Arbeitnehmer dürfen nicht wegen ihres Geschlechts, ihrer Herkunft oder ihres Alters diskriminiert werden. Doch abgewiesene Bewerber können das oft schwer nachweisen
Arbeitnehmer dürfen nicht wegen ihres Geschlechts, ihrer Herkunft oder ihres Alters diskriminiert werden. Trotzdem scheitern vor allem Frauen und Migranten oft schon im Bewerbungsverfahren.
Gleich zwei entscheidende Urteile fielen jetzt zum Anti-Diskriminierungsrecht. Der Bundesgerichtshof hat gestern entschieden, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz auch auf Führungskräfte anzuwenden ist. Der Kläger, ein Kölner Klinikchef , kann nun Entschädigung verlangen, weil sein Vertrag aufgrund seines Alters 2009 nicht verlängert worden war.
Der Europäische Gerichtshof wiederum hatte sich vergangene Woche mit Diskriminierungen im Bewerbungsverfahren auseinanderzusetzen. Hier sind Benachteiligungen oft besonders schwer nachzuweisen. Im konkreten Fall ging
kreten Fall ging es um die Systemtechnik-Ingenieurin Galina Meister, inzwischen fünfzig Jahre alt und in Russland geboren. Im Herbst 2006 bewarb sie sich auf eine Stelle als Softwareentwicklerin bei einem Unternehmen. Meister war überzeugt, dass sie alle Anforderungen erfüllte, zum Vorstellungsgespräch wurde sie trotzdem nicht eingeladen. Die Stellenanzeige stand kurz darauf wieder im Internet, mit dem gleichen Inhalt. Meister bewarb sich erneut, wieder wurde sie abgelehnt, wieder ohne Angabe von Gründen. Sie hakte nach, wollte wissen, wie die Entscheidung zustande kam, erhielt aber keine Antwort. Tatsächlich hat sie keinen Anspruch auf eine Auskunft der Personalabteilung. Arbeitgeber müssen erfolglosen Bewerbern nicht mitteilen, warum sie nicht eingestellt wurden.Grundsätzlich bestimmt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), dass Arbeitgeber Bewerber nicht wegen ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, ihres Alters oder aufgrund von Behinderung, sexueller Orientierung oder Religionszugehörigkeit benachteiligen dürfen. Zwar hat niemand einen Anspruch darauf, eingestellt zu werden. Wer aber ungerechtfertigt benachteiligt wurde, kann eine Entschädigung verlangen. Meister entschied sich deshalb zu klagen. Der Haken: Dafür braucht sie handfeste Indizien, die bloße Vermutung einer Diskriminierung reicht nicht aus.Was aber ist ein Indiz für eine Diskriminierung? Dass eine qualifizierte Bewerberin gar nicht erst eingeladen wird? Dass der Arbeitgeber ihr nicht erklärt, warum? Reicht beides nicht, befanden das Arbeits- und das Landesarbeitsgericht. Dann aber lässt sich eine Diskriminierung generell nicht nachweisen, solange der Arbeitgeber sich nicht freiwillig äußert. Das Bundesarbeitsgericht legte die Frage deshalb dem Europäischen Gerichtshof vor, der zu entscheiden hatte, ob sich ein Auskunftsanspruch für erfolglose Bewerber möglicherweise aus dem Europarecht ergibt. Der Gerichtshof hat dies verneint, den deutschen Gerichten aber zumindest einen deutlichen Fingerzeig mitgegeben: Wenn der Arbeitgeber jeden Zugang zu Informationen verweigert, könne das durchaus ein Hinweis auf eine Diskriminierung sein. Es bleibt allerdings den deutschen Gerichten überlassen, das im Einzelfall zu beurteilen.Für abgelehnte Bewerberinnen wie Galina Meister dürfte es damit weiterhin schwierig sein, eine Diskriminierung nachzuweisen. Die von Arbeitgebern befürchtete Klagewelle nach der Einführung des AGG ist jedenfalls ausgeblieben. Ist das Gesetz ein stumpfes Schwert? Zumindest "Nachbesserungsbedarf" sieht Henning von Bargen, der sich am Gunda-Werner-Institut der Heinrich-Böll-Stiftung mit Geschlechterdemokratie befasst. Ein Auskunftsanspruch könne die Position von Diskriminierungsopfern stärken, ein Verbandsklagerecht den Antidiskriminierungsverbänden ermöglichen, selbst Verfahren anzustrengen. Er ist überzeugt, dass sich die Strukturen in Unternehmen nur ändern, wenn sie dazu gezwungen werden: "Institutionen haben die Tendenz homogen zu bleiben und zu werden. Dem muss man gezielt entgegen wirken".In Deutschland haben es Bewerberinnen wie Galina Meister zudem besonders schwer. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern ist es hier nach wie vor üblich, sich mit Angabe sämtlicher persönlicher Daten und Foto zu bewerben. Damit entscheiden nicht nur die Qualifikationen, sondern auch Faktoren wie Geschlecht, Alter, Hautfarbe und Name über das Weiterkommen. Um das zu ändern, hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes im letzten Jahr ein Pilotprojekt zu anonymisierten Bewerbungen durchgeführt. Fünf große Unternehmen und drei öffentliche Arbeitgeber testeten probeweise anonymisierte Bewerbungsverfahren, dafür wurden standardisierte Bewerbungsformulare verwendet oder es wurden persönliche Angaben geschwärzt.Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, Christine Lüders, stellte nun die Ergebnisse vor und wertete sie als Erfolg. Vor allem junge Frauen und Bewerber mit Migrationshintergrund seien deutlich häufiger zu Bewerbungsgesprächen eingeladen worden. Das Projekt setzt darauf, dass die Bewerber in der ersten Runde die entscheidende Hürde überspringen und Personalchefs im persönlichen Gespräch Vorurteile abbauen. Von Bargen ist da skeptisch: "Da kann ich mich zwar persönlich präsentieren, aber bei Vorgesetzten, die Vorurteile haben, bekomme ich trotzdem keine Chance". Um Diskriminierung zu verhindern, müsse man vor allem die Strukturen in Unternehmen ändern. "Ohne Quote geht das gar nicht", betont er.Eines hat das Pilotprojekt jedenfalls gezeigt: Offenbar scheitern gerade Frauen und Migranten häufig bereits in der ersten Bewerbungsrunde, und zwar allein auf Grund ihres Geschlechts oder ihrer Herkunft. Ob es sich im Fall von Galina Meister um eine Diskriminierung gehandelt hat, muss nun das Bundesarbeitsgericht unter neuen Vorzeichen aufklären.