Der Wettkampf um "Exzellenz" und "Elite" an deutschen Universitäten ist politisch gewollt. Was er alles anrichtet, zeigt eine Publikation des Soziologen Richard Münch
Wettbewerb motiviert und ermöglicht besondere Leistungen. Denn er beruht auf Vergleichen, in denen Qualitäten unter Beweis gestellt und nach festgelegten Regeln geprüft werden. Wettbewerb erzeugt aber auch Ungleichheit: Nur wenn jemand verliert, kann ein anderer gewinnen.
Das Prinzip des Wettstreits gilt auch in der Wissenschaft: Spätestens seit der Frühen Neuzeit müssen sich neue Ideen gegen überkommene Lehren durchsetzen und im Kampf der Argumente behaupten. Ausgetragen und entschieden wurde dieser Wettbewerb bislang von einer Gemeinschaft, deren Angehörige durch gemeinsame Einstellungen verbunden sind. Zu diesen normativen Überzeugungen gehören Prinzipien wie „Universalismus“ (Wahrheitsansprüche werden vorab formulierten,
mulierten, intersubjektiven Kriterien unterworfen) und „Kommunismus“ (Wissensansprüche sind öffentliches Eigentum), „Uneigennützigkeit“ und „organisierter Skeptizismus“.SteuerungsinstrumenteSeit nun fast fünf Jahren hält ein anderer Wettkampf die deutschen Universitäten in Atem. Die politisch gewollte und durch finanzielle Anreize induzierte Konkurrenz um „Exzellenz“ und „Elite“ hat allerdings nur noch wenig mit argumentativen Auseinandersetzungen um innovative Thesen zu tun. Wie der namhafte Bamberger Soziologe Richard Münch in seiner jüngsten Publikation nachweist, zeigt dieser Wettbewerb etwas anderes: Er demonstriert die endgültige Kapitalisierung auch jener gesellschaftlichen Bereiche, die eigentlich dem Imperativ der zeit- und aufmerksamkeitsintensiven Wahrheitssuche folgen und nun aber nach dem Maßstab kurzfristiger Nutzenerwartung bewirtschaftet werden. Universitäten mutieren zu Unternehmen des akademischen Kapitalismus, wenn „Ranking“ und „Benchmarking“, „Monitoring“ und „Qualitätsmanagement“ zu politisch genutzten Steuerungsinstrumenten werden und letztlich ökonomisch über Wissenschaft entschieden wird.Kern dieses Prozesses sind folgenschwere Umstellungen, die wissenschaftliche Leistungen in marktgängige Produkte unternehmerischer Universitäten verwandeln. Dabei wird die wissenschaftliche Gemeinschaft entmachtet und ihr (eigentlich ohne Sieger und Besiegte ablaufender) Wettstreit um Wissen und Methoden durch einen Kampf um materielles und symbolisches Kapital ersetzt. Die besondere Pointe dieses akademischen Kapitalismus besteht nach Münch nun darin, dass der medial vervielfältigte „Exzellenz“-Wettbewerb nur virtuell ist: Während im Marktwettbewerb – zumindest der Theorie nach – eine Vielzahl von Anbietern mit einer Vielzahl von Produkten um eine Vielzahl von Nachfragern mit einer Vielzahl von Bedürfnissen konkurrieren, und unterschiedliche Angebote durch einen Preismechanismus verglichen werden können, läuft der von neoliberalen Reformideen getragene Wettstreit um den Status als „Elite“ ohne Markt und entsprechende Preismechanismen ab. Statt mehrerer Anbieter und vieler Nachfrager gibt es hier verschiedene Universitäten und einen Nachfrager in zentraler Position: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit der staatlich alimentierten Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG; informiert durch Rating-Agenturen, die über Ranking-Verfahren genau jene Positionen ermitteln, nach denen dann wieder Gelder verteilt werden. Dabei entsteht eine „Marktillusion“: Obwohl Beobachter und beteiligte Akteure glauben, ihre Konkurrenz führe zu einer Leistungssteigerung und zu einer ähnlich optimalen Allokation von Angebot und Nachfrage wie beim Marktwettbewerb, streben sie doch primär nach Erfüllung jener Standards, die der zentral positionierte Nachfrager in Kennziffern ausdrückt. Mit anderen Worten: Die Vielfalt wissenschaftlicher Kreativität und didaktischer Vermittlung wird auf quantifizierbare Parameter eingeschränkt. Und diese vermeintlich messbaren Leistungsdefinitionen konditionieren ein Verhalten, das auf die Einhaltung feststehender Kennziffern ausgerichtet ist – und nicht auf eine Innovationen ermöglichende Bereitschaft zu unterschiedlichen Versuchen, von denen nur wenige zum Erfolg führen können.Freistätten des GeistesDen Akteur dieser Entwicklung benennt Münch deutlich. Es ist eine in Legislaturperioden und Wählerstimmen denkende Politik, die einem wirtschaftlichen Planungsfuror folgt und von ebenso kurzsichtigen wie kurzfristig interessierten Medien begleitet bzw. angetrieben wird. Die Konsequenzen sind fatal: In gewinnträchtige Forschung und Trend-Themen wird massiv investiert; risikoreiche Explorationen außerhalb großer Verbände oder erfolgreicher Elite-Universitäten bleiben unterfinanziert. Noch schwerer wiegen die Verluste für eine Gesellschaft, die nun auch die Universitäten als Freistätten des Geistes aufgibt und externen Kontrollen – ob von Unternehmensberatungen, Drittmittelspendern oder staatlichen Investoren – den Vorrang vor internen Zielen von Forschung und Lehre einräumt. Diesen in der jüngsten Vergangenheit bzw. gegenwärtig ablaufenden Prozessen scharfe Konturen zu geben, ist die Leistung von Münchs Publikation. Auf der Grundlage statistischer Daten beschreibt und deutet sie Umbauten, an denen wir Universitätsangehörige in mehrfacher Weise beteiligt sind: als Hochschullehrer, deren Forschungstätigkeit durch Kennziffern wie Drittmittelaufkommen oder Publikationsindizes evaluiert wird und die deshalb zunehmend weniger Zeit für ihre Studierenden haben. Als Medienbürger, die erleben müssen, wie Universitäten nach Merkmalen wie Exklusivität und Sichtbarkeit beurteilt werden. Und schließlich als Staatsbürger, für deren Risiken kein Bankenfonds eingerichtet oder Rettungsschirm aufgespannt wird. Als Intervention gegen das akademische Monopoly von heute sowie als Beitrag für eine Wissenschaftsgeschichte des 21. Jahrhunderts bleibt dieser Band zu empfehlen.