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Kultur : Mittendrin ist nur daheim

Alle reden vom Ton und keiner über das hochauflösende Bild: Die WM vor dem heimischen Fernseher mit HD-Standard. Oder vor lichtschwachen Beamern beim Public Viewing

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Das haben sich die öffentlich-rechtlichen Sender anders vorgestellt: Da bieten sie der fußballbegeisterten Bevölkerung die WM erstmalig im HD-Bild an – und alle reden nur über die Tonspur. Die daran anschließende tontechnische Debatte über Lippenmikrofone für zugedröhnte Reporter und Anti-Vuvuzela-Filter macht aber immerhin deutlich, dass auch die Tonspur einer Fußballübertragung ein ästhetisches Konstrukt ist, bei dem es darum geht, eine Balance zwischen Stadionatmosphäre und Sprachverständlichkeit des Kommentars herzustellen. O-Ton oder Voice Over? Man fühlt sich an tonideologische Debatten im Dokumentarfilm erinnert.

Wer regelmäßig Premier-League-Spiele mit dem englischen Originalkommentar verfolgt, weiß, dass es auch auf der Tonebene länderspezifische Standards gibt. Während die Deutschen den Stadionsound meist auf ein Minimum herunterregeln, um der sonoren Autorität des Kommentators eine akustisch leergefegte Bühne zu bereiten, muss sich der englische Kollege in ein Getümmel aus Fangesängen stürzen.

Überhaupt empfiehlt sich gerade bei einer WM gelegentlich die nicht-deutsche Tonspur, die die Öffentlich-Rechtlichen trotz ihres subventionierten Bildungsauftrags nicht anbieten. Wer einen Pakt mit dem Teufel eingeht (vulgo: ein Sky-Abonnement abgeschlossen hat), besitzt die Option, auf dem zweiten Kanal einen verzweifelten Franzosen („Attention les Francais!“) oder kon­sternierten Engländer („Here we go again“) zu hören und dabei etwa zu lernen, dass ein Strafraumspieler im britischen Verständnis anerkennend als „fox in the box“ gilt.

Raum für den Hobbytrainer

Großturniere werden genutzt, um neue televisuelle und gerätetechnische Standards zu popularisieren. Im aktuellen Fall handelt es sich um das hochaufgelöste Fernsehen als Immersionserfahrung. Ein Dabeisein neuer Form wird hier in Aussicht gestellt. Superscharfe Superzeitlupen zeigen entstellte Fußballergesichter kurz vor dem Kopfball: Martialische Gladiatorenbilder (Nemanja Vidic!) wie von Ridley Scott aufgebauscht. Wer will, kann jetzt endlich Grashalme zählen. Als dermatologisches Infobild (unvorteilhaft nicht nur für großporige Haut, sondern auch für schütteres Haar) hat HD eindeutig das Problem des „zu scharf“; in anderer Hinsicht ist der Gewinn an Detailsichtbarkeit und Präsenz aber durchaus der versprochene Paradigmenwechsel.

High Definition markiert eine weitere Stufe der Verwandlung des Fußballs in ein ästhetisches High-End-Produkt. Neben viel sinnfreier L’art pour l’art wird aber auch den Puristen und Hobbytrainern einiges geboten. Vor allem in der Totale ist in der hohen Auflösung deutlich mehr zu erkennen. Hier eröffnet sich ein neues Betätigungsfeld für den Taktikexperten zu Hause, der bevorzugt auf Bewegungen fernab des Ballgeschehens achtet und herausfinden möchte, wie im modernen Fußball Räume durch Laufen ohne Ball „vorbereitet werden“ (Joachim Löw).

Weil viele Public Viewings offenbar mit 2006 angeschafften lichtschwachen Beamer und via DVB-T-Antennenempfang durchgeführt werden, dürfte der neue visuelle Luxus an einem nicht unerheblichen Teil der Adressaten eher vorübergehen. Das kneipenöffentliche Bild ist häufig eine einzige Suppe oder von digitalen Artefakten perforiert. Dass da gerade ein Bild durchgesetzt werden soll, das selbst Event-Charakter beansprucht, stößt hier kaum auf Interesse. Das Dabeisein-Bild ist fürs Erste eine Sache für Daheimbleiber, die sich draußen keine Bildräume zustellen lassen möchten.


Simon Rothöhler ist Filmwissenschaftler an der FU Berlin und Mitherausgeber des Magazins Cargo Film/Medien/Kultur


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