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Dialog mit dem Drachen

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Marina Rudyak

Hardcover, gebunden

240 Seiten

28 €

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100 + 10 – Armenian Allegories

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7. Berliner Herbstsalon RE-IMAGINE! | Ein Prolog im Frühling

Im und um’s Maxim Gorki Theater

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Vom 24. April bis 31. Mai 2025!

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XOFTEX

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Noaz Deshe

Drama

Deutschland, Frankreich 2024

99 Minuten

Ab 17. April 2025 im Kino!

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Kultur : Bilder speichern Stadtgeschichte

Google View filmt ganze Straßenzüge ab und erntet Proteststürme. Doch die Dokumentierung des Stadtbildes kann auch positive Aspekte haben, wie die Seite Explore-Berlin-Wiki zeigt

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Geschichte im allgemeinen Sinn ist alles, was geschehen ist. Das Internet im allgemeinen Sinn ist alles, was drin ist. Briefkästen, Katzenfotos, Steuertipps, Einmachglasdeckel-Auktionen und wie-gucken-Menschen-beim-Orgasmus-Bilder. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen, bis hin zu der Feststellung, dass das Internet, na ja, eben Alles ist. Eine virtuelle Ausgabe unserer Realität. Mit Google Street View wird diese nun einmal mehr verdoppelt und das sorgt für Aufregung.

Das Verbraucherschutz-Ministerium trägt datenschutzrechtliche Bedenken und findet Google schlimmer als jeden Geheimdienst. Ein neues Rechtsgutachten des rheinland-pfälzischen Justizministeriums kommt nun zu dem Ergebnis, dass sich Google View beim Abfotografieren von Straßenzügen den handelsüblichen Sichtschutz-Zaun zum Maßstab nehmen sollte: Aufnahmen von bis zu zwei Metern sind erlaubt. Andere dagegen betrachten diese Reaktionen als reflexartige Google-Angst und sagen, nicht digitalisierte Straßen sollten im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, sondern vielmehr die Gestaltung des Rechts im digitalen öffentlichen Raum.

Ein Beispiel dafür, dass das Fotografieren städtischen Raums auch auf ganz andere Weise geschehen kann und nicht automatisch eine Gefährdung bedeuten muss, zeigt das Explore-Berlin-Wiki. Auf der Plattform werden verlassene Gebäude im Raum Berlin/Bran­denburg dokumentiert. Verwaiste Villen, medizinische Einrichtungen, Verwaltungsgebäude und verlassene Hotels. Ein Foto zeigt eine Kranken­liege in der Mitte eines blau gekachelten Raumes, der unter Wasser steht, irgendwelches Zeug hängt von der Decke. Ein sinnloses Zimmer, verrottet und entkernt. Ein Ergebnis von Zeit, in der keiner mehr aufräumt. Jenes Foto ist in den Heilstätten Beelitz aufgenommen worden. Laut Explore-Berlin war hier während des ersten Weltkriegs ein Sanatorium für verwundete Soldaten, im Jahr 1916 soll sich dort auch der Gefreite Adolf Hitler aufgehalten haben. Heute sind dort nur noch zertrümmerte Waschbecken und verrostete Metallgestelle, fotografisch dokumentiert und über das Internet zugänglich.

Das Erkundungs-Wiki bildet so ­städtischen Raum ab, der aus dem ­Bewusstsein der Öffentlichkeit verschwunden ist. Menschenleere Fotos. Während draußen gebaut wird und Kleinwagen mit installierten Kameras auf dem Dach Stadtlandschaften digitalisieren, speichern diese Bilder Geschichte. Denn das Netz ist eben alles, auch Geschichte.

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