Bascha Mikas Die Feigheit der Frauen ist kein Sachbuch. Es ist eine „Streitschrift“, und die Frauen darin sind auch ganz unstrittig feige. „Nehmen wir Anja“, „nehmen wir Nicole“ oder „nehmen wir Karolina“ – die anonymisierten Beispiele folgen einem fatalen Lebensweg, und der geht so: Mikas Frauen wachsen in ein eigenständiges Leben hinein. Sie sind gebildet, finanziell unabhängig, sozial integriert und haben ehrgeizige Pläne. Und dann? Kommt der Mann. Meist der ersehnte Partner, oft bloß der Chef, bisweilen nur ein WG-Kumpel. Doch sobald er auf den Plan tritt, vergisst frau jede Eigenständigkeit. Sie putzt, kocht, bemuttert und folgt von Mann an nur noch dessen Bedürfnissen. Sie zieht sich in die
#252;rfnissen. Sie zieht sich in die bequeme Passivität zurück, anstatt die Konfrontation zu suchen und sich privat oder beruflich durchzusetzen – was sie ja eigentlich könnte!Schuld daran ist das tradierte Rollenbild, das Frauen über einen beliebigen sozialen Kontext eingeflößt bekommen: Eltern, Kita, egal. Es ist jedenfalls da und drin. Lösungen bietet Mika nicht an, die Sicht der Männer lässt sie aus. In der taz hat sie gesagt, das Buch wende sich eben nur an Frauen. Die durchweg weiblichen Rezensentinnen kritisieren, Mika übernehme dabei gerade die Argumente der Männer (Cathrin Kahlweit, SZ), bevormunde die Frauen (Antonia Baum, FAS). Das Buch sei ein Potpourri plattester Frauenklischees – und darüber solle gestritten werden? (fragt Johanna Adorjan, FAZ) Kathrin ZinkantSie zickt!Vor einigen Jahren, noch als taz-Chefredakteurin, hat Bascha Mika auf einer Podiumsdiskussion gesagt, Männer seien Rudeltiere. Sobald das Alphamännchen feststehe, liefen sie ruhig in Leine und funktionierten gut – auch wenn das Alphatier eine Frau sei. Deshalb arbeite sie so gerne mit Männern. Frauen dagegen seien individualistisch, permanent untergründig kritisch, nörgelig und akzeptierten Hierarchien viel schlechter, was für die Arbeit in Organisationen unproduktiv sei.An diesen Kriterien gemessen muss man nun sagen: Bascha Mika verhält sich wie eine echte Frau. Sie zickt. Vornehmlich zickt sie gegen ihr eigenes Geschlecht, und das Muster ist nicht neu. Man kennt diesen irgendwie misogynen Feminismus, er fing vor Simone de Beauvoir an und hörte bei Alice Schwarzer nicht auf.Es gibt eben verschiedene Wege, Feministin zu sein. Frau kann sich entweder größtenteils mit ihrem Geschlecht identifizieren und die Macht der großen Mutter oder gleich die Amazonenherrschaft propagieren. Oder die Sache mit der Identifikation läuft ambivalent ab, und dann haut frau den Frauen gerne die angeblich weiblichen Geschlechtsmerkmale als unerträglich und selbstverschuldet um die Ohren.Man kann das verstehen, denn zum Feminismus gehört eine gewisse Unzufriedenheit mit der weiblichen Rolle und den damit verbundenen Klischees. Ermüdend und nicht mehr zeitgemäß aber ist das Ressentiment, das die Argumentation Bascha Mikas trägt. Wenn sie den vermausten Müttern den Latte-Macchiato-Hahn abdrehen will, kämpft sie vornehmlich gegen die Windmühlen ihrer eigenen Imagination. Das Problem ist nicht, dass Mika hart mit ihren Geschlechtsgenossinnen ins Gericht geht, das Problem ist die darunter liegende Bewertung, die letztlich eben doch das Weibliche für minderwertiger hält. Man muss das Mika nicht nur persönlich anrechnen, in jedem