US-Präsident Barack Obama gewann nicht zuletzt wegen der cleveren Nutzung einer partizipierenden Internetgemeinde die Wahl in Amerika. Und nun sind Transparenz und Teilhabe wesentliche Schlagworte seiner Strategie des "offenen Regierens", an deren Umsetzung in den vergangenen Monaten ein beachtlicher Stab von Mitarbeitern bastelte. In Deutschland wird zwar auch an einer so genannten E-Government-Strategie gewerkelt, fleißig werden Petitionen über die Webseite des Bundestags eingereicht. So weit wie in den USA ist man in Europa jedoch noch lange nicht. Dabei zeigt ein Blick über den Tellerrand, dass die Nutzung des Web 2.0 durch den Staat nicht nur die Verwaltung entlastet, sondern das Handeln der Regierung transparenter macht, mehr Bürger motiviert, am politischen
Politik : Lass mich mal ran
Die "Mitmach-Demokratie" ist in Deutschland noch nicht eingetreten. Dabei gibt es viele Beispiele, die beweisen, dass das Netz Politik verändern kann. Ein Überblick
Von
Ina Brzoska
hen Geschehen teilzuhaben und das kollektive Wissen zum Nutzen aller anzapft. Ein Überblick.Mehr TransparenzBesonders ein Projekt sollte die Deutschen neidvoll gen USA blicken lassen: Während hierzulande noch gerätselt wird, wohin die Gelder des Konjunkturpaketes genau wandern, hat der US-Bürger mehr Durchblick. Nach dem Motto „Watch the Dollars“ bemüht sich die US-Regierung um Transparenz der getätigten Investitionen von Steuergeldern. Auf recovery.gov können Bürger nachsehen, in welcher Höhe und in welche Branchen Geld aus dem Konjunkturprogramm fließt und wie viele Arbeitsplätze dadurch entstehen. Auf stimuluswatch.org wiederum sind kommunale Projekte, die aus dem Konjunkturprogramm finanziert werden, aufgelistet und Bürger dazu aufgerufen, diese zu kommentieren und deren Umsetzung mit ihrer Expertise – sofern vorhanden – zu verbessern. Den Bürger befragenStaaten produzieren und speichern täglich unzählige Daten, die Bürger haben davon oft allerdings wenig. In England befragte man daher die Bürger, welcher Service ihnen fehlen würde. Auf showusabetterway.co.uk posten sie seither eifrig Vorschläge, von denen viele bereits umgesetzt wurden. Etwa die Plattform, auf denen Schulen in der Nähe bewertet werden oder eine Seite, in der sich alle öffentlichen Toiletten nach Standorten abrufen lassen.Andererseits wecken die Möglichkeiten des E-Government bei Politikern auch Begehrlichkeiten, unangenehme Entscheidungen lieber nicht selbst treffen zu müssen. So befragte der Bürgermeister von Los Angeles, Antonio R. Villaraigosa, angesichts der maroden Haushaltslage einfach seine Bürger, wie er denn sparen könne. Seither können die Einwohner von Los Angeles über im Internet Empfehlungen abgeben, wo die 7,1 Millionen Dollar denn am wenigsten fehlen würden.Der Entlastung der Polizei wiederum sollen Seiten wie stolenbikesboston.com dienen. Hier können Bürger Bilder ihrer gestohlenen Fahrräder hochladen, mit einer Beschreibung wann und wo sie es das letzte Mal gesehen haben. Wer einen Hinweis hat, kann Hinweise posten. Die Behörden fanden diese Lösung effektiver, als jedes Mal die Polizei einen Verwaltungsakt für jedes gestohlene Rad starten zu lassen.Wissen nutzenDoch es geht nicht nur darum, Kosten zu sparen, sondern auch Zeit, wie etwa die Seite zoekplaatjes.nl zeigt: In holländischen Archiven lagern historische Stadt- und Dorfansichten, zu denen es weder eine Quelle noch das Entstehungsdatum gibt. Mitarbeiter kamen auf die Idee, die Fotos einfach ins Netz zu stellen und Bürger zu befragen, ob ihnen von den Fotos etwas bekannt vorkäme und ob sie die Ansichten zuordnen können. Die Archivmitarbeiter müssen jetzt nicht mehr wochenlang recherchieren, oft gibt es nach nur wenige Stunden Hinweise im Netz, durch die die Aufnahmen schnell zugeordnet werden können.Behördengänge vermeidenEgal ob bei Überschwemmungen, Tornados oder Schweinegrippe. In Krisenzeiten bieten staatlich eingestellte Internetseiten heute bessere Bürgerforen als jedes Amt, was nicht heißt, dass die persönliche Beratung wegfällt, eher geht es um erste Orientierung, die auf einen Klick abrufbar ist, für die man nicht nach Nummern wälzen oder in Warteschleifen hängen muss. Vorbildlich ist hier http://cdc.gov/socialmedia/, eine US-Webseite, die Ansprechpartner in den Verwaltungen auflistet, die wichtigsten Fakten abrufbar macht und über die Neuigkeiten über Twitter als erstes die User erreichen.Natürlich bemüht sich auch die Europäische Union, E-Government-Projekte voranzutreiben. Vor wenigen Wochen wurde zum vierten Mal ein Wettbewerb für die besten Praxisbeispielen ausgerufen. Doch ein Überblick über die Projekte enttäuscht. Von erweiterten Partizipationsmöglichkeiten und mehr Transparenz in politischen Entscheidungsprozessen ist unter den Nominierten nicht viel zu erkennen. Ein Projekt aus Irland erscheint allerdings aus anderen Gründen erwähnenswert. Die Regierung reagierte mit der Webseite losingyourjob.ie auf den dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Um den Menschen, die gerade ihren Arbeitsplatz verloren haben, schnell einen Aktionsplan mit auf den Weg zu geben, ohne die Behörden allzu sehr zu überlasten, können Betroffene nun alle Tipps zu Sozialleistungen, Steuern oder Weiterbildungsmöglichkeiten sowie die passenden Antragsformulare herunterladen. Fast schon etwas zynisch: Auch Hinweise zum Auswandern hat die Regierung auf die Seite gestellt.Regierungshandeln beeinflussenIn Deutschland ist es übrigens eines der kleineren Projekte, das zeigt, wie der Bürger über das Internet den Beamten zum Handeln zwingt: In Brandenburg etwa können seit einigen Monaten Bürger dafür sorgen, dass Beamte Missstände in der Gemeinde beheben. Auf maerker.brandenburg.de, einer Art virtueller Meckerecke, darf der Bürger Beschwerden posten und auf eine Lösung des Problems binnen weniger Tage hoffen. Meist geht es um verdreckte Bushaltestellen, beschädigte Betonpoller oder demolierte Verbotsschilder. Neben jeder geposteten Beschwerde blinkt eine Ampel, die den Status der Bearbeitung anzeigt. Leuchtet diese grün, hat die Stadtverwaltung reagiert und ein „erledigt“ vermerkt. Zum Beweis stellen Beamte inzwischen sogar Fotos ein, die belegen, dass der Missstand behoben ist.