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Charmante Erinnerungen an die Jahre 1977ff: Der Sammelband "Punk Stories" ist ein grandioses Kompendium einer heute missverstandenen Subkultur

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In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Buchveröffentlichungen über das hierzulande etwa drei Jahrzehnte währende Subkulturphänomen Punk: angefangen beim autobiografischen Roman von Rocko Schamoni über dicke Monografien bis hin zu mehr oder weniger mondänen Bildbänden über legendäre Szenelokalitäten in Hamburg oder Düsseldorf.

Mehr als 50 kurze, sehr persönliche Texte sind jetzt in einem Sammelband mit dem Titel Punk Stories erschienen. Was im ersten Moment wie noch ein Buch mehr zum schon ausreichend durchgekauten Thema aussieht, entpuppt sich bei der Lektüre stellenweise als grandioses Kompendium einer heute missverstandenen Subkultur. Berühmte Autoren wie Michael Wildenhain oder Steffen Kopetzky sind ebenso dabei wie viele unbekannte, aber durch die Bank interessante Stimmen. Die Jahrgänge reichen von den späten Fünfzigern bis in die achtziger Jahre.

Zahni wird mit Bier getauft

Im Punk zählt die Pose, das ultimative „Nein“. Punk ist die Jugendbewegung, die am radikalsten bürgerliche Werte widerlegt. Heißt es. Nur erzählt der Sammelband Punk Stories davon eigentlich herzlich wenig. Hier geht es nämlich darum, wie sich die Subkultur in die Biografien einzelner Akteure eingeschlichen und eingeschrieben hat. Und das hat immer etwas mit dem jugendlichen Aufbruch zu neuen Ufern zu tun. Da geht es um Partys, auf denen ein Ich-Erzähler mit seinem besten Freund Zahni einen Medizinstudenten mit Bier tauft und Mike Oldfields Shadow on the Wall aus der Musikanlage reißt, um die eigene Hardcore-Punk-Kassette einzulegen.

Zwei Provinz-Punks machen sich auf nach Berlin, müssen aber feststellen, dass in der coolen Wagenburg, in der sie wohnen wollen, ein Putzplan aushängt und sie sich einer Art Bewerbungsgespräch unterziehen müssen. Zwei junge, angepunkte Kerle beschließen, sich aus einer morbiden Grundstimmung heraus umzubringen, aber nicht ohne vorher noch bei der angebeteten Kleinstadtschönheit mit dem klangvollen Namen Anja Valeria Fels vorbeizuschauen. Nach dieser Überdosis Romantik bringen sie sich natürlich nicht um. So drastisch sind die Protestposen hier gar nicht und es fehlt ihnen nie an Charme und Ironie. Meist geht es auch einfach ganz banal darum, jugendliche Wünsche und Träume zu formulieren. Und Punks neigen dazu, das, was sie formulieren, recht direkt in Szene zu setzen.

Viele dieser pointierten Texte drehen sich um die eigene Verortung im musikalischen Punk-Universum. Dabei kann man durchaus fragen, was Joy Division oder Cure eigentlich mit Punk zu tun haben. Aber puristisch darf man dieses Thema nicht angehen. Die meisten von Punk infizierten Jugendlichen der legendären achtziger Jahre waren weit davon entfernt, dem „perfekten“ Punk-Image zu entsprechen.

Egal ob Niederbayern oder am Stadtrand von Bochum

Was dieser Sammelband außerdem klar macht: Punk ist vor allem auch ein Phänomen der Provinz, egal ob in Niederbayern, in einem österreichischen Bergdorf oder am Stadtrand von Bochum. Der Mythos Berlin wirkt meist aus der Ferne, manchmal ist es auch Hamburg oder sogar London. „Die Überwindung der Provinz in der Provinz“ wird das sehnsüchtige Aufbegehren in einem Text genannt. Dabei ist der Sound jeweils recht unterschiedlich. Manche Storys sind wie schnelle, harte Punknummern, etwa eine Erzählung von einer Hamburger Demo 1988, die von der Polizei platt gemacht wird.

Dann ist der Tonfall wieder wie in einem Fun-Punk-Song, wenn hingebungsvoll eine Party zerlegt wird, oder auch düster auf nächtlichen Autofahrten durch irgendein provinzielles Nirgendwo. Oder es wird heftig, wenn ein Ich-Erzähler als Hippie gescholten während eines Black-Flag-Konzerts eins auf die Nase bekommt. Nicht alle Geschichten in diesem „Sampler“ sind gut. Aber auch auf einer guten Punkscheibe sind nicht alle Lieder hörbar. „Stücke, die länger als 2,5 Minuten dauerten, waren gelogen“, heißt es in einer Erzählung. Die Punk Stories sind allesamt kurz genug, um die Geschichte der Punk-Bewegung adäquat auf den Punkt und vor allem auch zum Klingen zu bringen.

Punk Stories Thomas KraftAlexander Müller und Arne Rautenberg (Hg.) Langen-Müller-Verlag 2010, 317 S., 14,90

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