Vor zwei Jahren entwickelte die zierliche Bundesfamilienministerin wahre Herkuleskräfte, um ihr von der SPD übernommenes Lieblingsprojekt in der eigenen Unionsfraktion durchzuboxen: den massiven Ausbau der Krippenbetreuung. Ursula von der Leyen setzte eine Verdreifachung der Plätze auf insgesamt 750.000 bis 2013 durch. Ein Zwölf-Milliarden-Euro Projekt, das staunen machte. Doch seine Umsetzung gerät ins Stocken. Von den 2,15 Milliarden Euro, die 2008 zur Verfügung gestellt wurden, riefen die Ländern nur 63 Millionen ab, gerade Mal drei Prozent der Summe.
Neuere Berechnungen gehen zwar davon aus, dass wegen rückläufiger Geburtenzahlen nur etwa 600.000 Plätze für die Allerkleinsten benötigt werden. Doch wenn künftig wirklich jedes dritte Kind in einer Krippe betreut werden soll, müssten in den kommenden vier Jahren zwischen 50.000 und 75.000 zusätzliche Erzieherinnen und Erzieher eingestellt werden. Ein Ziel, das kaum zu bewältigen ist, denn es mangelt an Nachwuchs: Pro Jahr verlassen viel zu wenig ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher die Fachschulen. Sie allein können den Bedarf nicht decken, zumal im Osten eine Verrentungswelle bevorsteht und auch an Schulen immer mehr Erzieher benötigt werden. Seit 2007 hätten bereits drei Mal mehr neue Krippenplätze eingerichtet werden müssen als geschaffen wurden.
Individuelle Förderung bleibt ein Wunschtraum
igentlich sollte mit der Krippenoffensive auch eine Qualitätsoffensive einher gehen. Doch die scheint noch weniger zu funktionieren als der Ausbau der Kindertagesstätten. Der Erzieherberuf, zu 95 Prozent von Frauen ausgeübt, wird gering geschätzt. In kaum einem Aufgabenbereich wird die gesellschaftliche Leistung so wenig mit sozialer Anerkennung vergolten. Obwohl die Politik vor einigen Jahren die frühkindliche Bildung als zentrales Handlungsfeld entdeckt hat, ist die Situation vor Ort schwierig geblieben: Die Bezahlung ist miserabel (nach fünf Jahren Ausbildung starten Erzieher mit 1.500 Euro brutto – Lehrer verdienen das Doppelte bis Dreifache), die Betreuungsschlüssel (Anzahl der Kinder pro Erzieherin) machen individuelle Förderung zum Wunschtraum und die Anforderungen zum Beispiel an Integrationsleistungen sind erheblich gestiegen.
Im Bereich der Frühpädagogik müsste sich sehr viel mehr ändern als nur der Krippenausbau. Fachkundige fordern längst eine akademische Ausbildung für Erzieher und Weiterbildung für das bestehende Personal. Immerhin bieten mittlerweile etwa 30 Fachhochschulen ein Frühpädagogik-Studium an. Aber für diese Absolventen gibt es derzeit kaum angemessene Perspektiven, viele Studienabbrecher sind die Folge. Hilde von Balluseck, die 2004 den ersten Frühpädagogik-Studiengang an der Alice-Salomon-Fachhochschule Berlin gegründet hat, ist überzeugt, dass eine Professionalisierung nur stattfinden kann, wenn in Kindertagesstätten besser bezahlt wird.
Ob der Personalmangel so dramatisch wird, dass sich von der Leyen bald für die Beschäftigung Langzeitarbeitsloser in den Kindertagesstätten einsetzt, so wie dies kürzlich Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) für die Altenpflege propagierte? Manches weist jedenfalls auf Notlösungen hin, denn die Länder verharren weitgehend untätig. Sie müssten ein Großteil der Investitionen selbst aufbringen. Einzig der Leidensdruck der Kommunen zwingt offenbar zum Handeln. Die Stadt München, in der der Erziehermangel bereits jetzt spürbar ist, hat eine Kampagne gestartet, mit der Fachkräfte aus anderen Bundesländern abgeworben werden sollen. Sie lockt interessierte Erzieherinnen mit einem gesponserten Schnupperbesuch in die Landeshauptstadt. Ein paar Fachkräfte aus dem Osten hat München schon abgeworben.