Sonntag, 23. 25 Uhr, Spiegel TV (RTL): Unter Linken von Jan Fleischhauer. Das mediale Begleitfeuer im Vorfeld ist beträchtlich. Für die Bild-Zeitung ist es schlicht die lustigste Doku des Jahres, und Ulf Poschardt von der Welt am Sonntag wäre restlos glücklich, müsste er im Gespräch mit Fleischhauer nicht die für ihn frustrierende Frage stellen: "Warum gelingt es bürgerlichen Parteien nicht, die Linke so vorzuführen wie Ihr Film?"
Kein Satiriker
Ich habe kein Problem damit, wenn der als linksradikaler Redenschwinger bekannte Claus Peymann im Fernsehen als geldgieriger Staatsdiener vorgeführt wird. Ich habe auch nichts dagegen, wenn man den Streit um das Mahnmal der ermordeten Homosexuellen belächelt (wer darf wen küssen im Film, der
n der als linksradikaler Redenschwinger bekannte Claus Peymann im Fernsehen als geldgieriger Staatsdiener vorgeführt wird. Ich habe auch nichts dagegen, wenn man den Streit um das Mahnmal der ermordeten Homosexuellen belächelt (wer darf wen küssen im Film, der im Mahnmal gezeigt wird?), oder wenn Frank Bsirske als bornierter Gewerkschaftsboss dasteht und Christian Ströbele keine gute Figur abgibt, wenn er erklären soll, warum Kreuzberger Schülern die fettigen Fritten einer Imbissbude eher zuzumuten sind als ein Salat im ersten MacDonalds am Ort. Und ich habe nichts dagegen, wenn gezeigt wird, wie ein Autonomer zur Polizei rennt und petzt, nachdem er einem CDU-Mann Wasser über den Kopf geschüttet hat.Die Wirklichkeit hinkt den Idealen nun einmal hinterher, und es ist die vornehme Aufgabe des Satirikers, auf diesen Wesenszug hinzuweisen. Das Problem ist, dass Fleischhauer in seinem Film nur am Rande als Satiriker auftritt. Er ist auch nicht erkennbar ein Aufklärer. Das heißt, es liegt ihm, so hat man den starken Eindruck, nicht wirklich an einer Lösung des Dilemmas, in das er sein Gegenüber treibt. Man muss Fleischhauer einfach unterstellen, dass er weder wirklich an einem "dritten Geschlecht" (als Lösung für das Mahnmal), noch an einem fairen Finanzierungsmodell für die Theater und ihre Direktoren interessiert ist, geschweige denn an einer art- und menschengerechten Ernährung in Kreuzberg und dem Rest der Welt – jedenfalls nicht in seinem Film.Unter RenegatenNein, das Vorführen genügt sich hier ganz selbst. Darin vergleichbar den Auftritten eines Martin Sonneborn, dem Fleischhauer mindestens so ähnlich ist wie seinem erklärten Vorbild Michael Moore. Aber selbst das könnte man goutieren, wäre Fleischhauer ein Zyniker, und das heißt ein enttäuschter Moralist, der feststellt, dass die vermeintlichen Toleranten intolerant, die vermeintlich Machtkritischen machtgeil und die vermeintlich Solidarischen selbstsüchtig sind. Aber Fleischhauer ist auch kein Zyniker.Unter Linken ist das Werk eines Renegaten. Ein Renegat ist bekanntlich ein Mann, der sich aus einer Weltanschauung befreit hat. Die Publizität des Renegaten besteht einerseits aus der heroischen Erzählung dieser Befreiung, andererseits im beharrlichen Hinweis darauf, dass diese falsche und gefährliche Weltanschauung immer noch da ist, ja heimlich-unheimlich sogar stärker wirkt denn je (was seine Befreiung zu einem heroischen und nicht zu einem sinnlosen Akt macht, man vergleiche vor diesem Hintergrund die Abrechnungen mit den 68ern).Entsprechend ist der Film aufgebaut. Der erste Teil erzählt eine Kindheit ohne Comicheftchen und Zitrusfrüchte, aber mit einem fanatischen Rudi Dutschke und "Israelis, die gemein zu den Palästinensern sind" – der unsägliche Sendung-mit-der-Maus-Sound, der schon das hinterletzte Politmagazin verseucht hat, wenn es darum geht, Politik "ironisch" oder "witzig" aufzubereiten, durchzieht auch diesen Film. Der zweite Teil verfährt dann wie beschrieben mit dem Michael-Moore-Sonneborn-Klon Fleischhauer, aber der eine ist ohne den anderen nicht zu haben.Der Bestseller, auf dem der Film beruht, heißt im Untertitel "von einem, der aus Versehen konservativ wurde". Ist Fleischhauer also ein Konservativer? In einigen Gesten bestimmt: Konservativ heißt für ihn, gelassen zu bleiben. Der Hauptvorwurf an "die Linke" sind folgerichtig weder Inkonsequenz noch Hypokrisie, sondern fehlende Gelassenheit im Umgang mit dem Gegner.Dieser doch etwas überraschende Befund zeigt, wie sehr Fleischhauer von den Medien her denkt. Wer nicht gelassen wirkt, macht keine gute Figur (etwa der unwirsche Verdi Chef). Umgekehrt erstrahlt umso stärker, wer sich nicht provozieren lässt, auch wenn er mit seiner Erscheinung natürlich genau dies intendiert: Fleischhauer sieht so aus, wie man sich früher einen FAZ-Feuilletonisten vorgestellt hat. Also ein wenig schlaksig und streberhaft, mit akkuratem Haarschnitt, Anzug und Nickelbrille, hinter der die Augen dann allerdings so schalkhaft blitzen, dass eine hüftsteifere Karriere im Politikressort noch umgebogen werden konnte.Unter JournalistenNun denn, Fleischhauer ist Redakteur beim Spiegel geworden. Die Frage, was er ist, muss also unbedingt so beantwortet werden: Er ist ein Journalist. Oder wie Jürgen Kaube gestern in der FAZ präzisierte (leider nicht online): Er verkörpert eine bestimme Berufseinstellung von Journalisten.Das relativiert alles, was hier bisher gesagt wurde. Er ist Satiriker, Zyniker, Konservativer und vor allem Renegat eben nur insofern, als seine "Befreiung" eine "witzig" zu lesende Abrechnung ist, die es locker in die Bestsellerliste geschafft hat. Und deren Verfilmung nun ein mediales Begleitfeuer erzeugt, das sich weniger aus der Sache, als mehr durch gute Beziehungsarbeit ergibt (Auch an mich erging von meinem hochverehrten Chef der Vorschlag zu berichten, allerdings nicht verbunden mit dem Wunsch, dies positiv zu tun.)Die Backstory zu Fleischhauers halbstündigem Filmchen heißt also schlicht und langweilig: Unter Journalisten. Und natürlich unterscheidet man sich auch da von der dämlichen Linken. Anders als im Fall der 500 Euro, die Peymann für jedes Interview und also auch das mit Fleischhauer nimmt – und auch noch so blöd ist, darüber frank und frei zu sprechen –, ist anzunehmen, dass weder die Lobhudelei in der Bild-Zeitung noch die Welt-Gratiswerbung einer der beiden Seiten einen Cent gekostet hat. Eine Win-win-Situation, wie man sie unter Linken selten antrifft. Man sieht sich bei der Verfilmung des Sarrazin-Werks.