Nicht zum Lachen: Lachgas-Konzentration in der Atmosphäre auf neuem Höchststand

Erderhitzung Forscher des „Global Carbon Project“ veröffentlichen erschreckende Messdaten der Lachgas-Konzentration in der Atmosphäre. Es ist 300 Mal so klimaschädlich wie CO₂. Hauptquelle ist die Landwirtschaft
Bei übermäßiger Düngung mit stickstoffhaltigen Düngern wird besonders viel Lachgas frei
Bei übermäßiger Düngung mit stickstoffhaltigen Düngern wird besonders viel Lachgas frei

Foto: William West/AFP/Getty Images

Der Trivialnamen lautet „Lachgas“: Distickstoffmonoxid ist fast 300 Mal so klimaschädlich wie Kohlendioxid. Das bedeutet: Ein Molekül des Lachgases blockiert in der Atmosphäre den natürlichen Hitzerückfluss ins Weltall so stark wie 300 Moleküle des bekanntesten Treibhausgases. Die chemische Formel lautet N2O. Der größten Anteil am Klimawandel hat nach Daten des Umweltbundesamtes UBA das Kohlendioxid mit etwa 63,9 Prozent, gefolgt von Methan mit 19,1 Prozent. Dann folgt schon Lachgas mit 5,7 Prozent.

Grund genug also, sich intensiver mit Lachgas zu befassen: Mediziner nutzen es als Narkosemittel, auch als Partydroge wird das „Schnüffelgas“ verwendet, weil es entspannt und leichte Halluzinationen auslöst. In Spraydosen kommt es als Treibgas zum Einsatz, als Lebensmittelzusatzstoff E 942 schäumt es beispielsweise Schlagsahne aus dem Supermarkt auf. Lachgas entsteht beim Faulprozess in Mooren, vor allem aber als Nebenfolge der Landwirtschaft. Und es schädigt nicht nur die Erdatmosphäre – Lachgas ist das dritthäufigste Treibhausgas –, es zerfällt in großer Höhe zu Substanzen, die Ozon zersetzen und damit auch die Stratosphäre schädigen.

Anders als Kohlendioxid oder Methan wird Lachgas in der Wahrnehmung des Klimaproblems aber relativ selten betrachtet. Umso besorgniserregender ist deshalb eine Studie, die jetzt vom Forschungsverbund „Global Carbon Project“ am Boston College veröffentlicht wurde: Demnach sind die vom Menschen verursachten Lachgasemissionen seit 1980 um etwa 40 Prozent gestiegen. Und die Studie beweist, wie wichtig Klimaschutz in der Landwirtschaft wäre: Die ist für den größten Anteil des menschlichen Lachgasausstoßes verantwortlich, im vergangenen Jahrzehnt war sie demnach für 74 Prozent verantwortlich.

Deutsches Regierungsziel klar verfehlt

In Deutschland stammen sogar 78 Prozent aller Lachgasemissionen aus der Landwirtschaft, unter anderem durch die Stickstoffdüngung: Bauern kippen mehr davon aufs Feld, als die Pflanzen aufnehmen können. Auch die Tierhaltung ist eine Quelle, aus Gülle und Stallmist gast Lachgas aus.

Im Jahr 2002 hatte sich die damals rot-grüne Bundesregierung mit ihrer Nachhaltigkeitsstrategie das Ziel gesetzt, den Stickstoffüberschuss auf deutschen Feldern im 3-Jahres-Durchschnitt bis 2010 auf 80 Kilogramm pro Hektar und Jahr zu senken. Dieses Ziel wurde deutlich verfehlt. Deshalb beschloss die Regierung von Angela Merkel (CDU) 2016 ein neues Ziel: Jetzt soll der Überschuss im Mittel der Jahre 2028 bis 2032 auf maximal 70 Kilogramm pro Hektar und Jahr begrenzt werden.

Was für den Klimaschutz immer noch viel zu viel ist. Die Forscher des Boston College fordern eine Null-Emissionsstrategie. Leitautor Hanqin Tian erklärte in einer Mitteilung: „Die Reduzierung der Lachgasemissionen ist die einzige Lösung, da es derzeit keine Technologien gibt, Lachgas aus der Atmosphäre zu entfernen.“ Die durchschnittliche Lebenszeit in der Atmosphäre beträgt etwa 120 Jahre. Das bedeutet: Heute emittiertes Lachgas wird die Atmosphäre auch noch im Jahr 2144 aufheizen.

Konzentration um ein Viertel gestiegen

Wissenschaftler der University of California in San Diego hatten gerade erst Alarm geschlagen: Die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre war zuletzt so stark gestiegen wie lange nicht mehr. Nun hat das „Global Carbon Project“ Messwerte für Lachgas vorgelegt: Während in der vorindustriellen Zeit 270 Teile pro Milliarden in der Erdhülle zu finden waren, stieg dieser Anteil auf 336 Teile pro Milliarden. Das entspricht einem Zuwachs von fast 25 Prozent. Einmal ausgestoßen, bleibt es da 120 Jahre. Das bedeutet: Heute produziertes Lachgas wird die Erdhülle auch noch im Jahr 2144 aufheizen.

Leitautor Hanqin Tian spricht schon gar nicht mehr von einem 1,5 Grad-Ziel, dass die Kippelemente im Weltklimasystem stabil halten würde. Tian sagt: „Wenn wir den globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad begrenzen wollen, wie im Pariser Klimaabkommen beschlossen, müssen die menschgemachten Lachgasemissionen schnell zurückgehen.“

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