Während des Zweiten Weltkrieges versuchte die Churchill-Bande, sich mitten unter der Londoner Bevölkerung zu verstecken, und missbrauchte Millionen von Bürgern als menschliche Schutzschilde. Die Deutschen waren so gezwungen, ihre Luftwaffe zu schicken und die Stadt in Schutt und Asche zu legen. Eine solche Beschreibung würde jetzt in den Geschichtsbüchern stehen, hätten die Deutschen den Krieg gewonnen. Absurd? Nicht absurder als die täglichen Nachrichten unserer Medien, die so oft wiederholt werden, dass einem speiübel wird: die Hamas-Terroristen halten die Bewohner des Gazastreifens als "Geiseln" und benutzen Frauen und Kinder als "menschliche Schutzschilde".
In diesem wie in allen modernen Kriegen spielt die Propaganda eine große Rolle. Das r
lle. Das reale Kräfteverhältnis zwischen der israelischen Armee mit ihren Kampfflugzeugen, Drohnen, Kriegsschiffen, Panzern, ihrer Artillerie einerseits und den paar tausend leicht bewaffneten Hamas-Kämpfern andererseits liegt bei 1000 : 1. Auf der politischen Ebene ist der Unterschied vielleicht noch größer - im Propagandakrieg ist er grenzenlos.Fast alle westlichen Medien wiederholten anfangs die offizielle israelische Lesart des Geschehens. Sie ignorierten die palästinensische Seite der Geschichte fast völlig, ebenso wie die täglichen Demonstrationen des israelischen Friedenslagers. Die Gründe der Regierung Olmert ("Der Staat muss seine Bürger gegen die Kassam-Raketen schützen") wurde als reine Wahrheit kolportiert. Der Blickwinkel von der anderen Seite, wonach die Kassams nur eine Antwort auf die Belagerung seien, die anderthalb Millionen Menschen im Gazastreifen an die Grenze des Verhungerns bringt, wurde nicht einmal erwähnt. Erst als die schrecklichen Szenen aus dem Gazastreifen auf den westlichen Bildschirmen erschienen, begann sich die öffentliche Meinung der Welt langsam zu ändern. Westeuropäische Fernsehkanäle zeigten zwar nach wie vor nur einen winzigen Teil des entsetzlichen Geschehens, das jeden Tag 24 Stunden lang auf dem arabischen Al-Djasira-Kanal zu sehen war, aber das Bild eines toten Babys in den Armen seines in Angst und Schrecken versetzten Vaters wirkte mächtiger als tausend elegant formulierte Sätze des israelischen Armeesprechers. Und das ist letztlich entscheidend.Der Krieg - jeder Krieg - ist ein Konstrukt aus Lügen. Ob dies nun Propaganda oder psychologische Kriegführung genannt wird, jeder akzeptiert, dass es richtig ist, für sein Land zu lügen. Jeder, der die Wahrheit sagt, riskiert, als Verräter gebrandmarkt zu werden. Dabei überzeugt die Propaganda zuerst und vor allem den Propagandisten selbst. Und nachdem man sich selbst davon überzeugt hat, dass die Lüge die Wahrheit und die Verfälschung die Realität ist, kann man keine vernünftigen Entscheidungen mehr treffen. Ein Beispiel dafür lieferte die bisher erschreckendste Gräueltat dieses Krieges: das Beschießen der UN-Fakhura-Schule im Flüchtlingslager Jabaliya am 6. Januar.Kurz nachdem dieser Vorfall weltweit bekannt wurde, "enthüllte" die Armee, Hamas-Kämpfer hätten Mörser-Granaten von einem Vorplatz der Schule abgeschossen. Als Beweis veröffentlichte man eine Luftaufnahme, auf der tatsächlich die Schule und der Mörser zu sehen waren, dann jedoch musste der offizielle Armeelügner zugeben, das Foto sei älter als ein Jahr. Also eine Fälschung. Später wurde behauptet, dass "unsere Soldaten aus dem Inneren der Schule" beschossen worden seien. Keinen Tag später musste die Armee dem UN-Personal gegenüber einräumen, auch dies sei eine Lüge. Keiner hatte aus der Schule geschossen, kein Hamas-Kämpfer war in der Schule, in der Dutzende verängstigter Flüchtlinge saßen. Aber das Eingeständnis wurde kaum mehr wahrgenommen, die israelische Öffentlichkeit war längst davon überzeugt, dass "aus der Schule geschossen wurde".Gleiches geschah bei anderen Gräueltaten. Jedes Baby wurde im Augenblick seines Todes zu einem Hamas-Terroristen, jede zerbombte Moschee zur Hamas-Basis, jedes Wohnhaus zum Waffenlager, jede Schule zum Terrorposten, jedes zivile Regierungsgebäude zum "Herrschaftssymbol der Hamas". Auf diese Weise blieben die israelische Streitkräfte die "moralischste Armee der Welt". Und Hamas sollte aussehen wie ein Eindringling, der fremdes Land kontrolliert. Die