Es beginnt mit einem Händedruck, einem ziemlich festen, einem Der-Mann-kann-zupacken-Händedruck. Frank Henkel zwängt sich durch die Reihen eines Touristen-Doppeldeckerbusses am Potsdamer Platz und begrüßt jeden Fahrgast einzeln. Viele Senioren sitzen auf dem Oberdeck, einige Journalisten, in der letzten Reihe vier Wahlkampfhelfer der Jungen Union. "Ich komm ja sonst wenig rum in Berlin", sagt ein Jung-Unionler. Henkel hat zu einer Rundfahrt abseits der Touristenstrecken geladen. Er will zeigen, dass "Berlin eine tolle Stadt ist, dass es aber auch viele Probleme gibt". Schuld an diesen ist natürlich der rot-rote Senat.
Henkel – dunkler Anzug, randlose Brille, weißes Hemd – ist Spitzenkandidat der Berliner CDU im Landeswahlkampf. Und er hat ein P
hat ein Problem. Amtsinhaber Klaus Wowereit kennt jeder, auch die grüne Spitzenkandidatin Renate Künast muss sich nicht mehr vorstellen. Henkel erkennt außerhalb von CDU-Gremien kaum jemand. Er sei gerade deshalb ein "Angriff auf das politische Establishment Berlins", sagt Henkel.1985 ist er in die Junge Union eingetreten, hat in der Landes-CDU über den Ortsvereinvorsitz, den Posten des Generalsekretärs und des Fraktionschefs im Abgeordnetenhaus alle Stationen durchlaufen – was man sich in der Union halt so unter einem Angriff aufs Establishment vorstellt. Einen CDU-Bezirksstadtrat, der noch nicht lang in der Partei ist, begrüßt er im Bus mit den Worten: "Auch als Quereinsteiger kann man ein dufter Kerl sein."Nur nicht zu negativ100 Probleme hat Henkel in Berlin identifiziert, für die er 100 Lösungen anbieten will. Die CDU liegt mit 21 Prozent in den Umfragen deutlich hinter SPD und Grünen. Henkel muss angreifen, darf aber auch nicht zu negativ klingen. Amerikanische Politiker versprechen zum Auftakt ihrer Wahlkämpfe gern, kein Negative Campaigning machen zu wollen – nur um anschließend sofort damit anzufangen. Insofern könnte man Frank Henkel sehr amerikanisch nennen. Bevor es um die Reizthemen Integration und Sicherheit geht, soll aber erst mal das Positive kommen. Also fährt der Bus nach Reinickendorf. Hier hat im Bezirksrathaus die CDU das Sagen – deswegen, sagt Henkel, ginge es den Menschen auch besser als in SPD-regierten Bezirken.Es ist eine merkwürdige Fahrt entlang großer Ausfallstraßen, um das Gelände des Flughafens Tegel herum und durch ein Gewerbegebiet. Henkel sitzt auf dem Unterdeck hinter dem Fahrer, die Gäste auf dem Oberdeck. Ab und zu spricht die Stimme des Kandidaten aus Lautsprechern zu ihnen, dann ist es wieder längere Zeit ruhig.Westberliner Nostalgie zieht durchs Oberdeck, als Henkel erzählt, dass der Flughafen Tegel ja geschlossen werde, wenn der Großflughafen Berlin-Brandenburg öffne. "Dann brauchen wir aber ein vernünftiges Nachnutzungskonzept." Auf keinen Fall dürfe sich der "Sündenfall" des brachliegenden Flughafens Tempelhof wiederholen, den die Berliner momentan als Grünfläche nutzen. "Wir brauchen Arbeitsplätze statt Grillplätze." Irgendwie wirken die Sätze, in denen er zuspitzt, seltsam auswendig gelernt.Nach knapp zwei Stunden hält der Bus an einem Business-Hotel, Halbzeit. "Hier haben wir eine WC-Flatrate ausgemacht, weil der Bus keine Toilette hat", sagt der Kandidat. Auf dem Gehsteig gibt er mitfahrenden Journalisten Interviews. Wer ist Frank Henkel? Er setzt an: "47, ledig, katholisch, gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann ..." Er sagt nicht, dass er jemand sei, der die Stadt verändern wolle, er rattert tatsächlich die Daten seines Lebenslaufs herunter. Was kann er besser als der Amtsinhaber? Wowereit könne feiern, aber es werde Zeit, dass Berlin wieder reagiert werde, sagt Henkel. "Arm ist nicht sexy."Wenn man ihm eine Weile zuhört, drängt sich eine Frage auf: Wo bekommt die Berliner CDU nur immer diese Kandidaten her? 2001 trat Frank Steffel an, von Beruf Teppichhändler, blieb er in Erinnerung, weil er sich im Wahlkampf bei einer Eierwurfattacke hinter Edmund Stoiber wegduckte. 2006 versuchte es Friedbert Pflüger, zuvor Staatssekretär im Verteidigungsministerium, sollte er etwas Weltmännisches in die Berliner CDU bringen. Er tollpatschte durch den Wahlkampf – und verließ später entnervt die Landespolitik."Megametropole Berlin"Möglicherweise ist es ein spezielles Problem der Berliner CDU, die sich vom alten Westberlin und seinem Frontstadt-Mythos nie wirklich verabschiedet hat. Möglicherweise zeigt sich hier aber auch nur überdeutlich, warum die Union in städtisch-aufgeklärten Milieus nicht punkten kann. Henkel spricht gern von der "Megametropole Berlin", auf seiner Bustour fallen ihm neben dem Vorbild Reinickendorf ("keine illegalen Plakate, keine Verwahrlosung des öffentlichen Raums") vor allem Gefahren und Probleme der Stadt ein.Zu Beginn hatte er die Fahrgäste aufgefordert, mit den Füßen zu trampeln, wenn ihnen etwas gefalle, damit er dies eine Etage tiefer auch mitbekomme. Einige folgen der Aufforderung hier und da. Richtig laut wird es aber erst, als der Bus in der Dämmerung durch Neukölln rollt. Integration bedeute nicht "ein andauerndes Multikulti-Straßenfest", sagt Henkel. "Es darf nicht sein, dass man das Gefühl bekommt, dass man über offensichtliche Probleme nicht mehr reden kann." Das geht immer.Und weil Henkel nach drei Stunden nun doch noch ein wenig in Fahrt kommt, kriegt auch der Neuköllner Bürgermeister was ab. "Aus mir unerfindlichen Gründen geht Heinz Buschkowsky in jede Talkshow und schwadroniert dort rum." In der Analyse sei man zwar nicht so weit auseinander, aber Buschkowsky habe keine Lösung. Beide propagieren den Null-Toleranz-Ansatz. Aber nur die Union habe den politischen Willen, diesen auch umzusetzen, sagt Henkel.Als der Bus nach knapp vier Stunden dann wieder am Potsdamer Platz hält, sagt eine Frau beim Aussteigen, sie wisse jetzt, wen sie nicht wähle. "Das mit Buschkowsky hätte er nicht sagen dürfen. Das ist doch der Einzige, der sich kümmert."