Den US-Behörden reißt im Umgang mit der Union de Banques Suisses endgültig der Geduldsfaden. Und die Schwarzkonten-CD zieht die Schweiz nun noch tiefer in den Sumpf
Dem Streit zwischen der Schweizer Großbank UBS und den US-Steuerbehörden geht der Atem offenbar nie aus, obwohl seit August 2009 die Schweizer Regierung als Vermittler mitmischt. Der Konflikt entzündet sich noch immer an der ebenso heuchlerischen wie spitzfindigen Unterscheidung zwischen strafbarem Steuerbetrug und der – nur mit milden Bußen – bedrohten Steuerhinterziehung. Dieser winkeladvokatorische Schachzug, der Schweizer Banken viel Geld einbringt und ausländische Steuerbehörden leer ausgehen lässt, bildet den Kern des helvetischen Glaubensbekenntnisses – des Bankgeheimnisses.
Angefangen hat es damit, dass UBS-Kundenberater amerikanischen Bürgern mit erheblicher krimineller Energie halfen, Gelder unversteuert in „Sicherhei
;Sicherheit“ zu bringen. Mit Wissen und Duldung des UBS-Managements. Die Folgen: eine Zivil- und eine Strafklage gegen die UBS, der damit in den USA der Lizenzentzug drohte.In dieser Situation wachte man jäh auf in Bern. Die Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) griff ein, wollte die Amerikaner vertrösten und lieferte 285 Dossiers von Fällen aus, in denen es um Steuerbetrug ging. Die UBS selbst leistete aus ihrer Portokasse eine Abschlagszahlung von 780 Millionen Dollar, um Klagen abzuwenden – doch reichte das den US-Behörden nicht. Sie drängten auf eine förmliche Amtshilfevereinbarung mit dem Schweizer Staat.KastrophenfallDas im April 2009 verabschiedete Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Bern und Washington kassiert zwar den Unterschied zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung, kann aber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht rückwirkend angewendet werden. Inzwischen kam es offiziell zur Amtshilfe in 52.000 Fällen, eine weitere Vereinbarung sieht die Auslieferung der Dossiers zu 4.450 Fällen vor und zwar solchen von Steuerbetrug und qualifizierter Steuerhinterziehung.Seit Januar 2010 scheint ein Teil dieses mühsam ausgehandelten Agreements Makulatur. Das schweizerische Bundesverwaltungsgericht hat den beabsichtigten Transfer von 285 Dossiers durch die Finma als „unrechtmäßig“ eingestuft und Gleiches mit der gesamten Amtshilfevereinbarung getan. Für die UBS und die Schweizer Regierung der Katastrophenfall, denn die USA bestehen darauf, dass die getroffenen Übereinkünfte erfüllt werden. Andernfalls droht eine vertraglich vorgesehene Vergeltung. Und die dürfte sich als eine Flut von Klagen gegen die UBS darstellen.Die Bank gerät also wieder akut in Gefahr, so dass die Berner Regierung neu verhandeln will, sich an einen Strohhalm klammert und reklamiert: Die USA seien die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung schuldig geblieben, die Zahl jener US-Bürger zu nennen, die sich wegen Steuerhinterziehung selbst angezeigt hätten. Gerüchtehalber ist von 14.700 Selbstanzeigen die Rede. Niemand weiß, wie viele davon mit der UBS zu tun haben.Kriminelle EnergieDie Amtshilfevereinbarung wäre nur juristisch durch eine Gesetzesnovelle in der Schweiz zu retten, mit der das Bankgeheimnis faktisch aufgehoben würde. Um diese heilige Kuh zu schlachten, ist im Berner Parlament, wo „Interessenten und Patrioten“ das Sagen haben, keine Mehrheit absehbar. Anders als bei den Bürgern, deren Nachsicht für die Banker sinkt. Einen Ausweg böte ein politisch heikles Notrecht, was darauf hinausliefe, eine private Bank zu retten und damit die kriminelle Energie des USB-Managements zu honorieren. Die Berner Regierung will die UBS nicht im Regen stehen lassen, sondern hofft, bei neuen Verhandlungen mit den USA das geltende Abkommen nachbessern zu können.Kaspar Villiger, Ex-Minister und neuer UBS-Chef, hält den Konflikt für „einen zwischen zwei Staaten mit unterschiedlichen Rechtsordnungen“ und möchte die UBS blauäugig aus dem Schlamassel heraushalten, das die Bank angerichtet hat. Er erklärt: „Wir werden niemals Schweizer Recht brechen“. Dass die UBS tausendfach US-Recht gebrochen hat, scheint der neue Saubermann schon vergessen zu haben.Mit dem anonymen Angebot, die Daten von 1.500 deutschen Steuerbetrügern an die deutschen Behörden zu liefern, geraten die Schweiz und die UBS nun noch tiefer in den Sumpf. Das Geschrei aus Bern ist heuchlerisch und die Drohung, die Verhandlungen über ein neues Doppelbesteuerungsabkommen abzubrechen, wird den bigotten Bankern und Politikern in Zürich und in Bern nicht viel nützen.Jetzt geht es darum, die heilige Kuh – das Bankgeheimnis – zu schlachten. Es ist seit über 70 Jahren „nur“ eine profitable Lebenslüge der Schweizer Eliten. Schäuble muss auf den etwas anrüchigen Datenhandel eingehen, auch wenn manche in CDU und FDP dagegen sind, weil sie fürchten, dass auch ein paar CDU-Spender oder ein paar FDP-nahe Konten entdeckt werden.