israelischen Kriegsplaner taten alles, die Todesrate unter den eigenen Soldaten so gering wie möglich zu halten, da sie wussten, die Stimmung der Pro-Krieg-Öffentlichkeit würde sich ändern, sollte es Berichte über hohe eigene Verluste geben. So war es beim ersten (1982) und zweiten Libanonkrieg (2006). Ehud Barak, der in den ersten Tagen der Kampfhandlungen in den Umfragen hinzugewonnen hatte, wusste, seine Werte würden fallen, sobald die Bilder toter Soldaten die Fernsehschirme füllen. Deshalb galt die Doktrin: Um Verluste unter unseren Soldaten zu vermeiden, soll alles, was ihnen im Weg steht, total zerstört werden. Man war also nicht nur bereit, 80 Palästinenser zu töten, um einen israelischen Soldaten zu retten - notfalls auch 800. So fiel die Entscheidung für eine besonders grausame Kriegführung.Eine Person ohne Phantasie wie Ehud Barak (sein Wahlslogan lautet: "Nicht ein netter Kerl, sondern ein Führer") kann sich nicht vorstellen, wie anständige Leute rund um den Globus auf Aktionen wie die Tötung ganzer Großfamilien, auf die Reihen von Jungen und Mädchen in Leichensäcken, auf Berichte über Leute, die tagelang zu Tode bluten, weil die Krankenwagen nicht zu ihnen durchgelassen werden, auf das Töten von Ärzten und Sanitätern, die auf dem Weg sind, Leben zu retten, reagieren. Die Fotos aus den Hospitälern mit den Toten, Sterbenden und Verletzten, die aus Platzmangel alle zusammen auf dem Fußboden liegen, haben die Welt erschüttert. Kein Argument hat die Kraft eines Bildes von einem verwundeten kleinen Mädchen, das dort auf dem Boden liegt, sich vor Schmerzen krümmt und "Mama! Mama!" schreit.Die Kriegsplaner dachten, sie könnten die Welt daran hindern, solche Bilder zu sehen, wenn sie die Medien gewaltsam daran hindern, zum Schauplatz der Kämpfe zu gelangen. Die israelischen Journalisten waren zu ihrer Schande bereit, die Berichte und Fotos zu bringen, die sie vom Armeesprecher erhielten, als ob dies authentische Nachrichten seien. Ausländische Korrespondenten wurden gar nicht erst zugelassen, bis sie protestierten und dann zu kurzen überwachten Trips mitgenommen wurden. Aber in einem modernen Krieg kann eine sterile und fabrizierte Sicht die anderen Perspektiven nicht ausschließen, denn der Sender Al Djasira brachte seine Bilder rund um die Uhr und erreichte jedes Haus.So wurde die Schlacht um den Fernsehschirm zu einer der entscheidenden Schlachten des Krieges. Hunderte Millionen Araber von Mauretanien bis zum Irak, mehr als eine Milliarde Muslime von Nigeria bis Indonesien sahen die Szenen von Al Djasira und waren geschockt. Sie sahen die Herrscher Ägyptens, Jordaniens und der Palästinensischen Autonomiebehörde als Kollaborateure Israels, das die Gräueltaten gegen die palästinensischen Brüder verübte.Leute, die dem "moralischem Irrsinn" verfallen sind, können die Motive normaler Menschen nicht verstehen und müssen ihre Reaktionen erraten. "Wie viele Divisionen hat der Papst?", spottete Stalin. "Wie viele Divisionen haben die Menschen mit Gewissen?" könnte Ehud Barak nun fragen. Wie sich herausstellt, haben sie einige. Nicht sehr viele, sie reagieren auch nicht sehr schnell. Sie sind auch nicht stark und gut organisiert. Aber in einem bestimmten Moment, wenn die Gräueltaten überhand nehmen und die Massen der protestierenden Demonstranten zusammenkommen, kann dies einen Krieg entscheiden. Selbst wenn es der israelischen Armee gelingt, jeden Hamas-Kämpfer bis zum letzten Mann zu töten, selbst dann wird die Hamas siegen. Die Hamas-Kämpfer werden für die arabische Nation ein Vorbild sein - als Helden des palästinensischen Volkes, denen jeder junge Mann in der arabischen Welt nacheifern sollte. Die Westbank könnte nach diesem Krieg wie eine reife Frucht in die Hände von Hamas fallen, während die Fatah in einem Meer der Verachtung untergeht. Der Krieg endet mit einer noch aufrecht stehenden, wenn auch blutenden, aber unbezwungenen Hamas. Und das angesichts einer so mächtigen Militärmaschine wie der israelischen, es wirkt wie ein phantastischer Sieg, wie ein Sieg des Geistes über das Material. Am Ende wird dieser Krieg auch ein Verbrechen gegen uns selbst gewesen sein, ein Verbrechen gegen den Staat Israel.Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs und Christoph Glanz