Es ist Ramadan – und gläubige Muslime verzichten zurzeit tagsüber aufs Essen. Das rituelle Fasten ist eine der Säulen des Islam. Auch Leistungssportler halten sich daran
Heute Morgen bin ich um Viertel vor drei todmüde und verschlafen aus dem Bett gekrochen, habe zwei Eier, zwei Scheiben Toast ein Croissant und eine halbe Banane verschlungen. Dazu habe ich mehrere Glas Wasser getrunken. Danach habe ich mich wieder hingelegt. Gestern habe ich eine ähnliche Prozedur vollzogen, vorgestern auch: Aufwachen, essen, wieder einschlafen. Ist er verrückt geworden?, höre ich Sie schon fragen. Warum überkommt mich scheinbar mitten in der Nacht eine schwangerschaftsmäßige Lust auf ein herzhaftes Frühstück und jede Menge Wasser?
Die Erklärung ist einfach: Es ist Ramadan und ich faste heute den dritten Tag. Zu meinem Glück wie jenem der anderen 1, 6 Milliarden Muslime rund um den Globus verbleiben nur noch 27 Tage. (I
Übersetzung: Holger Hutt
7 Tage. (Ist das mein Magen, der da gerade knurrt?)Während des Ramadan zu fasten oder sawm ist neben shahadah (dem Glaubensbekenntnis), salat (den fünf täglichen Gebeten), zakat (Geben von Almosen) und hajj (der Pilgerfahrt) eine der fünf Säulen des Islam. Es wird als wajib, das heißt: als obligatorisch betrachtet.Moslems fasten im Ramadan 30 Tage. Wir fasten jeden Tag von Sonnenaufgang (daher das frühe Aufstehen) bis Sonnenuntergang, nicht 30 Tage durchgehend. Das wäre natürlich unmöglich, um nicht zu sagen tödlich. Ramadan, der neunte Monat des islamischen Kalenders, wird von Muslimen als einer der heiligsten Monate angesehen: Wir glauben, dass während des Ramadan dem Propheten Mohammed durch den Engel Gabriel zum ersten Mal der Koran offenbart wurde.Der islamische Kalender orientiert sich seit seiner Einführung im Jahre 622 unserer Zeitrechnung am Mond: Mit jedem Neumond beginnt ein neuer Monat. Da das Mondjahr elf bis zwölf Tage kürzer ist als das Sonnenjahr, fällt Ramadan in jedem Jahr auf einen anderen Monat des westlichen Kalenders. Noch vor ein paar Jahren lag er im Winter, wo die Tage viel kürzer und kälter sind. In diesem Jahr fällt er auf den Sommer, mit dessen viel längeren und heißeren Tagen. Das macht das Fasten nicht leicht. Stellen Sie sich nur einmal vor, in der Augusthitze die U-Bahn zu betreten, ohne eine Flasche Wasser dabei zu haben.Ist das nicht gefährlich?Die Liste der im Ramadan verbotenen Dinge ist lang: Keinerlei Flüssigkeit, weder Wasser noch Saft oder Milch. Keine Zigaretten, keine Drogen, kein Sex, keine Vulgärsprache, kein schlechtes Benehmen – von Sonneaufgang bis Untergang. "Hat es angefangen?", haben meine Kollegen mich zu Beginn der Woche mit einer Mischung aus Sympathie, Mitleid und – vielleicht – ein wenig Ehrfurcht gefragt. Aus Sicht der meisten (wohlmeinenden) Nicht-Muslime ist der Ramadan zutiefst repressiv. Ist das nicht gefährlich, werde ich oft gefragt. Schadet das nicht der Gesundheit? Schwächt es dich?Kurz gesagt: nein. Millionen Muslime fasten seit Jahrhunderten, ohne dass sie an einer Ramadan-spezifischen Krankheit leiden würden. Empfindliche Gruppen – Kranke, Ältere, Kinder, Schwangere und Reisende – sind vom Fasten befreit. In den vergangenen Jahren hat eine Reihe akademischer Studien belegt, dass es sogar gut für die Gesundheit ist. Es kann das Risiko von Artieren-Erkrankungen und Diabetis verringern, den Kolesterinspiegel unter Kontrolle halten sowie Übergewichtigkeit, Blutzucker und Triglyceriden entgegenwirken.Einige der weltbesten Athleten haben es fertig gebracht, während des Fastens Höchstleistungen zu vollbringen. Im kommenden Jahr beginnt der Ramadan im Juli und wird die ganzen Olympischen Spiele über dauern. In Ost-London werden muslimische Athleten aus der ganzen Welt zu Gast sein, die miteinander fasten und wetteifern werden – und ich wette, sie werden auch Medaillen gewinnen.Topscorer im RamadanDenn das ist nichts Neues. In den Neunzigern spielte der gläubige Muslim Hakeem Olajuwon, der als einer der besten Spieler seiner Generation galt, oft in der NBA, während er gleichzeitig fastete. "Es hat mich stärker gemacht und meine Statistik verbessert", bemerkte er später einmal. "Während des Ramadan war ich fokussierter." Im Februar 1995 erzielte Olajuwon im Durchschnitt 29 Punkte pro Spiel und wurde zum NBA-Spieler des Monats ernannt, obwohl der ganze Monat mit Ramadan zusammenfiel.In jüngerer Vergangenheit folgte der Fußballspieler Kolo Touré von Manchester City Olajuwons Beispiel. "Es macht mir körperlich nichts aus", meinte dieser im vergangenen Jahr während des Ramadan, der mit dem ersten Monat der Premier League-Saison zusammenfiel. "Es geht, wenn man fest an etwas glaubt."Während des Ramadan hat man einen Monat lang die Chance, persönlich und spirituell zu wachsen. Das Fasten ist ein zutiefst privater Akt der Anbetung. "Von den fünf Säulen des Islam ist das Fasten vielleicht die persönlichste Selbsthingabe an Gott", schreibt der amerikanische Schriftsteller und Konvertit, Jeffrey Lang, in seinem Buch Even Angels Ask. "Wir können einen Muslim dabei beobachten, wie er die anderen vier Säulen befolgt, aber außer ihm selbst, weiß nur Gott, ob er das Fasten wirklich einhält." Bis jetzt habe ich drei geschafft. Wie spät ist es eigentlich? Mittag. Hmm. Nur noch acht Stunden und 55 Minuten.