Gaza-Proteste an US-Universitäten: Über 2.000 Studierende festgenommen

Protestcamps Nach und nach räumt die Polizei die propalästinensischen Camps und Demonstrationen an vielen Universitäten in den USA. Dabei kommt es zu Hunderten Festnahmen. Beobachter sprechen von Szenen der Gewalt
An der UCLA werden 200 Protestierende festgenommen
An der UCLA werden 200 Protestierende festgenommen

Foto: Etienne Laurent/AFP/Getty Images

Bei den propalästinensischen Protesten an US-Universitäten wurden in den vergangenen Wochen insgesamt mehr als 2.000 Menschen festgenommen. Allein an der University of California, Los Angeles (UCLA), wurden 200 Studierende festgenommen, als die Polizei ein Protestcamp räumte. Über 90 Studierende wurden außerdem am Dartmouth College in New Hampshire festgenommen, dazu an der University of New Hampshire und an der University of Buffalo. In Oregon rückte die Polizei am Donnerstag in die Bibliothek der Schule ein, die seit Montag von Demonstranten besetzt war.

„Wir sind keine autoritäre Nation, in der wir Menschen zum Schweigen bringen oder abweichende Meinungen unterdrücken“, sagte US-Präsident Joe Biden am Donnerstag. „Aber“, so fuhr er fort, „die Ordnung muss herrschen.“ Gewalttätiger Protest sei nicht geschützt – friedlicher Protest schon.
„Vandalismus, Hausfriedensbruch, das Einschlagen von Fenstern, die Schließung von Universitäten, die erzwungene Absage von Vorlesungen und Abschlussfeiern – nichts davon ist ein friedlicher Protest“, so Biden in seiner kurzen Erklärung am Donnerstagmorgen: „Es gibt das Recht zu protestieren, aber nicht das Recht, Chaos zu verursachen.“ Auf Nachfrage eines Reporters antwortete er, dass er nicht glaube, es sei jetzt der richtige Zeitpunkt, die Nationalgarde zu rufen.

In einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht der Datenplattform Armed Conflict Location & Event Data Project heißt es, dass es zwar zu einigen Zusammenstößen gekommen sei, „die überwältigende Mehrheit [der Proteste] – 99 Prozent – jedoch friedlich geblieben ist“.

Die propalästinensischen Proteste sind Teil einer Bewegung, die Universitäten dazu zwingen will, sich von jenen Unternehmen zu trennen, die den Krieg in Gaza unterstützen. Sie zeigen, wie der Krieg zu einem wichtigen Brennpunkt in der US-Politik geworden ist. Mehr als 34.000 Menschen wurden im Gazastreifen getötet, seit Israel mit der Zerschlagung der Hamas begonnen hat, so das Gesundheitsministerium in Gaza. Noch mehr Menschen in Gaza sind dem Hungertod nahe, da Israel die Nahrungsmittelhilfe für das Gebiet eingeschränkt hat.

UCLA: 200 Festnahmen, Wurfgeschosse und Pfefferspray

Am 7. Oktober tötete die Hamas bei einem Angriff auf Israel mehr als 1.200 Menschen und nahm etwa 250 Geiseln. Seit Beginn des israelischen Vorgehens gegen die Hamas haben die USA Israel umfangreiche militärische Unterstützung gewährt, zuletzt in Form eines Hilfspakets im Wert von 15 Milliarden Dollar.

Seit im April ein Protestcamp an der Columbia University in New York gegründet worden war, hatten die Studierendenproteste im ganzen Land zugenommen. Viele Fakultätsmitglieder haben sich den protestierenden Student*innen angeschlossen oder sie unterstützt, als Polizei und Universitäten mit Gewalt auf die Demonstrationen reagierten.

Am Donnerstagmorgen räumte die Polizei in den frühen Morgenstunden das Protestcamp an der UCLA und nahm mindestens 200 Demonstranten fest. Der Polizeieinsatz folgte auf einen stundenlangen brutalen Angriff auf das Lager am Dienstagabend durch maskierte „Unruhestifter“, die auf den Campus kamen und Studierende mit Wurfgeschossen und Pfefferspray angriffen, während sich die Sicherheitskräfte des Campus und die Polizei laut Beobachtern zurückzogen oder nicht eingriffen.

