Jeff Bezos, Elon Musk und Susanne Klatten: Wie wurden sie so reich?
Nicht durch Arbeit Ob Amazon, Tesla oder BMW: Diese Unternehmen machen ihre Besitzer superreich. Können wir das auch? Ein Blick in die Geschichte der reichsten Menschen der Welt zeigt: Es gibt einen Weg, den sie alle gegangen sind. Gerecht ist der nicht
Superreiche wie Elon Musk (l.) und Jeff Bezos (r.) werden gerade in Krisenzeiten immer mächtiger
Montage: der Freitag, Material: Getty Images
Kann man durch Arbeit reich werden, also so richtig superreich? Beginnen wir mit einer kleinen Rechnung. Jeff Bezos, der Amazon-Gründer und aktuell zweitreichste Mensch der Welt, ist ein tolles Vorbild dafür, denn unter den Superreichen ist er ein besonderer Fall: Er hat sein unvorstellbares Nettovermögen von derzeit 202 Milliarden US-Dollar nicht geerbt, anders als die meisten Superreichen. 202 Milliarden Dollar, diese Zahl ist so groß, dass man sie umrechnen muss, um sie zu begreifen. Vielleicht so: Das Durchschnittsgehalt in Deutschland liegt aktuell brutto bei 43.750 Euro im Jahr. Eine durchschnittliche Beschäftigte wie ein Mechatroniker oder eine Lokführerin müsste also 4,4 Millionen Jahre arbeiten, um Bezos’ Vermögen brutto zu verdienen &
rerin müsste also 4,4 Millionen Jahre arbeiten, um Bezos’ Vermögen brutto zu verdienen – eigentlich über 6 Millionen Jahre, um im Netto mithalten zu können. Allerdings dürfte sie, um diese Summe anzusparen, in dieser Zeit nichts ausgeben.Das ist zu lang. Tut sich unsere Lokführerin mit tausend anderen zusammen, die durchschnittlich viel verdienen, dann sieht es schon etwas besser aus. Dann müssten sie nur noch gut 6.500 Jahre arbeiten. Die tausend durchschnittsverdienenden Lokführer*innen hätten somit lange vor dem Bau der ersten Pyramiden die Eisenbahn erfinden und einen Unsterblichkeitstrank finden müssen, dann einen Arbeitsvertrag mit einem normalen heutigen Lohn abschließen müssen, für die nächsten 6.500 Jahre freie Kost und Logis vereinbaren und unentwegt arbeiten müssen, um an Jeff Bezos’ in wenigen Jahrzehnten erworbenes Vermögen heranzukommen. Und dann gibt es leider noch ein Problem: Jeff Bezos vermehrt sein Vermögen in der Zwischenzeit weiter, um etwa zwölf Millionen Dollar pro Stunde. Je länger die 1.000 Urzeit-Malocher*innen arbeiten, desto mehr prescht ihnen der Amazon-Gründer davon. Sie holen ihn nicht ein.Placeholder infobox-1Wie die Nichtregierungsorganisation Oxfam in ihrem jüngsten Bericht zur sozialen Ungleichheit auflistet, haben die fünf reichsten Männer der Welt ihr Vermögen seit 2020 mehr als verdoppelt. Alle Milliardär*innen zusammen steigerten ihr Vermögen um ein Drittel – damit wuchs ihr Reichtum bedeutend schneller als die Inflationsrate. Die ärmsten 60 Prozent der Menschheit, knapp fünf Milliarden Menschen, haben in der Zeit verloren.Doch nicht alle Reichen sind superreich: Die Zahl der „normalen“ Reichen, der Dollar-Millionäre also, ist 2022 zum ersten Mal seit der Finanzkrise 2008 gesunken. Von ihnen gibt es nach Zählung der Schweizer Banken UBS und Crédit Suisse etwa 60 Millionen auf der Welt, etwa drei Millionen weniger als vor einem Jahr. Dafür waren die durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Turbulenzen an den Finanzmärkten verantwortlich.Placeholder infobox-2Während also jene, die knapp an der Eine-Million-Marke kratzen, in Krisenzeiten durchaus wieder abrutschen können, sieht es bei denen, die deutlich darüber liegen, anders aus. Sie haben so viele Optionen, ihr Geld anzulegen, dass überall ein Gewinn auf sie wartet.Ob Pandemie, Krieg oder Inflation: Für Superreiche gibt es keine schlechten Zeiten. Wie also kommt man dorthin? Am ehesten: durch Erbschaft. 