Christopher Flowers galt als „Jedi-Meister der Finanzen“. Heute ist er ein prominenter Verlierer, dessen Geschäftsmodell vom Orkan der Geldmärkte weggefegt wurde
Billionen Dollar gingen durch die Finanzkrise bereits in Rauch auf. Opfer sind vor allem die Steuerzahler, die für die Exzesse der Finanzjongleure nun geradestehen müssen. Aber auch einige Brandstifter haben sich die Finger verbrannt. Einer von ihnen ist Christopher Flowers. Ihm zu Ehren musste der Bundestag sogar ein eigenes Enteignungsgesetz beschließen.
Der Mann ist eines der bekannteren Gesichter der Finanzkrise. Der studierte Mathematiker erinnert mit seiner hohen Stirn und den stets tragisch dreinblickenden großen Knopfaugen hinter dickem Brillenglas ein wenig an Woody Allen. Doch dieser friedliche Eindruck täuscht.
Flowers war vor kurzem noch einer dieser „Masters of the Universe“, wie Tom Wolfe die Finanzmagier der Wall Street in seinem Roman Fege
seinem Roman Fegefeuer der Eitelkeiten nannte. Mit 21 Jahren Investmentbanker bei Goldman Sachs, mit 28 Abteilungsleiter und mit 31 der jüngste Partner in der Geschichte des Investmenthauses. Mit 41 Jahren gründete er seinen eigenen Private-Equity-Fonds „JC Flowers“ und machte schnell seine erste Milliarde, was ihm einen Platz auf der Forbes-Liste einbrachte. Flowers kauft sich in marode Banken ein, um diese zu sanieren und mit gigantischem Gewinn wieder zu veräußern – eine halsbrecherische Profession. Nun droht ihm die Finanzkrise das Genick zu brechen.Ein Spieler steht im „Schach“Christopher Flowers ist eine „Heuschrecke“, deren Geschäftsmodell vom Orkan an den Finanzmärkten hinweggefegt wurde. Heute sitzen ihm seine Geldgeber im Nacken. Der ehemalige „Jedi-Meister der Finanzen“ (Wall Street Journal) hat alleine mit seinen Engagements in Deutschland Milliarden verzockt – Geld, das nicht nur ihm, sondern auch Pensionsfonds und Stiftungen gehört, die penibel Rechenschaft über ihre Investments ablegen müssen. Die Luft wird für Christopher Flowers dünn, der passionierte Schachspieler steht selbst im „Schach“.Als Flowers 2006 mit einem von ihm geführten Konsortium für 1,25 Milliarden Euro 26 Prozent der HSH Nordbank übernahm, brach am Finanzstandort Deutschland Jubel aus. Als Flowers im Juni 2008 für 1,1 Milliarden Euro auch bei der Hypo Real Estate einstieg, hielt der damalige HRE-Vorstand sein Angebot in Höhe von 22,50 Euro pro Aktie noch für zu niedrig – nicht die einzige Fehleinschätzung der Bayern.Heute ist die Aktie etwas mehr als einen Euro wert und auch dies nur dank staatlicher Garantien und Zuschüssen in schwindelerregender Höhe von über 100 Milliarden Euro. Um Flowers entweder gegen dessen Willen die Aktien zum Marktpreis abzukaufen oder eine Eigenkapitalerhöhung auf Aktienbasis durch den Bund zu beschließen, verabschiedete der Bundestag sogar eine „Lex HRE“ – ein Enteignungsgesetz, das zeitlich begrenzt und speziell für die Enteignung des Amerikaners formuliert wurde.Dies ist ein Novum im kapitalfreundlichen Deutschland. Bislang wurden nur Kleingärtner und bockige Landwirte für den Bau von unverzichtbaren Umgehungsstraßen enteignet – die Besitzer einer Großbank zu enteignen war vor einem Jahr noch undenkbar und sozialistisches Teufelswerk. Die Bundesregierung hat nun ein Übernahmeangebot in Höhe von 1,39 je Aktie vorgelegt. Flowers Anteile werden wohl für die eher bescheidene Summe von rund 75 Millionen Euro in Staatsbesitz übergehen. Sein Münchner Abenteuer hat ihn damit über eine Milliarde gekostet.Auch die HSH Nordbank konnte nur dank Milliarden aus den Kassen der Stadt Hamburg und des Landes Schleswig-Holstein einstweilen vor dem Kollaps gerettet werden. Die Bank weist in ihrer Bilanz strukturierte Wertpapiere im „Wert“ von 23 Milliarden Euro aus, und ein Volumen von 33 Milliarden Euro steckt in der krisenbedrohten Schiffsfinanzierung – auch hier ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Aber anders als die Bundesregierung lassen die norddeutschen Landespolitiker einstweilen noch die Finger von einer Enteignung des amerikanischen Investors. Flowers Traum von einem Börsengang der HSH Nordbank ist jedenfalls ausgeträumt. Aber er ist beileibe nicht der einzige Verlierer – 1.500 der 4.300 Arbeitsplätze beim Kreditinstitut stehen mittlerweile zur Disposition. 1.500 Menschen, die nicht über die finanziellen Ruhekissen eines Christopher Flowers verfügen.„Blutbad“ in JapanWäre ihm die Finanzkrise nicht in die Parade gefahren, hätte Flowers auch in Deutschland prächtig verdient – die Kosten für seine Gewinne hätte die Allgemeinheit gezahlt, so wie sie nun für seine Verluste geradestehen muss. Wie so etwas üblicherweise funktioniert, zeigte Flowers erster großer Coup in Japan.Im März 2000 übernahm ein von ihm geführtes Konsortium die chronisch in Schieflage vor sich hin dümpelnde japanische LTCB für rund 900 Millionen Euro aus dem Besitz des Staates. Vier Jahre später brachte er die komplett umstrukturierte Bank unter dem Namen Shinsei an die Börse. Sein Gewinn bei diesem Coup wird auf rund 750 Millionen Euro geschätzt. Zahlen musste dies im Endeffekt der japanische Steuerzahler – Flowers hatte über ein Zusatzabkommen, das von Goldman Sachs eingefädelt wurde, die „schlechten“ Schulden der Bank beim Staat abgeladen.Die japanische Presse sprach damals von einem „Blutbad“. Etliche Firmenkunden der LTCB mussten Konkurs anmelden, und der Gesamtschaden für den japanischen Staat wird auf rund 33 Milliarden Euro geschätzt. Von Flowers gab es nur ein freundliches „Sayonara“ – er musste den Japanern noch nicht einmal Steuern auf seine Gewinne zahlen, da seine Fonds in Steueroasen heimisch sind. Vielleicht kann Deutschland froh sein, wenn aus dem „Servus“ aus München kein „Auf Wiedersehen“ wird.