Das bayerische Innenministerium macht mobil gegen Linksextremisten: Mit einem neuen Internetportal zieht der Freistaat seit dieser Woche gegen linksextremistische Bestrebungen zu Felde. Die Seite „Bayern gegen Linksextremismus“ solle über autonome Gruppierungen aufklären und Hilfestellungen etwa für Eltern bieten, erklärte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei der Vorstellung der Plattform.
Die Plattform ist von der Struktur her genau so aufgebaut wie die vor zwei Jahren gestartete Website „Bayern gegen Rechtsextremismus“ – ebenfalls vom Innenministerium. "Insgesamt wurden 372 linksextremistisch motivierte Straftaten registriert“, heißt es in der Straftatenstatistik der Linksextremismus-Seite. Namentlich genannt werden Organisationen wie die Linkspartei, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA), das Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus oder die „Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e.V. (a.i.d.a.)“.
"Verharmlosung faschistischer Bewegungen"
Inhaltlich ist die Seite weitgehend eine Kopie des bayerischen Verfassungsschutzberichtes, ergänzt durch pädagogische Hinweise. Für Eltern, deren Kinder in die "linksextremistische Szene" geraten, wird als „Erste Hilfe“ das Landesamt für Verfassungsschutz empfohlen. Unklar ist, ob Kinder dort auch ihre Eltern, wenn diese die Linkspartei wählen, melden können.
Das Portal gerät mittlerweile zunehmend in die Kritik. „Ganz offensichtlich versucht das Innenministerium, zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechtsextremismus zu diffamieren und schreckt hierbei auch nicht vor einer Gleichsetzung von Rechts- mit einem vermeintlich virulenten Linksextremismus zurück“, sagt der bayerische Juso-Landesvorsitzende Philipp Dees. Der Kreisvorsitzende der Linkspartei in Coburg, René Hähnlein warnte angesichts dieser Gleichstellung: „Die Bayrische Staatsregierung und die CSU schlagen damit einen gefährlichen Weg ein. Die ständige Kriminalisierung und Diskreditierung antifaschistischer Organisationen und Parteien führt zu einer weiteren Verharmlosung faschistischer und neonazistischer Bewegungen.“ So stünden den angeführten 372 motivierten Straftaten von links immerhin 1.455 rechtsextremistische Delikte gegenüber.
Kapitalismuskritik ist vom Grundgesetz gedeckt
Susanna Tausendfreund, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, kritisierte in einem Zeitungsinterview, in dem Portal werde vor Gruppen gewarnt, nur weil sie Kritik am bestehenden Regierungssystem äußerten, zudem würden Teilnehmer von Demonstrationen gegen rechte Aufmärsche per se zu Linksextremisten erklärt. Auch Juso-Vorsitzender Dees kritisierte die ideologische Ausrichtung der Plattform: „Das Portal ‚Bayern gegen Linksextremismus’ versucht jede Organisation, die das bestehende Wirtschaftssystem oder aktuelle politische Entwicklungen in Deutschland in Frage stellt, als potentiell gewalttätig darzustellen.“ Der Verfassungsschutz werde so als „Propaganda-Instrument der CSU“ missbraucht. Dees: „Vielleicht muss Innenminister Herrmann daran erinnert werden, dass Kritik am Kapitalismus von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung abgedeckt ist.“
Wer als extremistisch gilt und wer nicht, definierten Innenministerium und Verfassungsschutz, kritisieren die "Nordbayerischen Bündnisse gegen Rechts". "Eine gesellschaftliche Debatte über diese Definition findet kaum statt.“ In einem Flugblatt zur Extremismusdebatte zitieren sie den Sozialwissenschaftler Christoph Butterwegge: „Nichts hat den Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt bisher mehr behindert als die reflexartige Gleichsetzung von Nationalsozialismus und Kommunismus in der Weimarer Republik, Hitlerfaschismus und Stalinismus im Kalten Krieg sowie Rechts- und Linksextremismus bzw. -populismus oder Fundamentalismen aller Art heute.“