Ressentiment steckt ein gutes Stück gesellschaftlich vermittelten Selbsthasses. Daran arbeitet sie sich ab. Im Jahr 2011 müsste das auf differenziertere Weise passieren.Ein zweites Problem ist die Eindeutigkeit, mit der Mika weiß, wie Frauen sind und was sie typischerweise tun. Ich fand ihr Beispiel mit den männlichen Wölfen im Rudel und den weiblichen Zicken damals dumm und beeindruckend zugleich. Jedenfalls habe ich mich oft daran erinnert. Es ist wie mit Horoskopen: Irgendetwas daran stimmt immer. Andrea Roedig Nur Erfolg ist GerechtigkeitGertrud Höhler, Alphamännchen der Frauenbewegung, Ex-Kohl-Beraterin, Autorin zahlreicher Bücher und Prototyp jener Karrieristinnen, die sich in der Männerwelt nach oben durchgebissen haben, kann noch so oft sagen, dass Frauen dasselbe erreichen können wie Männer – sie hat die Herzen vieler Geschlechtsgenossinnen nie erwärmen können. Höhler repräsentiert die Business-Feministinnen, jene, die sich in die maskuline Welt von Wettbewerb und Erfolgsdenken einfügt haben und das auch von anderen Frauen fordern.Nun saß Frau Höhler neulich bei Beckmann. Es geht um Bascha Mikas Buch, die Autorin ist dabei wie auch die Gattin des Ex-Kanzlers, Doris Schröder-Köpf. Drei erfolgreiche Frauen, aber drei verschiedene Lebensläufe und mutmaßlich auch feministische Haltungen von konservativ-rechts bis links. Sie sollen diskutieren. Und was passiert? Getrud Höhler ruft: „Die Frau weiß nicht, dass sie Männer dazu ermutigen muss, sie zu fördern!“ – und Bascha Mika strahlt. Höhler sagt, Frauen müssten endlich akzeptieren, dass Männer nicht so über Frauen nachdächten. Und Mika nickt. Höhler spricht, dass Frauen zuviel träumten – sie müssten aufhören damit! Und Mikas Augen leuchten.Frau Schröder-Köpf, gesteht, dass sie ihres Mannes wegen zurückgesteckt hat, kann aber mit einem Sitz im Aufsichtsrat von Karstadt punkten. Das überzeugt auch Bascha Mika, die sich so sehr um Härte bemüht, dass Gertrud Höhler an diesem Abend fast mütterlich wirkt. Letztlich aber sind sich die drei erschreckend einig. Frauen haben bestanden, wenn sie keine Kompromisse machen. Beruflich nicht und der Karriere wegen auch bitte nicht privat.Dass so eine Kompromisslosigkeit aber der größte Kompromiss sein könnte, dass diese verkrampfte Kampfeslust und Fokussierung auf berufliche Positionen ein Relikt vergangener Tage ist und dass Männer längst nicht mehr die dumpfen Machtfiguren sein müssen, denen man es als gute Feministin nachzutun hat – kein Gedanke. Und genau so tritt frau trefflich weiter auf der Stelle.Kathrin ZinkantAusweitung der Talkshow-ZoneDas Problem der Feminismus-Debatte ist der Versuch der Medien, sie Talkshow-kompatibel zu machen. Es sind die immer gleichen Reflexe: Man lanciert etwas Dramatisches („Bascha Mika schäumt“), reibt sich an Schwarzer, vermengt es mit Bildungsfeminismus (Iris Radisch), würzt mit einer Prise Konservatismus (Höhler, Köhler, Tigermütter), fügt einen Schuss Provokation hinzu (Charlotte Roche) und rundet ab mit ein paar Allgemeinplätzen (Doris Schröder-Köpf). Das ganze mündet meist in einen überschaubaren Krawall und ist so überraschend wie Bayern Münchens Problem auf der linken Abwehrseite. Aber bringt es uns weiter? Es hilft auch nicht, einen „neuen“ Feminismus auszurufen. Denn feministische Debatten sind so wenig unter einem Dach vereinbar wie Debatten über Demokratie oder Menschenrechte.