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Politik : Oberlehrer und Projektitis bringen nichts

In Mecklenburg-Vorpommern überlegt nicht nur der Landtag, wie sich künftige NPD-Erfolge verhindern lassen. Geldstrafen für Provokationen wird es dort nicht geben

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Was die NPD angeht, brachte die erste Sitzung des Schweriner Landtags nach der Wahl nichts Neues: Frontmann Udo Pastörs pöbelte, erhielt drei Ordnungsrufe, die Landtagspräsidentin schaltete sein Mikrofon ab. So altbekannt solche kalkulierte Provokation der Rechten sind, so üblich reagierten die vier anderen Fraktionen: In einer „Schweriner Erklärung“ vereinbarten sie, NPD-Initiativen grundsätzlich und geschlossen abzulehnen. Und so wird sich die NPD nach ihrem Wiedereinzug in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern weiter als „einzig wahre Opposition im Kampf gegen die vier Blockparteien“ gerieren. Eine ursprünglich auf die Rechtsradikalen abzielende Idee, Bußgelder für Ordnungsrufe einzuführen, wurde wieder verworfen. „Wir würden damit auf das Recht verzichten, einen störenden Abgeordneten von Sitzungen auszuschließen“, sagt der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion Heiner Müller. Geldstrafen und Recht auf Rauswurf seien nicht gleichzeitig möglich.

Etabliert hat sich die NPD im Nordosten weniger durch Parlamentsarbeit als durch die Präsenz in ländlichen Regionen. Viel war nach den Wahlen Anfang September über Orte wie Koblentz zu lesen, wo die NPD ein Drittel der Zweitstimmen holte. Oder über Anklam, wo Gymnasiasten den Ausländeranteil auf 30 Prozent schätzen, obwohl er bei nicht einmal zwei Prozent liegt, wie Ingmar Dette vom dortigen Regionalzentrum für demokratische Kultur sagt. „Die Veralltäglichung von extremen Strukturen lässt auch bei denen die Fantasien ins Kraut schießen, die selbst gar nicht in diesen Strukturen stecken.“

Die Regionalzentren arbeiten schon länger gegen die Verankerung der Nazis, gehen in Schulen und unterstützen Dorfgemeinschaften. Braucht Mecklenburg-Vorpommern nun, da es für die NPD wieder gereicht hat, noch mehr Geld für noch mehr Demokratie- Projekte? Nein, sagt Dette. „Eine Projektitis ist keine Lösung. Es muss um die Leute gehen, die nicht nur Wahl gegangen sind.“ Das ist die Hälfte der Wahlberechtigten. Auch die NPD holte 20.000 Stimmen weniger als 2006. Die Menschen bräuchten zudem Ansprechpartner auf Augenhöhe. „Keine Oberlehrer, die eingeflogen werden und sagen: Ihr dürft nicht NPD wählen.“

Grüne wollen präsenter sein

Die Grünen werden diesem Rat aufmerksam zuhören. Denn den ländlichen Raum kennen die meisten ihrer Abgeordneten höchstens vom Wochenendausflug – nur eine in der neu in den Landtag eingezogenen Fraktion kommt vom Land. Die Wahlkreise der anderen sechs Grünen liegen in den Städten des Nordostens. Für „die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus im ländlichen Raum“ haben die Grünen nun allerdings versprochen, Mittel einzusetzen, die ihre Fraktion dank eines bei der Nachwahl auf Rügen hinzugewonnenen Mandats erhält. Grünen-Fraktionschef Jürgen Suhr hat angekündigt, einen Teil des zusätzlichen Geldes in Standorte auf dem Land zu stecken. „Zwar wird keiner sein Wahlverhalten ändern, weil jetzt ein Grünen-Mobil auf dem Marktplatz steht“, sagt Suhr. „Aber wir werden präsenter sein über Parteigrenzen hinweg mit kommunalen Mandatsträgern zusammenarbeiten.“

Direkt bei sich zu Hause kann das nur die Grüne Jutta Gerkan in ihrem Wahlkreis Mecklenburgische Seenplatte tun; dort stehen die Vorzeichen gut. Kreistagsabgeordnete aller Parteien haben bereits vor der ersten Sitzung diskutiert, wie sie mit der NPD-Fraktion umgehen wollen: mit offensiver Einbeziehung in die Ausschussarbeit, dort also, wo es um Verkehrsplanung und Veterinärwesen geht. Das werde die hohlen Phrasen der Rechten entblößen, so das Kalkül.Befassen müssen sich nun ohnehin ausnahmslos alle Kommunalpolitiker im Land mit der NPD: In allen sechs Kreistagen sitzen die Rechtsradikalen mit mindestens drei Vertretern, 23 Sitze hat die Partei insgesamt bei den Kommunalwahlen gewonnen. In Südvorpommern stellen die Grünen im Kommunalparlament vier, die NPD sechs Abgeordnete. Im Landtag ist es umgekehrt, da liegen die Grünen mit zwei Mandaten vor der NPD. Die Sitzordnung, nach der die Grünen statt der CDU neben den Neonazis sitzen sollen, galt Suhr und seinen Parteifreunden als „Provokation“. Doch Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider von der SPD behielt das letzte Wort. Kein guter Start, meint man bei den Grünen: „Statt unseren Sachargumenten zu folgen“, sagt Suhr, „wollte die Präsidentin sich die CDU-Stimmen für ihre Wahl sichern.“

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