80 Prozent der 500 reichsten Deutschen, das hat der Elitenforscher Michael Hartmann herausgefunden, haben ihr Vermögen durch Erbschaften erlangt, und das meist schon über Generationen. Die Erbschaftssteuer ist in Deutschland gering, es gibt hohe Freibeträge und viele legale Möglichkeiten, sie zu umgehen.Aber auch das geerbte Geld muss ja irgendwoher kommen. Und da gibt es einen Trick, den in der Geschichte der meisten Superreichen immer jemand angewandt hat: Er – es ist eigentlich immer ein Mann – hat andere Menschen für sich arbeiten lassen. Und hier kommen wir zur dunkleren Seite der Erbschaftsmilliarden. Denn kaum eines dieser Vermögen kam ohne eine gehörige Portion Gewalt zustande.Selber arbeiten? Muss nicht seinIn vielen früh industrialisierten Ländern halfen Raubzüge in den Kolonien und Profite aus Sklaverei, den Grundstein für jene Großvermögen zu legen, die bis heute in den Familien des Geldadels weiterwachsen. In Deutschland sind viele Vorfahren der Superreichen durch Krieg und Nationalsozialismus groß geworden. Die Familie Quandt, zu der das reichste deutsche Geschwisterpaar (Stefan Quandt und Susanne Klatten) gehört, ist ein gutes Beispiel für so einen deutschen Werdegang. Ihr Urgroßvater Emil Quandt begann als Tuchfabrikant. Großvater Günther Quandt stieg, dank der hohen Nachfrage nach Uniformen im Ersten Weltkrieg, zum Großindustriellen auf: Er expandierte in die Kohle- und Kaliindustrie, kaufte den Batteriehersteller AFA (später: Varta) und eine Rüstungsfabrik, die in der Zeit des Versailler Vertrags allerdings keine Rüstungsgüter produzieren durfte. Unter den Nazis aber änderte sich das, nun jagte ein Rüstungsauftrag den nächsten, auch von der Arisierung jüdischen Besitzes profitierte die Familie. 1937 wurde Günther Quandt zum Wehrwirtschaftsführer ernannt. In seinen Fabriken setzte er Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge in großer Zahl zu Zwangsarbeit ein.Placeholder infobox-3In der Bundesrepublik setzten die Erben Herbert und Harald Quandt den Weg des Vaters fort. Als Hauptaktionär von BMW sorgte Herbert Quandt Ende der 1950er Jahre für die Sanierung des im NS groß gewordenen Autokonzerns. Heute sind Stefan Quandt und Susanne Klatten die Hauptaktionäre von BMW, beide sitzen im Aufsichtsrat. Allein ihren BMW-Aktien verdanken beide mehrere Milliarden Euro an Dividenden. 769 Millionen waren es allein im ersten Corona-Jahr – während der Konzern gleichzeitig staatliche Unterstützung für Kurzarbeit in Anspruch nahm und eine Kaufprämie für Pkw forderte.In dieser kleinen Geschichte stecken gleich mehrere Dinge, die das superreiche Leben auszeichnen: die Vermögensbildung mit Gewalt und brutaler Ausbeutung, umfangreiche Förderung durch den Staat und Vermögensmehrung durch Aktiengeschäfte und Unternehmensbeteiligungen. Und das herkömmliche Arbeiten? Spielt kaum eine Rolle. Bei typischen Milliardär*innen entsteht nur ein Bruchteil des Einkommens durch Arbeitseinkommen, das Netzwerk Steuergerechtigkeit schätzt ihn auf gerade mal ein Prozent. Bei Multimillionär*innen ist die Gewichtung etwas anders, hier entfallen immerhin zehn bis 15 Prozent des Reichtums auf Arbeitseinkommen, das Muster ist gleich.Ist der Superreichtum einmal angehäuft, zahlen Superreiche extrem wenig Steuern. Die Steuersätze der Milliardär*innen in Deutschland liegen bei 26 Prozent, wie das Netzwerk Steuergerechtigkeit jüngst errechnete, die der Multimillionär*innen bei 29 Prozent. Das liegt an zahlreichen Sonderregeln, niedrigen Steuern auf Kapitaleinkünfte, Steuerprivilegien für Vermögen und Unternehmensgewinne. Die progressive Einkommenssteuer, die normale Menschen zahlen, betrifft nur einen kleinen Teil ihres jährlichen Einkommens. Hinzu kommen halb- und illegale Möglichkeiten der Steuerhinterziehung, wie sie alle paar Jahre, etwa durch die Panama Papers oder im Cum-Ex-Skandal, bekannt werden. Der Steuerverlust, den die Bundesrepublik allein durch Cum-Ex erlitten hat, beläuft sich übrigens auf etwa 36 Milliarden Euro.Placeholder infobox-4Diese Ungerechtigkeit ist nicht neu, und man sollte meinen, dass der Sozialstaat unter einer SPD-geführten Regierung, oder zuvor unter SPD-Regierungsbeteiligung, an der Umverteilung arbeitet. Doch das Gegenteil ist der Fall: Der tatsächlich gezahlte Steuersatz für Superreiche hat sich in den letzten 30 Jahren halbiert. Das wiederum ist eine Folge politischer Entscheidungen, die in der Bundesrepublik seit 1990 eine gewaltige Umverteilung von unten nach oben in Gang gesetzt haben.Gebt das Geld den Reichen!1997 schaffte Schwarz-Gelb die Vermögenssteuer ab, seitdem werden große Vermögen weder besteuert noch überhaupt erfasst – übrigens ein Grund dafür, dass man nicht weiß, wie viele Milliardäre es in Deutschland eigentlich gibt. Unter Gerhard Schröders Rot-Grün wurde 2001 die Körperschaftssteuer von 40 auf 25 Prozent gesenkt, unter Angela Merkel auf 15 Prozent. Ähnlich die Einkommenssteuer: In den 1980er Jahren betrug der Höchstsatz noch 56 Prozent. 