Wer hätte das gedacht – so schnell halbiert sich die Kinderarmut. Jedenfalls statistisch. Das Berliner Wirtschaftsforschungsinstitut DIW hat seine Angaben über die Zahl armer Kinder korrigieren müssen: Statt 16 sind es jetzt nur noch 8 Prozent der Kinder, die in Deutschland in Armut aufwachsen. Das sind zwar 8 Prozent zu viel, gewiss aber ist der Wert nicht mehr weit über dem Schnitt der OECD-Vergleichsstaaten, sondern erkennbar darunter.
Dieser Vorgang ist mehr als eine bloße Datenpanne irgendeines Wirtschaftsinstituts. Mit der Kinderarmutszahl wird seit mehreren Jahren Politik gemacht, und das DIW mit seiner umfänglichen Datensammlung genießt Glaubwürdigkeit im gesamten Meinungsspektrum. Wenn das DIW etwa die Armutsberichterstattung der Bundesregierung von links angreift, ist dies auch für Journalisten bedeutsam, die Ministerin Ursula von der Leyen sonst nahestehen. Muss das DIW zugeben, dass es jahrelang unzulängliche Zahlen produziert hat, ist das nicht nur für das Haus selbst eine Katastrophe. Die Peinlichkeit weitet sich auf alle aus, die mit Schwarz-Rot und mit Schwarz-Gelb unter Berufung auf DIW-Zahlen streng ins Gericht gegangen sind.
Dabei sind die Statistiken so unendlich wichtig. Wer meint, er brauche keiner Statistik zu glauben, die er nicht selbst gefälscht habe, darf dies am Küchentisch gern weiter erzählen. Er bekundet damit aber bloß sein Desinteresse an Sozial- und Umverteilungspolitik. Diese findet unter den Bedingungen guter Zahlen, wahrhaftiger Zahlen, sich verändernder Zahlen statt.
In diesem letzten Punkt aber steckt das besondere Skandalon. Denn wie groß die Kinderarmut ist, darüber variieren die Angaben ohnehin stark – je nachdem, ob man als „Armut“ 50 oder 60 Prozent vom mittleren Einkommen bezeichnet, ob als „Kinder“ alle Unter-15- oder alle Unter-18-Jährigen gelten, und so weiter. Alle Statistiken aber haben von 2005 bis 2009 einen beträchtlichen Anstieg der Kinderarmut gemessen – um ein Viertel bis ein Drittel.
Das ist einer der schlagendsten Indikatoren dafür, dass die Sozialpolitik der vergangenen Jahre gescheitert ist – ganz unabhängig davon, wer sich da im DIW verrechnet hat.