Die CIA sagt dem "Freitag": Wir bespitzeln Wikileaks nicht. Die Macher der Webseite sagen: Wir habe gerade keine Zeit, um unsere Vorwürfe zu untermauern. Was das bedeutet
Man muss ihnen einfach glauben. Die Aufdecker von wikileaks.org arbeiten ja für eine gute Sache: Sie betreiben eine Internetseite, auf der jeder geheime Dokumente hochladen kann, die nach einem Echtheits-Check veröffentlicht werden. Vollkommen anonym. Ohne, dass der Informant fürchten muss, entdeckt zu werden. Die Seite soll Schluss machen mit Vertuschungsaktionen durch Regierungen und der Geheimniskrämerei von Unternehmen.
Und wirklich: Seit dem Start im Jahr 2006 haben sich die Veröffentlichungen von Wikileaks als vertrauenswürdig erwiesen. Bisher ist kein Fall bekannt, in der sich ein veröffentlichtes Dokument als Fälschung herausstellte - außer wenn die Wikileaks-Macher selbst eines als Fälschung enttarnt haben. Warum also sollte jemand
ung enttarnt haben. Warum also sollte jemand an den Spitzel-Vorwürfen zweifeln, die die Wikileaks-Macher in den vergangenen Tagen gegenüber isländischen und US-amerikanischen Behörden erhoben haben?Die Antwort lautet: Weil man sie ihnen einfach glauben muss.Um es vorweg zu sagen: Die Recherchen, die der Freitag auf Bitten einiger Leser angestellt hat, haben die Vorwürfe weder als wahr noch als falsch erwiesen. Sie weisen zunächst nicht auf ein taktisches Verhältnis von Wikileaks zur Wahrheit hin. Wohl aber auf ein taktisches Verhältnis zur Öffentlichkeit: Wikileaks veröffentlicht - zumindest im Moment - vordringlich das, was die öffentliche Meinung für die eigenen Ziele einnimmt.CIA: "Absurde Vorwürfe"Auf Anfrage des Freitag bezeichnete CIA-Sprecher George Little Aussagen, der Geheimdienst habe Wikileaks-Editoren verfolgt und überwacht, als "absurd". Das überrascht nun nicht sonderlich, zumal manche Geheimdienstexperten inzwischen annehmen, dass die von Assange geschilderte Operation eher auf den Diplomatic Security Service des US-Außenministeriums hindeutet (das bisher nicht auf Anfragen reagiert hat).Überraschender ist hingegen der Umgang von Wikileaks mit Aufforderungen, die eigenen Vorwürfe zu untermauern. So fragte der Freitag Wikileaks-Sprecher Daniel Schmitt Ende vergangener Woche nach klärenden Informationen und den Kopien einiger Dokumente, die der australische Wikileaks-Editor Julian Assange in einer Stellungnahme erwähnt hatte. Schmitt versprach, sich darum zu kümmern.Bei einem Besuch in der Freitag-Redaktion am Mittwoch sagte Daniel Schmitt dann jedoch, er habe selbst keine weiteren Informationen, weil im Moment so viel zu tun sei. Außerdem habe die Veröffentlichung der Spitzel-Aktion schon jetzt ihr Ziel erreicht: "Das haben wir zum Eigenschutz gemacht. Es ging darum, uns so etwas nicht stillschweigend gefallen zu lassen." Jetzt seien erst einmal andere Dinge wichtiger.In der Tat hat Wikileaks angekündigt, demnächst 37.000 interne E-Mails der NPD zu veröffentlichen. Und am Ostermontag soll um 15 Uhr deutscher Zeit im National Press Club Washington das Video präsentiert werden, dass der Auslöser der Spitzel-Aktion gewesen sein soll. Angeblich zeigt es ein bisher vertuschtes Massaker von Amerikanern an Zivilisten. Da gibt es viel vorzubereiten. "Wir gehen davon aus, dass die US-Progandamaschine ein PR-Problem bekommt", sagte Schmitt.Veröffentlichung nach EigennutzDas wäre schön. Zum einen für die Bevölkerung aller am Afghanistan-Krieg beteiligten Länder. Aber auch für Wikileaks selbst, schließlich läuft gerade eine Spenden-Aktion für die Whistleblower-Plattform. Und dabei sind bestimmte Enthüllungen eben mehr Geld wert als andere. Nun wären eine selektive Veröffentlichungspolitik nach Eigennutz nicht weiter erwähnenswert, wenn sie nicht dem Selbstanspruch von Wikileaks widerspräche.Am 26. März veröffentlichte Wikileaks ein CIA-Papier. Darin werden PR-Strategien beschrieben, mit denen die Unterstützung der französischen und deutschen Öffentlichkeit für den Afghanistan-Krieg gesichert werden soll. Das Papier schlägt vor, welche Themen die USA in diesen Ländern hervorheben könnten, um die Unterstützung weiter zu erhalten. Es schlägt nicht vor, Unwahrheiten in die Welt zu setzen. Die Veröffentlichung von Botschaften nach Prioritätsliste aber bezeichnet Wikileaks als den Versuch einer "gezielten Manipulation der öffentlichen Meinung". Mit seiner zurückhaltenden Informationspolitik bedient sich die Webseite allerdings einer ähnlichen Taktik.Vielleicht führt die Veröffentlichung des Dokumentar-Videos ja wirklich zu einem Geldregen für Wikileaks. Zu wünschen wäre es jedenfalls. Dann könnten sich nämlich vielleicht die Prioritäten wieder so verschieben, dass die Wikileaks-Macher die gleichen Transparenz-Kriterien an sich selbst anlegen können, mit denen sie andere zurecht kritisieren.