Die Autorin Heike Faller zog aus, um das Spekulieren zu lernen - und schrieb ein Buch darüber. Jetzt kehrte sie an die Börse zurück, um von ihren Erlebnissen zu berichten
Der Ausgangspunkt ist interessant: In Wirtschaftsfragen vorher weitgehend unbedarft, hat die Autorin Heike Faller ein Jahr lang einen Selbstversuch unternommen. Sie wollte das Spekulieren lernen und mit Hilfe von Aktien, Edelmetallen und Optionsscheinen ihren Einsatz von 10.000 Euro verdoppeln. Über ihre Erfahrungen mit Spekulanten, riskanten Anlageformen und dem plötzlichen Ausbruch der Finanzkrise hat Faller das Buch Wie ich einmal versuchte, reich zu werden. Mein Jahr unter Spekulanten geschrieben, das sie an diesem Montagabend in der Börse München vorstellt. Die fachfremde Autorin kehrt für einen Abend in das Reich der Spekulanten zurück und erzählt den versammelten Börsenexperten im voll besetzten Saal, wie sie ein Jahr deren Leben gelebt hat.
Do
elebt hat.Doch Heike Faller sitzt nicht alleine vor dem Publikum. Neben ihr hat Christine Bortenlänger Platz genommen. Als Geschäftsführerin der Börse München und Vorstand der Bayerischen Börse AG ist sie die Hausherrin. Das zeigt sie auch sogleich. Die Rollläden aus grauem Stoff lässt die Chefin per Knopfdruck selbst herunter. Sie ist es, die den Herren in ihren Anzügen, förmlich erlaubt, angesichts der Hitze des Münchner Sommers ihr Sakko auszuziehen. Bortenlänger will mit Heike Faller über deren Buch, Anlagestrategien und die Gier der Spekulanten diskutieren. Zwei Frauen und 10.000 Euro Außerdem soll der Abend dazu dienen, die neuen Räume der Börse München der Öffentlichkeit zu präsentieren. Denn inmitten der Krise, in der die Kurse purzeln und Banken oder Unternehmen Pleite gehen oder vom Staat gerettet werden, ist die Börse München in eine elegante Villa mit geräumigen Büros und einem großen Vortragssaal am Münchner Karolinenplatz umgezogen. Jetzt sitzt Deutschlands drittgrößte Börse – nach Frankfurt und Stuttgart – endlich im Münchner Mainhattan, wie mancher das Areal um den Karolinenplatz und die Brienner Straße spöttisch nennt. Nur einen Steinwurf entfernt stehen die Gebäude der Bayern LB, die Landesbank, zu deren Rettung der Staat Bayern bisher 10 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt hat. Direkt nebenan sind auch der bayerische Sparkassenverband und die bayerische Lotterieverwaltung zuhause. Man möchte kaum an Zufall glauben.Zwei Frauen unterhalten sich über Geld. Das gibt es selten in der Öffentlichkeit. Denn im Finanzsektor dominieren immer noch eindeutig die Männer, Frauen wie Christine Bortenlänger sind die Ausnahme. Seit dem Jahr 2000 ist sie Geschäftsführerin der Börse München. Damals war sie erst 33 Jahre alt. 2007 wurde sie Managerin des Jahres. Und dann stellt Moderator Hans-Michael Besig, der früher die PR der Dresdner Bank und die Unternehmenskommunikation der Hypo Bank AG leitete, die Frage, ob Frauen die Finanz- und Wirtschaftskrise verhindert hätten. Schließlich hätten Studien bewiesen, dass Frauen eher vorsichtiger spekulieren und mehrere Anlagemöglichkeiten nutzen, während Männer alles auf eine Karte setzen.Bei der Antwort liefern die beiden Damen die erste Überraschung des Abends: Beide glauben nicht, dass Managerinnen, weibliche Bankvorstände oder Aufsichtsräte anders spekuliert hätten. "Anfangs dachte ich schon, dass Frauen besonnener gehandelt hätten", sagt Faller. "Denn Spekulanten sind schon sehr testosterongesteuerte Menschen. Jetzt glaube ich aber nicht mehr, dass die Männer allein Schuld sind." Die Schieflage der nordrhein-westfälischen Landesbank beispielsweise hätten auch Frauen zu verantworten. Christine Bortenlänger, die in einem Handelblatt-Interview zum Thema Frauen in Führungspositionen einmal forderte, dass, wer Karriere machen wolle, raus aus der wohligen Badewanne steigen müsse, pflichtet ihr bei. "Es hätte wahrscheinlich nichts geändert, wenn Frauen am Ruder gewesen wären. Es ist einfach der gesellschaftliche Trend, dass trotz hohen Risikos alles gekauft wird."Seltsame HarmonieÜberhaupt verläuft der Abend sehr harmonisch. Das ist die zweite Überraschung. Das liegt zum einen daran, dass sich eine Diskussion zwischen den beiden Damen gar nicht entfalten kann, weil Moderator Besig ständig neue Fragen an eine der beiden stellt. Zum anderen sind sich die Damen in vielen Punkten einig. Wer ein Streitgespräch zwischen einer Journalistin, die in das Spekulantenmetier eingedrungen ist, und einer Börsenchefin, die ihr Revier gegen die Novizin verteidigen will, erwartet hatte, wird enttäuscht.Der Grund für die Harmonie liegt in Heike Fallers Buch selbst. Denn es ist ihr offenbar gelungen, die versammelten Finanzexperten davon zu überzeugen. Zumindest in der Börse München gibt es von der Börsenchefin und vom Publikum – das ist die dritte Überraschung – keinerlei Kritik an Fallers Versuch, die Welt der Spekulanten für ein breiteres Publikum verstehbar zu machen. Im Gegenteil, nicht nur Börsenchefin Bortenlänger ist begeistert: "Es hat mir sehr viel Spaß gemacht. An vielen Stellen habe ich mich im Spiegel gesehen und wiedererkannt."So braucht sich Heike Faller in der Börse München nicht wie in der Höhle des Löwen fühlen, sondern sie wird dort gefeiert. Viele Zuhörer haben ähnliche Dinge erlebt wie Faller, die erst viel Geld durch Gold gewann, dann nicht wenig verlor und schließlich ihr Jahr mit 150 Euro mehr als ihrem Einsatz beendete, statt die 10.000 Euro zu verdoppeln. Sie ist eine von ihnen, wenn sie beschreibt, wie die Gier nach Geld nach ihren ersten Erfolgen zur Sucht wurde – und wenn sie das schönste Erlebnis in ihrem Spekulantenjahr beschreibt: "Den meisten Spaß hatte ich in der Nacht, als Lehman-Brothers Pleite gingen. Ich habe innerlich jubiliert, weil ich auf den Zusammenbruch der Bank gesetzt und 800 Euro gewonnen hatte. Ethische Bedenken hatte ich keine mehr." Es ist nicht wirklich ein Wunder, dass sie dafür an diesem Abend keinen Widerspruch erntet.