Den nachhaltigen PC gibt es nicht: Auf unseren Schreibtischen stehen Ergebnisse von Menschen- und Rohstoffausbeutung. Ein Überblick über Bauteile und Arbeitsbedingungen
Digital und virtuell: Das Internetzeitalter scheint sich von der materiellen Basis des Lebens entkoppelt zu haben. Alles spielt sich in einer künstlich erschaffenen Welt ab, riesige Datenmengen lassen sich problemlos vervielfältigen, die Weiten des Netzes kennen keine Grenzen. Doch in Wirklichkeit lebt nur ein geringer Teil der Menschheit in diesem digitalen Universum: Etwa zwei Drittel der Weltbevölkerung haben keinen Internetzugang.
Und auch sonst ist in der digitalen Welt nicht alles Gold, was glänzt: Der Wohlstand der wenigen basiert auf rücksichtslosem Rohstoffverbrauch, Ausbeutung von Arbeitern und Wegwerfwirtschaft. Selbst in Zeiten, in denen man im Prinzip jeden Ort der Erde kennen könnte und die Welt zu einem „globalen Dorf“ zusammengeschru
mengeschrumpft ist, lassen sich die Probleme des Internet- und Computerkonsums verdrängen.Wäre der Rechner ein Lebewesen, so ließe sich sein kurzes Leben etwa folgendermaßen beschreiben: Er wird geboren in einem der zahlreichen Entwicklungsländer, wird groß in Asien, im Erwachsenenalter wandert er in die Industriestaaten aus, und zum Ruhestand kehrt er dann wieder in die Entwicklungsländer zurück. Er reist also viel durch die Welt, die reichen Länder sieht er allerdings nur im leistungsfähigen Alter. Und auch umgekehrt gilt: Die reichen Länder kennen ihn nur, wenn er gerade in Bestform ist.Hinter diesen Rahmendaten der Lebensgeschichte eines Computers steckt aber viel mehr, das es zu erzählen gibt. Und nicht nur positive Dinge: Der nachhaltige PC nämlich existiert nicht – vielleicht noch nicht, vielleicht wird es ihn aber auch nie geben. Nur eines ist sicher: Solange die Schattenseiten der Computerindustrie unbeachtet bleiben, wird sich daran auch nichts ändern.Und das ist drin:Seltene Erden für den BildschirmSo selten wie der Name vermuten lässt sind die Metalle der Seltenen Erden überhaupt nicht. Einige der insgesamt 17 Metalle kommen häufiger vor als beispielsweise Blei oder Arsen. Für die Herstellung der Leuchtmittel in Plasma- und LCD-Bildschirmen werden Seltene Erden gebraucht. Sie werden nahezu komplett in China abgebaut. Dabei bleiben nicht nur giftige Schlämme zurück, sondern bei der Herstellung entsteht häufig auch das radioaktive Thorium. In Malaysia wehren sich daher Bewohner des westlichen Bundesstaats Pahang gegen eine geplante Anlage zur Verarbeitung Seltener Erden aus Australien. Die gefährlichen Abfälle sollen nämlich in Malaysia bleiben. Vor 20 Jahren musste bereits eine Fabrik im nördlichen Bundesstaat Perak schließen, weil sich in der Umgebung Geburtsfehler und Leukämieerkrankungen häuften. Der Thoriummüll war in Fässern unter der Erdoberfläche vergraben worden.Kupfer für den ChipDas Massenprodukt im Computer: Kupfer leitet den elektrischen Strom hervorragend (nur Silber ist besser) und kommt deshalb in vielen Teilen des Rechners zum Einsatz. Mancher handelsübliche Computer enthält mehr als zwei Kilogramm Kupfer.Größter Kupferproduzent ist Chile, und dort wird vor allem Wasser benötigt. „Im niederschlagsarmen Chile ist der Bergbau neben der Landwirtschaft der durstigste Verbraucher, und die Wasserrechte sind heiß umkämpft“, heißt es im Siemens-Magazin Pictures of the Future. Das deutsche Unternehmen will dort mit Wasseraufbereitung Geld verdienen. Für den Bergbau gäbe es dann mehr Wasser. Und für die Bevölkerung? Entwicklungsorganisationen sprechen von „Engpässen beim Trinkwasser“.In Zukunft wird voraussichtlich noch mehr Kupfer nachgefragt werden als ohnehin schon. Denn immer mehr Chips werden in alltäglich gebrauchten Geräten verwendet, zum Beispiel in DVD-Playern und sogar in Haushaltsgeräten wie Waschmaschinen.Platin für die FestplatteDeutlich mehr als die Hälfte des weltweiten Platinbedarfs wird von Südafrika gedeckt. Um neue Minen zu erschließen wurden nach Angaben des niederländischen Zentrums für Forschung über multinationale Unternehmen (SOMO) 17.000 Menschen umgesiedelt, ohne eine Entschädigung zu bekommen.Probleme gibt es auch beim Abbau von Platin: In den unterirdischen Stollen treffen Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit aufeinander – das erschwert die Arbeit der Bergleute. Zwei von fünf Minenarbeitern in Südafrika seien Leiharbeiter, schreibt der Bundesverband Verbraucherinitiative. Ihre Löhne seien noch niedriger als die der regulär Beschäftigten, und „Sicherheitsmaßnahmen für die Arbeiter sind generell kaum vorhanden“.Gold für die LeitplattenkontakteEs sind nur wenige Gramm Gold in einem Computer enthalten, aber die haben es in sich – zum Beispiel wenn es um die Kohlendioxid-Emissionen geht: Bei der Gewinnung eines Kilogramms Gold entstehen einem Bericht der Vereinten Nationen zufolge 17 Tonnen des Treibhausgases. Gold ist somit das klimaschädlichste der wichtigen Metalle in Elektronikgeräten. (Absolut betrachtet verursacht Kupfer wegen der großen Mengen noch mehr Kohlendioxid.)Die weitaus größten Goldvorkommen befinden sich in Südafrika. Dort wird das Gold häufig mit Hilfe von Zyanid aus seiner Umgebung gelöst. Zyanid ist zwar hochgiftig, und es gibt andere Methoden, das Gold zu gewinnen. Doch aus Kostengründen wird weiterhin mit Zyanid gearbeitet. Dabei können Säuren entstehen, die aus dem Gestein andere giftige Elemente wie Arsen, Quecksilber oder Blei lösen. Bei dem Abbau von einem Kilogramm Gold entstehen mehr als 3.000 Tonnen Abraum und Sondermüll.Kobalt für den AkkuKobalt kommt hauptsächlich aus Afrika. Mehr als die Hälfte wird in Sambia oder der Demokratischen Republik (DR) Kongo abgebaut – offenbar auch von Minderjährigen. Das NGO-Bündnis „makeITfair“, das in Deutschland von Germanwatch getragen wird, spricht von 50.000 Kindern, die in der DR Kongo im Bergbau arbeiten. Manche seien erst sieben Jahre alt.In einer Studie zum Kobalt-Abbau heißt es, die Kinder seien Staub ausgesetzt, der die Lungen schädige. In der Provinz Katanga (DR Kongo) werde sogar ganz ohne Schutzkleidung gearbeitet. Die Bezahlung ist gleichfalls miserabel: Viele der Bergleute verdienten weniger als zwei Euro pro Tag, oft reiche das Einkommen nicht aus, um Grundbedürfnisse zu befriedigen.Die Arbeitsbedingungen: Schnell zusammengesetzt…Das hatte sich der Computerkonzern Apple doch etwas anders vorgestellt: Kurz vor der Markteinführung des iPads geriet das Unternehmen wegen der Arbeitsbedingungen bei einem seiner Zulieferbetriebe in die Schlagzeilen. Zehnter, elfter, zwölfter Suizid in Südchina bei Foxconn, dem weltweit größten Hersteller von Computerteilen.Foxconn beliefert nicht nur Apple – für viele das heiligste aller Computerunternehmen –, sondern beispielsweise auch Hewlett-Packard, Sony und Dell. Die großen Marken produzieren nicht mehr selber, sondern kaufen die Computer bei Auftragsfertigern ein, die meist in Asien herstellen. So entledigt man sich auch leicht der Verantwortung: Im Zweifelsfall ist der Zulieferbetrieb schuld und nicht das große Unternehmen, das einen Ruf zu verlieren hat.Was durch die Todesfälle in den