Verleger Hubert Burda prangert wie kein anderer Urheberrechtsverletzungen im Netz an. Doch eine Burda-Zeitschrift benutzte Bilder einer Modebloggerin – ohne zu fragen
Mary Scherpe erinnert sich noch gut an den Tag, an dem ihr Kampf gegen einen der größten deutschen Medienkonzerne begann. Sie spazierte durch Berlin, als ihr Handy klingelte. Eine Freundin war dran, gratulierte und fragte, warum sie nichts davon erzählt habe, dass sie Bilder an das Frauen-Magazin Young verkauft habe. Mary Scherpe wusste von nichts.
Sie eilte zu einem Kiosk und besorgte sich die Oktober-Ausgabe des Burda-Blattes. Darin fand sie eine siebenseitige Geschichte mit neun Fotos von ihr. Ohne, dass sie gefragt wurde, ohne Nennung ihres Namens und ohne ein Honorar erhalten zu haben. „Ich dachte, ich sehe nicht recht“, erzählt sie heute.
Die 27-Jährige ist Studentin der Kunstgeschichte und Japanologie, vor allem aber ist sie Fotografin und Modeblog
ie Fotografin und Modebloggerin. Mit ihrer Kamera streift sie durch Berlin auf der Jagd nach außergewöhnlich gekleideten Menschen. Die bittet sie dann, sie fotografieren zu dürfen und stellt die Bilder in ihr Blog „Stil in Berlin“.Neben Blogs, die sich mit technischen Neuheiten befassen, finden Modeblogs mittlerweile enorme Beachtung. Sie sind quasi die weibliche Seite des Netzes. Von diesem Trend zeugt das Portal glam.com, das zahlreiche private Modeblogs unter einer Dachmarke vereint und mit ihnen auch bei Werbung und Einnahmen kooperiert. Der deutsche Ableger – der von Burda mitbetrieben wird – zählt hierzulande mit 52,4 Millionen Zugriffen auf redaktionelle Inhalte zu den beliebtesten Web-Angeboten für weibliche Zielgruppe neben brigitte.de (53,2 Millionen) und gala.de (54,7 Millionen). Auch Mary Scherpe hat mit ihrem Blog und anderen Online-Projekten ein wenig Prominenz errungen. Mehrer große Online-Medien haben über sie berichtet, das ZDF hat einen Magazinbericht über ihr Modeprojekt gesendet.Ausgerechnet BurdaWeniger bekannte Blogger hätten Young vielleicht nur schüchtern auf die unerlaubte Bildbenutzung hingewiesen und auf ein kleines Taschengeld gehofft. Scherpe hatte aber schon Fotos an Verlage verkauft und kannte die üblichen Honorare. So stellte sie eine Rechnung im unteren vierstelligen Bereich – inklusive einem 100-prozentigen Zuschlag für die Verletzung ihrer Urheberrechte. Für Burda ist das eine unschöne Angelegenheit. Ist doch gerade der Verleger Hubert Burda ein großer Kämpfer für das Urheberrecht im Netz und wettert immer wieder gegen die Gratiskultur. Burda sieht journalistische Inhalte durch Google und besonders durch Google News gefährdet, ein sogenannter Aggregator, der auf andere Webseiten verweist. Der Verleger fürchtet die Entmündigung der Verlage und verlangt, die Verlage müssten an Googles Gewinn beteiligt werden. Eine äußerst umstrittene Forderung.Bloggerin Scherpe erhielt zunächst einen Anruf von einem Young-Redakteur. „Er bat mich, auf den Aufschlag zu verzichten, man wolle ja auch in Zukunft gern mit mir zusammen arbeiten“, sagt Scherpe. Sie lehnte ab. „Bisher verwendete man meine Bilder ja auch lieber ungefragt, als mit mir zusammen zu arbeiten, und ein konkretes Projekt hatte er auch nicht in der Tasche.“Die Burda-Tochter zahlte dann nur das einfache Honorar ohne Zuschlag. Young schrieb, das sei das Honorar bereits inklusive Zuschlag. Mahnungen halfen nicht. Scherpe schaltete eine Anwältin ein. Doch Young blieb stur und schrieb, wenn Scherpe mehr wolle, müsse sie klagen.Bloggerin Scherpe zögerte. Doch dann wurde sie von einer Freundin im Januar auf der Berlin Fashion Week zufällig dem Young-Chefredakteur vorgestellt. Der soll ihr bei dieser Gelegenheit gesagt haben, sie sei dafür verantwortlich, dass eine Bildredakteurin nun arbeitslos sei. Burda bestätigt das auf Nachfrage des Freitag nicht und verweist darauf, dass sowieso das ganze Magazin kurz darauf eingestellt worden sei.Es geht auch ums PrinzipScherpe fühlte sich vom Verhalten des Chefredakteurs brüskiert. Es reichte. Sie zog vor Gericht – auch, wenn sie es absurd fand, dass sie in der Beweispflicht war. Vor wenigen Tagen trafen sich die Streitparteien vor Gericht. Der Burda-Anwalt bot plötzlich einen Vergleich an: die Hälfte der noch ausstehenden Forderung. Scherpe lehnte ab. Jetzt ging es ihr ums Prinzip. Sie wollte nicht mit einem Vergleich abgespeist werden.Anwalt Martin Schippan kennt solche Fällen. Er ist ein renommierter Medienanwalt, der oft Medienkonzerne vertritt, wenn es um Urheberrechtsverletzungen geht. Auch Schippan sagt, dass bei einem Doppelverstoß (unerlaubte Nutzung und keine Namensnennung) ein Verletzungszuschlag üblich ist. Allerdings keine 100 Prozent. „Der steht nur Verwertungsgesellschaften, maßgeblich der Gema, zu“, sagt Schippan. Scherpe könne eher mit weniger als der Hälfte rechnen.Dem Burda-Verlag ist der Fall offensichtlich unangenehm. „Da gab es Versäumnisse von uns“, räumt Konzernsprecher Nikolaus von der Decken im Gespräch mit dem Freitag ein. „Wir sind seit Jahrzehnten im Geschäft und veröffentlichen hunderttausende Fotos, da geht schon mal was schief.“ Selbst der Konzernsprecher kann nachvollziehen, dass Scherpe Klage eingereicht hat. Man gibt sich verständnisvoll, aber so langsam möchte man bei Burda offenbar den Fall vom Tisch haben. Am 12. Oktober wird das Urteil verkündet.