Ein populärer Umweltschützer und Fernsehmoderator will Präsident werden - und treibt die französischen Grünen erneut ins Dilemma einer schädlichen Doppelkandidatur
Die Frage, wer bei den französischen Präsidentenwahlen 2012 für welche Partei kandidiert, bezieht sich derzeit ausnahmsweise einmal nicht auf die Sozialisten. Vielmehr erregt ein aussichtsreicher Anwärter der Grünen die Gemüter: Nicolas Hulot, der sich selbst als „freischwebendes Elektron“ beschreibt.
Der 1955 geborene Hulot brach sein Medizinstudium ab, arbeitete von 1973 bis 1978 als Fotograf und bereiste die Welt. Ende der Siebziger kam er als Journalist zum Hörfunk, bevor er 1987 beim Fernsehen debütierte, für das er 22 Jahre lang Sendungen zum Natur- und Umweltschutz verantwortete. Diese Serien machten ihn populär und erreichten bis zu acht Millionen Zuschauer. Hulot informierte nicht nur, sondern verstand sich als Missionar
8;r und erreichten bis zu acht Millionen Zuschauer. Hulot informierte nicht nur, sondern verstand sich als Missionar im Dienst der Natur, für die er sein Publikum sensibilisierte und mobilisierte. 1990 dann entstand die Fondation Nicolas Hulot, die mit ihren 40 Mitarbeitern darauf bedacht ist, „den Blick auf die Natur, den wir alle haben, radikalem Wandel zu unterwerfen“, um „den Planeten zu retten“, so Hulot. Dank dieses Engagements zog er Prominente in seinen Bann, so dass es nicht weiter überraschte, als er 2002 in den Wahlkampf für den Gaullisten Chirac einstieg, der dem renommierten Fernsehmann vergeblich das Amt des Umweltministers anbot. Stattdessen beriet Hulot fortan lieber den Sozialisten Laurent Fabius, blieb aber stets Einzelkämpfer und nervte alle Parteien mit seinen Klagen über Umweltsünden, über die Schuld an Waldbränden und Überschwemmungen oder mit dem Vorschlag, Flugtickets müssten endlich besteuert werden.Ein EinzelkämpferVor den Präsidentenwahlen 2007 landete Hulots zwei Coups, die Eindruck hinterließen, zunächst einmal lancierte er 2005 die Petition Herausforderung für die Erde und gewann sofort 850.000 Unterzeichner. Ein Jahr später wiederholte er die Aktion unter dem Label Ökologischer Pakt, den neben 750.000 Wählern fünf von zwölf Präsidentschaftskandidaten unterschrieben – darunter Nicolas Sarkozy, die Sozialistin Ségolène Royal, Dominique Voynet von den Grünen und die Kommunistin Marie-George Buffet. Sie alle versicherten, dass ökologische Kriterien politische Entscheidungen grundieren sollten. Die Kampagne rückte freilich die Ökologie bereits vor der heißen Phase der Wahlkampagne medial dermaßen ins Zentrum, dass sie beim Finale keine Rolle mehr spielte. Nebeneffekt: Hulot selbst wurde von vielen als Präsidentschaftskandidat gesehen. Umfragen trauten ihm 15 Prozent der Stimmen zu, aber der Umworbene ließ sich nicht einspannen und kassierte alle Gerüchte, als er Monate vor dem Votum erklärte: „Ich werde alles unternehmen, kein Bewerber zu sein, und ich werde keinem Kandidaten beistehen.“ Um so mehr schaffte es Hulot, die Parteien zu spalten. So intrigierten prominente Grüne in Paris gegen die offizielle grüne Kandidatin Dominique Voynet, die nur 1,6 Prozent holte.Wo viel Licht ist, fällt auch Schatten. Kritische Zeitgenossen, Umweltaktivisten und Blätter wie der Nouvel Observateur und Marianne werfen Hulot vor, seine Aktionen wie auch seine Sendungen würden von multinationalen Konzernen, etwa Électricité de France (EdF), L’Oréal oder Rhône-Poulenc gesponsert. Die Pointe, EdF ist in Frankreich größter Produzent von Atomstrom, und Hulot, der Retter des Planeten, hat schon gegen vieles opponiert – noch nie gegen Kernkraftwerke. Selbst auf den GAU in Japan reagiert er zahm: „Der Ausstieg bleibt ein Ziel.“ Davon besonders enttäuscht sind jene, die Hulots Petitionen ernst genommen haben, aber dann nichts mehr hörten von ihrem Treuhänder, den viele wegen seiner Vorliebe für Helikopterflüge bei seinen Reportagen hélicoliste nennen. Die Netzzeitung Rue89.com publizierte jüngst ein Dossier mit Zuschriften enttäuschter Unterzeichner, die sich regelrecht betrogen fühlen.Hulot, der 2007 zauderte und nicht direkt in den Kampf um die Präsidentschaft eingriff, hat nun erklärt , dass er sich 2012 zur Wahl stellen wolle. Ob als unabhängiger Kandidat oder unter der Flagge der Europe Écologie – les Verts (EELV), ließ er offen. EELV ist eine Allianz, die erst Ende 2010 durch eine Fusion der Grünen Partei mit dem Unterstützernetzwerk von Daniel Cohn-Bendit, José Bové und Eva Joly entstand. Diese Formation mit etwa 10.000 Mitgliedern wollte im Juni ihren Kandidaten in einer Urabstimmung wählen.Offene Fragen Nachdem es bei den Präsidentschaftsvoten 2002 und 2007 unter den Grünen jedes Mal zu Querelen und konkurrierenden Kandidaturen kam (2002: Noël Mamère und Corinne Lepage; 2007: Dominique Voynet und José Bové), sollte für 2012 Streit vermieden werden. Eva Joly, die rigorose Untersuchungsrichterin im französisch-deutschen Schmiergeldprozess um Elf-Aquitaine-Leuna, galt als Favoritin und muss jetzt damit rechnen, dass Hulot wenig Lust verspürt, an einer Urabstimmung teilzunehmen. Das könnte einen Nader-Effekt bewirken. Hier Hulot als moderat linksliberale Galionsfigur – dort Eva Joly, die zur Parteilinken zählt. Grüne Wahlstrategen mit einem Sinn fürs Kalkül trauen Hulot zu, dass er den Sozialisten und Sarkozy mehr Stimmen abnimmt als die Richterin Joly. Als telegener Typ könnte er unentschiedene Wähler für sich gewinnen. Ausgerechnet in dieser Situation verließ Anfang der Woche Jean-Louis Borloo, der ehemalige Umweltminister von der bürgerlichen Splitterpartei der Radikalen, das Lager des Präsidenten und schwächte dessen „Familie“ ebenso wie zuvor schon Dominique de Villepin, der mit seiner République Solidaire im Rücken zur Wahl antritt. Ob das Duo Borloo Villepin Sarkozy II verhindert oder Hulot einen Erfolg der Sozialisten? Offene Fragen.