde: "Das Ende des Journalismus. Ist unsere Mediendemokratie noch zu retten?"
Wähle einen symbolträchtigen Veranstaltungsort: Landesvertretung Rheinland-Pfalz, Regierungsviertel in Berlin. Thematisch erg&
ismus. Ist unsere Mediendemokratie noch zu retten?"Wähle einen symbolträchtigen Veranstaltungsort: Landesvertretung Rheinland-Pfalz, Regierungsviertel in Berlin. Thematisch ergänzen Orte wie diese derartige Veranstaltungen perfekt, da schon nach der ersten Minute die Antworten um die alte Frage kreisen können: Wie eng ist die Verflechtung von Politik und Journalismus und wie sehr schadet das dem allseits beschworenen Qualitätsjournalismus, ganz zu schweigen von der Demokratie? Das Ergebnis war am Dienstagabend denn auch überschaubar einheitlich, denn:Besetze das Podium mit namhaften, klassischen Medienvertretern: Hans-Jürgen Jakobs, Chefredakteur von sueddeutsche.de, beanstandete denn auch die Inszenierungs- und Interpretationslogik, der sowohl Politiker als auch Journalisten folgten. "Wenn Pose wichtiger wird als Politik, könnte es sich um eine Mediendemokratie handeln". Stephan-Andreas Casdorff, Chefredakteur des Tagesspiegel, hatte bei Zeitungen nichts dergleichen zu beklagen, um so schlimmer sei da doch das Fernsehen (ein Vertreter der sendenden Zunft war praktischerweise nicht vertreten). Brigitte Fehrle, stellv. Chefredakteurin der Berliner Zeitung, bewertete diese Art von Kritik insgesamt als eine wohlfeile, weil die lokale Berichterstattung viel relevanter sei als die bundespolitische (Abos ihrer Zeitung, die nach Aussage des neuen alten Chefs Uwe Vorkötter ein gewisser Montgomery zuletzt in allen Bereichen "ausgequetscht hat wie eine Zitrone", könnten Sie dann hier bestellen). Wolfgang Blau, Chefredakteur von Zeit Online, fand dagegen alleine die Frage schon so angstbesetzt, dass er sich nur wundern konnte.Blieb Frank A. Meyer, nicht als -Redakteur, sondern Chef-Publizist im Programm ausgewiesen, der die ihm zugedachte Rolle des Stimmungsgaranten mit erfrischendem ausländischen Blick (Abgesandter des Schweizer Verlags Ringier) löblich einnahm. Meyer brachte das Problem auch dieser Veranstaltung prompt auf den Punkt: Medien sind heutzutage omnipräsent. Leider leiteten sie davon eine Omnipotenz ab, die in reines Machtgehabe münde. "Journalisten sind heute selbst Promis. Es gibt ja mittlerweile mehr Medienpreise als Journalisten". Mh, wo waren wir gleich noch? Ah ja, Gesetz Nummer vier:Vergiss das Thema der Diskussion nicht ganz: Nur für den Fall, dass Sie sich gerade wundern, ja ein Blogger durfte auch auf das Podium. Mario Sixtus, elektronischer Reporter und einer der im Buch gewürdigten Alpha-Journalisten 2.0, was mit an der Tatsache liegen könnte, dass er u.a. für Handelsblatt und ZDF arbeitet. Sehr oft kam Herr Sixtus dann nicht zu Wort, was ihn selbst nicht so arg zu stören schien, schließlich musste er sich meist "wundern" über die Diskussion, ihre Themen und die Fragestellungen. Zum Beispiel über die Tatsache, dass schnellst möglich wieder mit Begriffen wie "Leitmedien" und "Meinungsführern" jongliert wurde. Aber macht ja nichts, denn:Lenke die Debatte nie auf den Kern, das könnte ein bisschen schmerzhafter werden: Wie steht es nun um die Innovationskraft der klassischen Medien, wenn ein neues dazu kommt? Eines wie das Netz, das erstmals tatsächlich eine demokratischere Öffentlichkeit ermöglicht, da theoretisch jeder mündige Bürger sich zu Wort melden kann? Was bedeutet dies für die handwerklichen Fähigkeiten, die ein Journalist künftig besitzen muss (Stichwort Twitter, Video etc.)? Warum fällt es den "Alpha-Journalisten nicht 2.0" so schwer, ihren Anspruch der Deutungshoheit ein klein wenig runterzuschrauben?Schwamm drüber: Lieber wieder zurück zu Moderator und SWR-Fernseh-Chefreporter Dr. Thomas Leif, der in gekonnt polemischer Unart die Diskussion immer wieder auf die classics brachte, selbst als sich spontan ein interessanter Ansatz des Gesprächs entwickelte: Wie Fehrle zu Recht anmerkte, führt das Beispiel Iran gerade sehr plastisch vor Augen, wie sich die Arbeit der Journalisten verändert, wenn sie auf ungeprüftes und eventuell sogar unprüfbares Material von Laien zurückgreifen müssen, die im Netz veröffentlicht werden. Umgekehrt, so Fehrle, sei doch genau das Spannende, dass sich auch in dieser bislang "anarachischen" Öffentlichkeit nach und nach journalistische Kriterien etablieren und Blogger sowie User selbst die Echtheit der Bilder hinterfragen und die Informationen verifizieren wollen. Dumm nur, dass da das laut Meyer Lieblingsthema der Deutschen ein bisschen im Weg stand: "Der Untergang, der ist in Deutschland ja immer sehr nah". Also:Die ökonomische Krise: Fest steht, dass neben der konjunkturellen und aktuellen Krise seit längerem ein strukturelles Problem besteht. Die Anzeigenkunden ziehen sich zumindest aus dem Printgeschäft beständig zurück. Online trägt sich in den seltensten Fällen selbst. Was das für neue Geschäftsmodelle erfordern könnte, das fragt man sich unter Kollegen sehr gerne. Hat aber leider wie auch beim Mediendisput keine Antworten darauf. Und wenn doch, dann "würde ich sie ganz sicher nicht verraten" (Casdorff).Erkenntnis des Abends: Alle Beteiligten lieben Zeitungspapier, vor allem am Strand und im öffentlichen Nahverkehr. Alle sorgen sich um die Qualität, die Zeit braucht. Alle beklagen die ökonomischen Verhältnisse und trauern gerne dem Verleger alten Typs nach. Im Anschluss daran ist Spargelsuppe mit Lachsklösschen schon eine ganz feine Sache, der Weiße Burgunder aus Oppenheim ist zu empfehlen und wer nun am eigentlichen Thema Interesse hat, der könnte ja dann hier im Anschluss an diesen Text diskutieren.