Die Meinungen beim Auftakt zum neuen Rostocker Polizeiruf vor gerade zwei Wochen gingen bekanntlich auseinander. Nun liegt bereits der zweite Fall von "Bukoff" (Charly Hübner) und Frau König (Anneke Kim Sarnau) vor, der – um einmal eine Prognose zu wagen – sicher einvernehmlicher aufgenommen werden wird als der erste: Uns jedenfalls hat er gefallen, die Skepsis an einem gelingenden Zusammenspiel der beiden Kommissare ist geringer geworden, vielleicht muss man sogar von einem Höhepunkt der Serie sprechen.
Aquarius heißt die Folge, allerdings nicht nach dem Smash-Hit von James Last, sondern aufgrund eines Vereins vormaliger Volksmarinetaucher die sich auch nach Ende der Volksmarine noch treffen. Leider hat mancher der Volksmarinetaucher Dreck am Stecken beziehungsweise Gold im See, so dass es zu einer Reihe von Morden in der Szene kommt. Tatsächlich gelingt in dieser Folge, was viele Sonntagskrimis versuchen: überzeugend Verwicklungen in die Vergangenheit zu verfolgen, von der der Zuschauer zum ersten Mal hört. Dass es gelingt, liegt daran dass Edward Berger (Regie; Buch gemeinsam mit Martin Rosefeldt) sich traut, gerade am Anfang nicht jeden Zusammenhang sofort erklären zu müssen: Der Unfalltod von Maik Lehmann (Christoph Gaugler), der auf einer mit importierten Westmine zu Ende geht, lässt zudem genügend Raum für Erklärungen – und verschafft dem Zuschauer einen Vorsprung gegenüber den Kommissaren.
Referenz an Jugendträume
Auch die Vorgänge im wohlständigen Hause Kowski verstehen sich nicht sofort von selbst, vermitteln aber später den Eindruck, die Menschen tatsächlich ein wenig zu kennen, deren Verbindungen aus der Vergangenheit nun wieder zum Tragen kommen. Dazu erzeugt allein das Reden von KoKo, IMES und Stasi einen Resonanzraum wohligen Grusels, ohne dass das entworfene Szenario zur Kolportage verkommen würde. Die Lebenswege der ehemaligen Elitearmisten zwischen Scheitern und wirtschaftlichem Erfolg in der Diaspora sind in ihrer Unaufgeregtheit vermutlich so treffend beschrieben wie selten im deutschen Fernsehfilm. Und das sagenhafte Stasi-Gold auf dem Grunde des Sees ist eine schöne Reverenz an die abenteuerlichen Träume kleiner Jungen.
Aquarius überzeugt vor allem aber ob seines einheitlichen Stils: Anders als Eoin Moore in der Auftaktfolge setzt Berger auf einen schön anzuschauenden Subjektivismus, der Sinn für Details hat (die Hausschuhe von Ulli Kowksi, das Ans-Handy-Gehen von Oberkommissar Röder während der "Bukoff"-Schelte) und auf Musik nahezu verzichtet. Die Nähe zu den Figuren, die die Kamera behauptet, löst das Drehbuch ein: Hier werden nicht nur Fall relevante Informationen diskutiert, man kann auch mal zwei Frauen beim Kaffeetrinken sehen, die über die Beischlafpraxis in höherem Alter diskutieren. Die beiden Kommissare gewinnen unter Bergers strengem Kunstwillen an Kontur: Katrin König wirkt vielschichtiger und "Bukoff" nicht so psychopathisch. Selbst die Traumszene, gemeinhin das Waterloo der Fernsehfilms, wirkt hier überzeugend.
Bemerkenswert bleibt auch, dass die zweite Folge die Idee der Serialität ernst nimmt: "Bukoffs" Berliner Problem (dessentwegen König ihn ja eigentlich observiert) nimmt Konturen an, der Hausmeister aus der ersten Geschichte entwickelt ein Eigenleben, als Cliffhanger fungiert die Observation Königs – so soll es sein.
Nur an den mühsamen Kollegen Pöschel (Andreas Guenther) haben wir uns noch nicht gewöhnt.
DAS HÖRT MAN NICHT SO GERN: "Lass das oder leg dich ins Wohnzimmer."
WAS WIR IM BÜRO UNS AUCH MANCHMAL FRAGEN: "Sind wir jetzt im Intellektuellenquiz?"