Feministin zu sein, ist harte Arbeit. Zwar nehmen die heutigen jungen Frauen kaum mehr ein Blatt vor den Mund, und doch wagen sie viel zu selten das F-Wort auszusprechen
Die meisten jungen Frauen würden in Amerika auf die Frage, ob sie die Gleichberechtigung der Frau wichtig finden, zweifellos mit einem lauten „Ja“ antworten. Wenn es um das Wahlrecht oder das Anrecht auf eine anständige Ausbildung geht, dann herrscht unter den Frauen meiner Generation keinerlei Zweifel daran, dass uns beides zusteht. Und auch wenn es um Unrecht geht, das Frauen in anderen Ländern widerfährt, von Säureangriffen bis hin zu Genitalverstümmelungen, sind wir einer Meinung.
Die jungen Frauen meiner Generation sind ehrgeizig und nehmen kein Blatt vor den Mund. Wir bloggen, schließen uns in Sportmannschaften zusammen und leiten an den Universitäten Theatergruppen. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir einen High-School- und Uniabschlus
Übersetzung aus dem Englischen: Christine Käppeler
ppen. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir einen High-School- und Uniabschluss machen ist größer als bei unseren männlichen Altersgenossen und zahlenmäßig sind wir ihnen auch an den Berufsschulen und in den Masterstudiengängen ebenbürtig. Wir sehen einem erfüllten, geschäftigen Leben entgegen, das wir zum Teil den Fortschritten, die unsere Mütter und Großmütter erzielten, zu verdanken haben. Wir sind die Erbinnen des Vermächtnisses, das vor uns die Frauenrechtlerinnen und vor diesen die Suffragetten erkämpft haben. Und doch: Auf die Frage, ob sie eine Feministin sind, würden die meisten jungen Frauen in Amerika kaum mit einem lauten „Ja“ antworten. Die Antwort ist in der Regel: „Ich bin keine Feministin, aber ...?“Was folgt, ist die Bekundung feministischer Ansichten. Die junge Frau wird sagen, dass sie dafür ist, dass Männer und Frauen gleichen Lohn erhalten und dass eine Frau das Recht hat, freie Entscheidungen zu treffen. Aber, so wird sie hinzufügen, zu einer Feministin mache sie das noch lange nicht. In einer Zeit, in der feministische Überzeugungen für junge Frauen etwas Selbstverständliches sind, gilt für das Wort Feministin das Gegenteil und es gibt viele, die sich diesen Stempel nicht aufdrücken lassen wollen.Feminismus: Vollzeit oder gar nichtÜberraschen kann das kaum. Schließlich hat der Feminismus einen ziemlich miserablen Ruf. Susan Faludi hat in ihrem bahnbrechenden Buch Backlash äußerst sorgfältig dokumentiert, mit welchen Abschreckungsmechanismen ein Jahrhundert lang versucht wurde, die Frauen davon abzuhalten, sich die Ideen des Feminismus zu eigen zu machen. Zum Glück haben diese Strategien letzten Endes versagt: Die meisten Frauen meiner Generation denken feministisch. Doch es ist den Gegnern gelungen, die Feministinnen und überhaupt den Gedanken, eine Feministin zu sein, unattraktiv zu machen. Faludi schrieb ihr Buch 1991, doch heute, beinahe zwanzig Jahre später, hat sich viel zu wenig verändert. Die allgemeine Vorstellung von einer Feministin sieht immer noch so aus: Eine hässliche, wütende, männermordende Extremistin, deren Ziel nicht die Gleichheit der Geschlechter, sondern die Weltherrschaft ist. Wer sich selbst als Feministin bezeichnet, geht das Risiko ein, dass ihr diese Vorurteile auf die Stirn gebrannt werden.Wenig überraschend ist auch, dass viele Frauen meiner Generation das Gefühl haben, dass es für sie keinen Platz in der feministischen Bewegung gibt. Und lange Zeit war das tatsächlich so. Doch zum Glück hat die Bewegung inzwischen erkannt, dass auch die Stimmen der jungen Frauen gehört werden müssen und dass es bereichernd ist, ihnen auch führende Rollen zuzugestehen. Die Webseite Feministing, für die ich schreibe, will jungen Feministinnen eine Plattform geben, und sie ist nicht die einzige ihrer Art. Da draußen sind tausende von jungen Frauen, die sich mit Stolz Feministinnen nennen und ich bin jeden Tag dankbar für den harten Job, den sie machen. Keine von ihnen würde da wohl widersprechen: Feministin zu sein, ist harte Arbeit. Der Feminismus erfordert, dass wir alles komplett überdenken: Unsere Denkmuster, unser Verhalten, die Art, wie wir sprechen, wo wir arbeiten, welche Medien wir konsumieren, wie wir wählen und wie wir unser Familienleben führen wollen. Sowohl für Männer als auch für Frauen bedeutet der Feminismus eine dramatische Abkehr von dem, wie wir die Dinge bisher handhabten. Deshalb ist er so aufregend – und so bedrohlich.Luxuriöse HaltungUnglückseligerweise ist diese Generalüberholung noch längst nicht vollständig – trotz der enormen Schritte, die wir in Richtung Gender-Gleichheit bereits getan haben. In einem Land wie Amerika, in dem 17 Prozent der Kongressabgeordneten Frauen sind, in dem Frauen – seien sie Mütter oder kinderlos – auch zehn Jahre nach Abschluss ihrer Ausbildung nur 77 Prozent des Gehalts eines Mannes verdienen und in dem nur sechs Prozent aller Vergewaltiger ins Gefängnis kommen, können wir uns diese „keine Feministin, aber ...“-Haltung nicht leisten. Denn mit diesem Dementi sagt eine Frau doch nichts anderes, als dass sie bereit ist, sich mit einer unvollständigen Generalüberholung zufrieden zu geben.„Ich bin keine Feministin, aber ...“ ist eine Art, der Welt mitzuteilen, dass wir keine ernsthafte Bedrohung sind. Es ist eine Art zu sagen, dass wir nicht allzu viel Staub aufwirbeln wollen und dass wir uns bestimmt an die Regeln halten werden. Feministinnen aber sind diejenigen, die den Mut haben, sich eine Welt vorzustellen, in der 50 Prozent der Kongressabgeordneten Frauen sind, in der Frauen genauso viel verdienen wie ihre männlichen Kollegen und in der jede Vergewaltigung angezeigt, strafrechtlich verfolgt und geahndet wird.Es ist verlockend, sich hinter diesem Dementi, diesem Schutzschild zu verstecken. Aber der Feminismus ist es, der uns dorthin gebracht hat, wo wir heute stehen. Wenn es nun keine unerschrockenen jungen Feministinnen gibt, die bereit sind zu handeln und die Führung zu übernehmen, dann werden wir nicht weiterkommen. Also treten Sie bitte hinter ihrem Schutzschild hervor und sagen Sie es: „Ich bin eine Feministin.“ Ohne wenn und aber.