1998 senkte Rot-Grün ihn auf 53 Prozent, inzwischen liegt er bei 42 Prozent ab einem Jahresgehalt von 68.210 Euro. Und wer mehr als 227.826 Euro verdient, muss 45 Prozent zahlen. Auch die Steuern auf nicht ausgeschüttete Unternehmensgewinne sanken dramatisch.Placeholder image-6Nun will ja keiner missgünstig sein. Es ist nur so: Das Geld, das den Superreichen und den Reichen in den vergangenen 30 Jahren gelassen wurde, fehlt eklatant an anderer Stelle. Allein die unter Schröder beschlossene Steuerreform hatte jährliche Wenigereinnahmen des Staates von 40 Milliarden Euro zur Folge, weitere zehn Milliarden pro Jahr fehlten durch die Unternehmenssteuerreform. Es mussten also dringend neue Einnahmen her. Nach der Lohnsteuer ist die Mehrwertsteuer die zweitwichtigste Einnahmequelle des Staates. Sie wird von der breiten Masse der Bevölkerung getragen und belastet vor allem diejenigen, die ihr Einkommen großteils für den Lebenserhalt ausgeben müssen, sprich: die Lohnabhängigen. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent im Jahr 2007 spült jährlich zwischen 25 und 40 Milliarden Euro in die Staatskassen. Hier verteilte der Staat konkret um: von unten nach oben.Profitiert haben die Unternehmensbesitzer*innen aber auch dadurch, dass Investitionen staatlich gefördert wurden, dass ihre Arbeitskräfte für sie kostenlos an den staatlichen Schulen und Universitäten ausgebildet wurden, und nicht zu vergessen: dadurch, dass der Staat den Preis der Ware Arbeitskraft billiger machte. Das lässt sich an den Hartz-Reformen und der Agenda 2010 veranschaulichen. Um den Preis der Arbeitskraft zu drücken, zog die damalige Schröder-Regierung die Schrauben bei den Arbeitslosen an. Mit der Einführung von Hartz IV und den dazugehörigen Sanktionen wurde der Druck zur Arbeitsaufnahme erhöht. Billigjobs wurden durch die Möglichkeit, zusätzlich zu Hartz IV aufzustocken, und durch die neuen Mini-Jobs staatlich querfinanziert. So konnte in Deutschland ein beachtlicher Niedriglohnsektor entstehen – die Gewinne der Unternehmen sprudelten, während die Armut wuchs. Heute ist Deutschland eines der ungleichsten Industrieländer der Welt.Placeholder infobox-5Durch Arbeit so richtig reich zu werden, ist also schwierig. Noch dazu fehlt das Geld an allen Ecken und Enden: Der Staat ist verschuldet und hadert mit der Schuldenbremse, die Normal- und Geringverdiener kämpfen mit den Kosten der grünen Transformation. Wie könnte es etwas gerechter zugehen? Dazu kursieren zahlreiche Ideen. Die Linkspartei möchte die Vermögenssteuer wieder einführen, ein Vorschlag, der zuletzt 2022 von allen anderen Parteien abgeschmettert wurde. Auch Forderungen nach einer höheren Erbschaftssteuer werden aufgebracht, manchmal sogar von Millionär*innen selbst, wie Marlene Engelhorn und ihrer Initiative „Tax me now“. Auch Kapitaleinkünfte höher zu besteuern und die Unternehmenssteuer hochzusetzen, sind Vorschläge.Doch die Reichen wissen dagegenzuhalten. Erregt ihr Reichtum Anstoß, singen sie das Lied der Leistungsbereitschaft, die den Leuten angeblich verloren gegangen sei. Das hören wir ja auch häufiger aus den Reihen der CDU, und im Streit um die Vier-Tage-Woche erhitzen sich die Gemüter. Und wenn es den Reichen zu unbequem wird, drohen sie, das Land zu verlassen.Doch selbst wenn der Staat die Supervermögenden stärker zur Kasse bitten sollte: Die Urzeit-Lokführer*innen, die zu Jeff Bezos aufschließen wollen, bleiben leider abgehängt. Solange Menschen für andere arbeiten müssen, rennen sie und wir alle das Rennen, das weit vor den Pyramiden startete, immer neu.
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