Vor 20 Jahren sagte Christiane Rösinger den Pärchen musikalisch den Kampf an: "Verpisst euch, keiner vermisst euch". Jetzt lässt sie die schriftliche Fortsetzung folgen
„Das Pärchen an sich ist eigentlich eine ganz niedrige Lebensform und steht in der Artentabelle nur knapp über dem Einzeller oder dem Pantoffeltierchen“. Mit diesen klaren Worten beginnt Christiane Rösinger die Lesung ihres neuen Buches Liebe wird oft überbewertet im Leipziger Centraltheater. Die Show zum Sachbuch zum Song. Denn dass Liebe nur ein Teilaspekt des Lebens ist, hat Rösinger schon vor 1995 fröhlich in die Welt posaunt – damals noch singend und kreischend mit ihrer Band Lassie Singers.
Nun also das Ganze als Buch. Und dass sich der Unmut über die Pärchendiktatur bei Rösinger auch in den vergangenen knapp zwanzig Jahren nicht geändert hat, ist nicht nur beruhigend, sondern gibt ihren Thesen schon vornherein eine g
n vornherein eine gewisse Seriosität. Hier spricht keine gerade Verlassene, die in ihrem Groll über den Ex-Freund auf alle sie umgebenden Pärchen schimpft, sondern eine gestandene Frau, die sich eingehend mit der Materie auseinandergesetzt hat, und ganz logisch zu dem Schluss gekommen ist, dass es besser ist, wenn wir alleine leben.„Das Pärchentum bringt immer die schlechtesten Eigenschaften des Einzelnen nach oben und produziert deshalb am laufenden Band unglückliche Paare, die wie geprügelte Hunde nebeneinander durchs Leben schleichen“, liest Rösinger und erhält feixendes Gelächter. Denn trotz aller Schrecknis: Mehr als genickt oder den Kopf geschüttelt wird hier gelacht. Der Großteil des Publikums ist weiblich, doch am lautesten hört man die wenigen anwesenden Pärchen, die sich in Selbstironie üben. „Ihr lacht, aber es ist tragisch“, wirft ihnen die selbst ernannte Paarkritikerin entgegen, ohne nicht auch selbst jede Menge Spaß an ihren Erläuterungen zu haben.Alter SchlachtrufZur Premiere ihrer Lese-Show in Leipzig hat sie drei Musiker mitgebracht, denn die in ihrem Buch aufgestellten Thesen kann die Sängerin meist mit einem passenden Song aus ihrer Musik-Karriere elegant untermalen. Vorneweg natürlich der alte Schlachtruf „Pärchen verpisst euch, keiner vermisst euch!“ aus dem Lassie-Singers-Hit „Die Pärchenlüge“, der von ihr solo gesungen und mit sanfter Pianobegleitung nicht mehr ganz so kämpferisch, sondern vielmehr als charmanter Vorschlag rüber kommt, während sie im schwarzen Hosenanzug und Turnschuhen über die Bühne tanzt.Aber auch die weiteren Kapitel bieten Möglichkeiten des musikalisch-gelesenen Zusammenspiels: Zum Beispiel die Geschichte von Petra, dem Trauerschwan. Ein vom Laptop an die Bühnenwand gebeamtes Foto zeigt den schwarzen Schwan, wie er ein großen weißes Tretboot anschmachtet, das in Form eines weißen, eleganten Schwanes daherkommt. Zwei Jahre lang folgte Trauerschwan Petra dem Schwanenboot auf Tritt und Tritt in großer, ungebrochener Zuneigung. „So ähnlich verhält sich eine Frau, die sich in einen besonders verhaltensgestörten Mann verliebt und glaubt, ihn durch Liebe und Hartnäckigkeit heilen zu können“, meint Rösinger und stimmt den alten Lassie-Singers-Song „Ich glaub, ich hab ein Faible für Idioten“ an.Oder das Schicksal einer Freundin, die glaubte, den Mann fürs Leben gefunden zu haben, weil sie dank des übereinstimmenden (von den Charts beeinflussten) Musikgeschmacks, der gleichen Sofakissen (von IKEA) und eines fast identischen Auto-Nummernschildes eine Seelenverwandtschaft ausgemacht hatte – und natürlich nach geraumer Zeit bitter enttäuscht wurde. „Bist du einmal traurig und allein? Gewöhn' dich dran, es wird bald immer so sein. Und suchst du einen Menschen, der dich versteht, der dir gefällt, dann warte nur ab, wie lange er noch zu dir hält“, singt Rösinger dazu den fatalistischen Song „Sinnlos“ aus ihrem Soloalbum Song of L. and hate (bloß nicht aussprechen, das böse Wort). Die Menschen im Saal applaudieren. Denn alles andere als sinnlos erscheint das Dasein ohne festen Partner, wenn Rösinger davon berichtet.Romantische Zweierbeziehung (RZB)Neben Geschichten aus dem Alltag und dem persönlichen Umfeld hat sie bei der Arbeit an dem Buch die vorhandene Literatur über Liebe durchforstet. Theorie-Diagramme, die nicht viel Sinn ergeben, was hier aber keinen stört, sie selbst am wenigsten. Singleratgeber, deren Titel so skurril sind, dass ihr alleiniges Vorlesen schon Lacher hervorruft, und deren Ziel es immer wieder ist, das Singledasein schnellstmöglich zu beenden. Die Schicksale von Liebespaaren der Weltgeschichte – vom Adam und Eva über Romeo und Julia bis zu Leonardo DiCaprio und Kate Winslet in Titanic –, die alle tragisch und unglücklich endeten. Am besten scheint die Romantische Zweierbeziehung (abgekürzt: RZB) noch bei Siegfried und Roy zu funktionieren.Wer wissen wolle, wieso die RZB überhaupt nur eine Erfindung des 18. Jahrhunderts ist, müsse sich allerdings das Buch kaufen, die Erklärung wäre hier in der aufgeheizten Atmosphäre thematisch zu trocken, schließlich handle es sich bei dem zweihundert Seiten starken Werk um ein Sachbuch. „Und das sollte man auch zu Hause mit dem Bleistift in der Hand für Notizen und Randbemerkungen und einer daneben liegenden Enzyklopädie lesen“, fordert Rösinger auf und wirft lieber Fotos von „bored couples“ an die Wand, die in Hotellobbys und Frühstücksräumen sitzen und sich offensichtlich nicht das Geringste zu sagen haben.Dass Rösinger aber alles andere als ein Feind der Liebe an sich ist, zeigt sich in ihren Liedern, die nur allzuoft von der Liebe an sich handeln. „Ich muss immer an dich denken“ ist so einer. Der Feind, gegen den Rösinger keinen Streifzug, sondern eher einen „Lass mal gut sein“-Ansatz fährt, ist die Pärchendiktatur, die sich in alle Bereiche des Leben einschleicht – von Bausparvertrag, Familienfesten oder Kinobesuchen. Aber sobald man sich dagegen ausspricht, gelte man als „verbittert, neidisch und zu kurzgekommen“. Dass der Vorwurf umgekehrt aber vielmehr bei in langjährigen Beziehungen feststeckenden Paarhälften funktioniert, hat Rösinger keineswegs stichhaltig, sondern einseitig und plakativ, aber überzeugend und unterhaltsam bewiesen. Denn Liebe ist eben nicht so wichtig, wie man denkt. Sondern schlicht überbewertet.