Mindestens 1.000 Menschen hatten sich am späten Mittwochabend auf dem UCLA-Campus versammelt, bevor die Polizei anrückte und Sperrholzplatten und Paletten einriss, mit denen die Demonstrant*innen ihr Lager verstärkt hatten. Die Studierenden berichteten, dass sie erneut mit Wurfgeschossen, Feuerwerkskörpern und chemischen Stoffen angegriffen wurden. Die chaotische Aktion dauerte bis in die frühen Morgenstunden an.

Anklagen wegen Hausfriedensbruch

Am späten Donnerstagmorgen hatte sich der Campus weitgehend beruhigt. Die studentische UCLA-Zeitung Daily Bruin veröffentlichte in den sozialen Medien Bilder eines Campus-Gebäudes, das mit Graffitis wie „Free Palestine“ und „Fuck Israel“ beschmiert war.

In New York sagten Anwälte der Rechtshilfe, dass sie immer noch um die Freilassung der Demonstrant*innen kämpften, mehr als 24 Stunden nach ihrer Festnahme – viele von ihnen wurden nur wegen geringfügiger Vergehen angeklagt und hätten, so die Anwälte, gar nicht erst festgenommen werden dürfen. „Viele Demonstranten, die Anfang der Woche verhaftet und gestern Abend angeklagt wurden, wurden letztlich wegen Hausfriedensbruchs angeklagt, einem geringfügigen Vergehen, und zu diesem Zeitpunkt hätten sie unverzüglich aus der Haft entlassen werden müssen“, sagte Tina Luongo, leitende Strafverteidigerin der Legal Aid Society.

In Dartmouth, wo erst vor Kurzem ein Camp entstanden war, sagte ein Professor, dass die Universität mit „voller Wucht“ reagierte, und veröffentlichte ein Video, auf dem zu sehen ist, wie ein weißhaariger Kollege von der Polizei gepackt und weggeschleift wird.

„In der ein oder anderen Stunde, in der sie existieren durften, waren diese Camps das Vorbild eines friedlichen, inklusiven Protests“, sagte Jeff Sharlet, ein Professor in Dartmouth, der Washington Post. „Sie haben nichts behindert, nichts gestört, niemanden bedroht und weder Hassreden verwendet noch gezeigt.“

Die chaotischen Szenen an der UCLA ereigneten sich, nachdem die New Yorker Polizei am Dienstagabend in ein von Kriegsgegnern besetztes Gebäude an der Columbia University eingedrungen war und einen Protest aufgelöst hatte, die die Universität lahmgelegt hatte.

Propalästinensische Proteste in den USA, Kanada, Australien und Großbritannien

Am Mittwoch, dem 1. Mai, kam es auch an der Universität von Wisconsin, Madison, zu einem Gedränge, nachdem die Polizei mit Schilden alle Zelte bis auf eines entfernt und Demonstranten geschubst hatte. Vier Beamte wurden verletzt, darunter ein Polizist, der mit einem Skateboard am Kopf getroffen wurde, so die Behörden. Gegen vier von ihnen wurde Anklage wegen Widerstand gegen Polizeibeamte erhoben.

Ein seltenes Beispiel für die Deeskalation der Proteste durch die Behörden war die Brown University in Rhode Island, die im Oktober einer Abstimmung über den Rückzug aus Investitionen in Geschäfte mit Israel zustimmte, die vom Gaza-Krieg profitierten – offenbar die erste US-Hochschule, die einer solchen Forderung zustimmte.

Auch am City College, an der Fordham University und am Stony Brook College in New York, an der Portland State University in Oregon, an der Northern Arizona University in Flagstaff, an der Tulane University in New Orleans und an der University of Texas, Dallas, haben die Behörden Verhaftungen vorgenommen und Protestlager geräumt.

Zu Studierendenprotesten gegen den Krieg in Gaza kam es außerdem in Kanada, dem Vereinigten Königreich und Australien.

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Geschrieben von

Jessica Glenza, Lois Beckett | The Guardian

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