Kubas Maximo Lider hat seine Kritik am eigenen System inzwischen als missverstandene Ironie bezeichnet. Nicht aber seine Aussagen zum Verhältnis Iran-Israel relativiert
„Wenn mich jemand fragen würde, wer am besten weiß, was die Israelis denken, dann würde ich ohne zu zögern Jeffrey Goldberg antworten“, begann Fidel Castro am 27. August seine Kolumne Reflexionen des Genossen Fidel mit dem Titel Die Meinung eines Experten. Er zitierte bei diesem Text in epischer Breite aus einem in der US-Zeitung The Atlantik veröffentlichten Artikel Jeffrey Goldbergs über die Möglichkeiten eines israelischen Atomschlages gegen den Iran.
Castro erwähnte freilich nicht, dass er Goldberg über Jorge Bolanos, den Vorsitzenden der Cuban Interest Section (eine Art Botschaftsersatz der USA) zu sich nach Havanna eingeladen hatte, um mit ihm über den Iran und anderes zu sprechen. In seinem Blog veröffentlichte Goldbe
seinem Blog veröffentlichte Goldberg inzwischen erste Inhalte der sich über drei Tage hinziehenden Unterhaltungen, bei denen auch die Lateinamerika-Expertin vom Council on Foreign Relations, Julia Sweig dabei war.Er teile Goldbergs Urteil, Israel und die USA bewegten sich auf eine Konfrontation mit dem Iran zu, meinte Castro, nachdem er zuvor die Goldbergsche Frage, ob seine Krankheit das Verhältnis zu Gott verändert habe, mit dem Satz beantwortete, es tue ihm leid, aber er sei nach wie vor dialektischer Materialist. Seine Botschaft an Israels Premier Netanyahu und die übrigen Atommächte sei einfach: Israel könne seine Sicherheit nur garantieren, wenn es sein Kernwaffenarsenal aufgebe. Gleiches gelte für die übrigen Atommächte.Niemand mehr verleumdet Überraschender und konkreter fiel der Rat aus, den Castro Irans Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad zukommen ließ, indem er dessen Antisemitismus verurteilte. Die iranische Regierung würde der Sache des Friedens besser dienen, wenn sie die „einzigartige“ Geschichte des Antisemitismus anerkennen und versuchen würde, Israels Existenzängste zu verstehen. Sie müsse die Konsequenzen des 2000 Jahre währenden theologischen Antisemitismus begreifen: „Ich glaube niemand wurde mehr verleumdet als die Juden. Ich würde sagen, viel mehr als die Moslems, weil man ihnen die Schuld für alles gab.“ Die iranische Führung müsse verstehen, „dass die Juden von ihrem Land vertrieben und auf der ganzen Welt als Gottesmörder verfolgt und misshandelt wurden. (…) Sie hatten ein wesentlich schwereres Leben als wir. Es gibt nichts, was mit dem Holocaust vergleichbar wäre.“ Goldberg fragt, ob er Ahmadinedschad Dasselbe sage. Castro antwortet: „Ich sage es, damit Sie es kommunizieren können.“Dennoch werden sich die iranische Führung nicht davon abbringen lassen, ihr Atomprogramm zu verfolgen. Iran sei, im Gegensatz zu Kuba, ein „zutiefst religiöses Land“ und eine religiöse Führung weniger in der Lage, Kompromisse einzugehen. „Die Möglichkeiten des Iran, Schaden anzurichten, werden nicht verstanden. Die Menschen glauben von sich, sie hätten sich unter Kontrolle. Aber Obama könnte überreagieren und eine schrittweise Eskalation zu einem Atomkrieg führen.“Auf die Frage, ob seine Befürchtungen auch etwas mit seiner eigenen Erfahrung während der Kuba-Krise zu tun haben, als es wegen der Stationierung von Atomraketen auf Kuba beinahe zu einem Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion gekommen wäre, reagierte Castro: „Nachdem ich gesehen habe, was ich gesehen habe, und weiß, was ich heute weiß, war es das alles nicht wert.“Rauls ReformenWas die kubanische Gegenwart betrifft, so signalisiert Castro Unterstützung für einen Kurs, den sein Bruder Raul bei einer Dezentralisierung der Wirtschaft eingeschlagen hat. Tatsächlich hat die Regierung, seit sie durch Fidels Bruder Raul geführt wird, wegen der schlechten Verfassung der kubanischen Ökonomie zahlreiche Reformen angestoßen.Da von den in Staatsbesitz befindlichen 6,6 Millionen Hektar Ackerland zwei Millionen brach lagen, wurde mittlerweile eine Fläche von einer Million Hektar an 110.000 private Landwirte und 1.715 Kooperativen zur Bewirtschaftung verteilt, wie der Direktor der Behörde für Landkontrolle Ende Juni bekanntgab. In gleicher Weise soll der Rest des ungenutzten staatlichen Ackerlandes einer Nutzung zugeführt werden, um die rückläufige Produktion im Agrarsektor umzukehren und vom 80-prozentigen Importanteil an Nahrungsmitteln herunterzukommen. Stephen Wilkinson kommentierte diese Entwicklung im Guardian mit der Einschätzung – was die Regierung unter dem Stichwort „Vertiefung des Sozialismus“ auf den Weg bringe, habe das Potential für das größte Genossenschaftsprojekt, das die Welt je gesehen hat.Bei seiner Rede in der Nationalversammlung am 1. August 2010 kündigte Raul Castro eine „etappenweise Reduzierung der im staatlichen Sektor beträchtlich aufgeschwemmten Personalbestände“ an, eine Ausweitung der „Arbeitsausübung auf eigene Rechnung“, die Aufhebung „verschiedener Verbote im Hinblick auf die Ausgabe neuer Lizenzen und die Vermarktung einiger Produktionslinien“ an, um unter anderem „die Anstellung von Arbeitskräften zu flexibilisieren.“ Dieser „strukturelle und konzeptuelle Wandel“ werde „im Interesse der Bewahrung und Entwicklung unseres sozialen Systems“ erfolgen und „den Auftrag des kubanischen Volkes erfüllen, der in der Verfassung der Republik erfasst ist und dahin geht, dass ihr sozialistischer Charakter und das in ihr enthaltene politische und gesellschaftliche System unwiderruflich sind.“Bereits im Mai hat Kubas Tourismusminister Manuel Marrero angekündigt, man werde nach zehnjähriger Pause erneut ausländische Investitionen beim Bau von Hotels zulassen, um etwas für eine moderne Tourismus-Infrastruktur zu tun. Goldberg weist in seinem Blog auf die Ironie hin, dass US-Investoren diese Möglichkeit verwehrt bleibt – nicht weil sie die kubanischen Gesetze von einem Engagement ausschließen, sondern weil das US-Embargo es ihnen verbietet.