Sind junge Menschen unpolitisch? Wir haben sie gefragt. In einer Freitag-Serie beschreiben Schüler einer Berliner Oberschule ihr Verständnis von Politik.
Selten war die Wahlbeteiligung unter Jugendlichen so niedrig wie heutzutage. Der Anteil der 20 bis 35jährigen, die an der Bundestagswahl 2005 teilnahmen, war der niedrigste aller Altersgruppen und auch bei der Europawahl dieses Jahr besserte sich die Lage nicht.
Doch woran liegt das?Zum einen könnte man eine Interessenlosigkeit innerhalb der heutigen Jugend vermuten. Zum anderen könnte man auch den Parteien und vor allem den Führungskräften in ihren Reihen vorwerfen, profillos zu sein. Es stimmt wohl, dass der Großteil der heutigen Jugend längst nicht so politisiert und an einer aktiven Mitbestimmung innerhalb der Gesellschaft so interessiert ist wie zum Beispiel die 68er Generation. So bezeichnen sich sogar 83 Prozent der Jugendlichen selbst als unpolitis
t als unpolitisch. Doch die Gründe können nicht in der politischen Lethargie dieser Generation zu finden sein. Was hat sich in dieser Gesellschaft so stark verändert im Vergleich mit den 68ern? Um eine Antwort zu finden reicht es den Fernseher einzuschalten und Nachrichten zu schauen:Ein Großteil der Meldungen sind wirtschaftlicher Natur und dabei geht es zumeist um die globale Finanzkrise. Und diese ist eben nicht nur ein mediales Schreckgespenst, sondern betrifft und trifft uns alle. Man hört von Firmenschließungen und –rettungen durch den Staat. Und so verhält es sich auch mit der Lebenssicherheit der heutigen Jugend. Man kann noch so gut ausgebildet sein, es ist keine Garantie für ein gesichertes Auskommen und ein angenehmes Leben. Und eben diese hart arbeitende und schlecht verdienende Jugend zahlt schlussendlich die Zeche für die vielen Milliarden, die Staaten überall auf der Welt infolge der Finanzkrise aufnehmen müssen. Die heutige Jugend hat viel naheliegendere und existenziellere Probleme als die Generation der 68er, die nach dem Wirtschaftswunder der 50er Jahre gut situiert und abgesichert war. Über die Ecken und Kanten und die Qualitäten der einzelnen Parteien macht sich so gut wie niemand in dieser Jugend Gedanken. Und um den Gedanken der Parteien aufzugreifen: Schaut man sich diese Parteien und ihre Unterschiede an, so erkennt man, dass von ebenjenen fast keine vorhanden sind. Alles scheint zu einem Einheitsbrei zu werden, alle Parteien zu gemäßigten Vertretern bürgerlicher Interessen (abgesehen von Parteien wie der NPD oder der DVU). Die einzige Partei, die sich noch abzuheben scheint ist „Die Linke“ und so fährt diese Partei auch überall in Deutschland große Gewinne ein, vor allem in den Landtagswahlen. Über die Qualität dieser Partei lässt sich streiten, jedoch trifft sie einen Nerv, da sie als einzige eine Alternative darzustellen scheint.Auch fehlen den Parteien führende Persönlichkeiten, die mit ihrem Auftreten begeistern können und zumindest so wirken, als ständen sie hinter dem was ihre Partei verspricht.Schaut man sich die Spitzenkandidaten der beiden großen Parteien an, so erkennt man schnell: Von Profil kann hier keine Rede sein. Der Bundeskanzlerkandidat der SPD Frank-Walther Steinmeier, bis zur Wahl 2005 noch relativ unbekannt und zumindest in der Öffentlichkeit nicht oft gesehen, strahlt ungefähr so viel aus, wie der Berater beim Arbeitsamt. Und auch seine Versuche einen Wahlkampf aufzubauen mit seinem „Deutschlandplan 2010“ und einem sogenannten Kompetenzteam, bestehend aus relativ unbekannten Gesichtern, scheiterte sang- und klanglos. Und auch die Bundeskanzlerin betreibt seit nun knapp vier Jahren eine Politik, die weitgehend darauf ausgelegt ist, sich mit dem Koalitionspartner in der großen Koalition zu arrangieren. Spannung kommt auch hier nicht auf.Die Parteien werden nicht viel an diesem Desinteresse der Jugendlichen ändern können, denn aus deren Leben hat sich die Politik schon viel zu weit entfernt. Die Politik kann an der Situation der Jugend nichts ändern, dazu fehlt ihr die Mittel und auch der Wille der Beteiligten Politker, da Jugendliche nun einmal nicht den Großteil der Wähler stellen. Schaut man sich die Wahlplakate der verschiedenen Parteien an, so sieht man zwar Slogans, wie „Für eine gemeinsame Zukunft“. Im Hintergrund erkennt man trotzdem nur ältere Menschen, bei diesen scheint es sich also um die Zielgruppe zu handeln.Man kann den Jugendlichen dieser Zeit also nicht vorwerfen völlig unpolitisch sein zu wollen. Es verhält sich vielmehr so, dass sie regelrecht gezwungen werden unpolitisch zu sein. In der harten Arbeitswelt ist keine politische Meinung gefragt und auch kein Verständnis für Fehlzeiten wegen einer Demo. Diese Umwelt ist schon anstrengend genug und lässt den Jugendlichen einfach keinen Platz und Zeit mehr, sich Gedanken um die Politik und somit die Zukunft dieser Gesellschaft zu machen.Andererseits fehlt aber auch wie schon gesagt eine Partei oder der Wille einer Partei sich mit der Jugend auseinander zu setzen und sich mit ihren Problemen zu beschäftigen.Ich denke, man kann die Situation der Jugend gut mit einem Zitat Bertolt Brechts beschreiben: "Erst kommt das Fressen, dann die Moral".