Überhaupt gibt es „den Feminismus“ nicht, auch wenn das nicht in die öffentliche Erregungslogik und Hegemonialkämpfe einzelner Protagonistinnen passt. Was es aber gibt, ist ein weites Feld verschiedener Debatten, Theorien und Kämpfe. Die Medien müssten nur mal ihre Definitionen, wer oder was interessant, aktuell und wichtig ist überdenken, anstatt die ewig selben zu befragen. Es braucht Talkshows, die sich und ihren Zuschauern vielfältige Diskurse zutrauen. Genügend Stoff gibt es. Genügend Stimmen, die etwas zu sagen haben auch – Gabriele Dietze, Christina von Braun, Sonja Eismann, Anke Engel, Susanne Schultz um einige zu nennen. Man muss sie bloß fragen, eine Ausweitung der Talkshowtauglichkeitsgrenze wagen. Und sich die Mühe machen mitzudenken.Mikael KrogerusDie Quote, ein StützstrumpfIn Hamburg, lese ich, hat bei der Wahl gerade eine Frau Suding reüssiert. Das ist ziemlich erstaunlich, denn ihre Partei liegt eigentlich am Boden. Noch erstaunlicher ist, dass sie es nicht kraft Überzeugung geschafft haben soll, sondern durch ihr Lächeln, ihren weiblichen Charme. Mir scheint, wir sind wieder da angelangt, wo wir einmal begonnen haben: Frauen als Ausstellungsstück.Die FDP findet Quote bekanntlich Mist – und ist doch die Partei, in deren Reihen sich viele Frauen finden. In Berlin hatten Feministinnen den ganzen Laden sogar mal übernommen, und es ist sicher kein Zufall, dass Bascha Mika ihr Buch als erstes vor diesen FDP-Frauen vorgestellt hat.„Die Quote ist das Instrument, das die Welt verändert“, sagte die Grünen-Politikerin Ekin Deligöz am vergangenen Montag im Freitag-Salon. Die Journalistin Iris Radisch hält dagegen, dass Frauenförderpläne die neue Form des männlichen Balzverhaltens darstellten: eine etwas weniger sexistische Hofierung der Jungschen. In diesen gegensätzlichen Statements bildet sich die Erfahrung zweier Frauengenerationen ab. Die eine, die hofft, dass sich die Realität ändert, sobald eine genderpolitische „kritische Masse“ erreicht ist; die andere, die bereits an die gläserne Decke gestoßen ist. Dabei ist noch gar nicht von denen die Rede, die überquotiert an der Aldi-Kasse sitzen oder aus den armen Ländern als Care-Dienstleisterinnen eingeflogen werden.Quoten waren einmal ein Hilfsmittel, um in demokratischen Gremien eine gewisse Parität herzustellen; nicht ohne Grund ging die Quoten-Debatte von den Parteien aus. Die Quoten waren der Stützstrumpf frustrierter Politikerinnen, die dachten, qua Masse den Machtzipfel zu fassen zu bekommen. In gewisser Hinsicht negierte die Quotenforderung aber die in der Frauenbewegung bereits durchlittene Erfahrung, dass Frauen eben nicht alle gleich sind und nicht die gleichen Interessen verfolgen.Ob quotierte Vorstände und Aufsichtsräte nachhaltigere, sozialere Entscheidungen treffen würden unterm Diktat der Gewinnmaximierung, ist jedenfalls noch nicht bewiesen. Und auch eine Ministerin mit sieben Kindern hat den familienfeindlichen Sitzungsalltag nicht verändert. Was also die Quote betrifft: Bleiben wir auf dem Boden. Sie wird die Welt nicht verändern.Ulrike BaureithelDas Schweigen der MännerMänner nehmen an der Debatte nicht teil. Am Rande dazu zählen könnte man höchstens Gustav Seibts familiophoben Beitrag über den „Kinderfaschismus“ in Berlin-Prenzlauer Berg (vgl. SZ vom 12.2.). Michael Angele