Fabriken kurzzeitig auch hierzulande in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit geriet, wird von Nichtregierungsorganisationen schon lange bemängelt: die schlechten Arbeitsbedingungen in der IT-Industrie.Bei der Organisation WEED heißt es, die Löhne deckten oftmals nicht die Lebenshaltungskosten in den Städten, und manchmal werde nicht einmal der staatlich vorgeschriebene Mindestlohn gezahlt. Arbeitszeiten von bis zu 80 Wochenstunden sowie Entlassungen bei einer Auftragsflaute seien die Regel. In China haben sich Umweltorganisationen zu einer „Green Choice Alliance“ zusammengeschlossen und kritisieren, dass die Umwelt durch die IT-Industrie stark mit Schwermetallen wie Kupfer, Nickel oder Chrom belastet werde. Über 4.000 Menschen sollen zu viel Blei im Blut gehabt haben.Ein Jahr nach den Suiziden hat Foxconn allerdings offenbar noch immer wenig geändert: Die Arbeitsrechtsorganisation Sacom dokumentiert, dass in den Fabriken noch immer Arbeitszeiten von bis zu 80 Stunden pro Woche üblich seien – genau wie unbezahlte Überstunden.Foxconn hat laut Medienberichten an allen höheren Firmengebäuden stattdessen Fangnetze aufgehängt, damit sich die Arbeiter nicht mehr in den Tod stürzen können. Zusätzlich sollen sie eine „Nicht-Suizid-Erklärung“ unterschreiben. Die Firma möchte sich so anscheinend davor schützen, von Hinterbliebenen verklagt zu werden. Also doch etwas gelernt aus der Serie von Selbsttötungen.Die Entsorgung: …und weg damit!Die durchschnittliche Lebensdauer eines Computers wird auf gerade mal zwei bis drei Jahre geschätzt. Dann kommen neue Rechner, sie sind schneller, leistungsfähiger, können auch die neusten Programme abspielen. Was mit den alten Computern passiert, interessiert nur wenige. Viele landen im Südteil der Welt, entweder gleich auf einer Müllhalde, oder sie werden teilweise recycelt – mit gesundheitsschädlichen Folgen.Eigentlich darf so etwas nicht passieren. In Deutschland ist der Export von Elektroschrott verboten. Das Elektro- und Elektronikgerätegesetz sieht vor, dass die Hersteller für die Entsorgung aufkommen; Verbraucher können defekte Geräte kostenlos bei Recyclinghöfen abgeben. Es gibt aber auch Privathändler, die Elektroschrott sammeln und in Entwicklungsländer verschiffen – illegal und offiziell deklariert als Second-Hand-Ware. Überprüfung? Schwierig.Das Umweltbundesamt schreibt in einem Bericht aus dem vergangenen Jahr, dass zwischen 93.000 und 216.000 Tonnen Elektrogeräte in Nicht-EU-Staaten exportiert würden; dazu zählen Neu- und Gebrauchtwaren, jedoch keine Abfälle. Offiziell werden in Deutschland jährlich rund 750.000 Tonnen Elektromüll gesammelt. Die tatsächlich anfallende Menge wird aber auf ungefähr das Doppelte geschätzt. Genaue Zahlen liegen nicht vor.Wo ist der Müll hin? Greenpeace schätzt, dass bis zu drei Viertel der Produkte, die nach Afrika gebracht werden, nicht mehr benutzbar sind. Ausschlachtbar ist ein Teil der Geräte aber durchaus noch. Sie werden teilweise wiederverwertet, wenn auch mit anderen Methoden als in Deutschland. Menschen verbrennen die Plastikisolierungen von Kabeln, um an das innen liegende Kupfer zu gelangen. Die dabei entstehenden Dämpfe sind gefährlich, sie enthalten Blei, Dioxine und andere Gifte.Dass dieses lebensgefährliche Recycling aber ein Ende nehmen könnte, ist nicht abzusehen: Die Computerindustrie boomt, und mit ihr wächst der globale Müllberg. Die Vereinten Nationen schätzen, dass derzeit weltweit etwa 40 Millionen Tonnen Elektroschrott pro Jahr anfallen, ein knappes Viertel davon allein in Europa.