Offenbar müssen inzwischen nicht nur Juristen den feinen Unterschied zwischen Besitz und Eigentum kennen, sondern jeder Käufer im Elektromarkt. Geht es nach dem Willen der Elektronik-Industrie drohen kritischen Kunden nämlich sonst schnell eine Hausdurchsuchung und ein teures Gerichtsverfahren.
Doch von Anfang an. Wenn ich ein Mobiltelefon oder eine Spielkonsole kaufe, gehört sie mir. Ich besitze sie und bin ihr Eigentümer – könnte man glauben. Was dem Laien klar erscheint, regeln die Gesetze aber alles andere als eindeutig. Und so hat der Sony-Konzern jüngst einen deutschen Elektrobastler verklagt, der seine Playstation aufgeschraubt und umprogrammiert hat. Das könnte weit reichende Folgen haben: Sollten die Richter die Gesetze zu Gunsten
zu Gunsten von Sony auslegen, müssten auch all jene Strafen fürchten, die Datenskandale wie jüngst bei Apples iPhone, Googles Android-Handys oder Facebook aufdecken.Es gibt kaum ein elektronisches Gerät mehr, bei dem die Frage nach Besitz und Eigentum für den Verbraucher keine Rolle spielt. Denn neben Gehäuse, Mikrochips und Kabeln – der Hardware – enthalten sie auch immer Programme – Software –, die das Gerät steuern. Rein juristisch gesehen werde ich an der Kasse zwar Eigentümer des Gerätes, nicht jedoch der Software. Ich erwerbe lediglich Nutzungsrechte, die mir der Hersteller zugesteht. Diese juristische Feinheit wird dann kniffelig, wenn ich mir genauer anschauen möchte, wie das Gerät funktioniert.Angriff nach AnzeigeDazu muss ich einerseits das Gerät aufschrauben, andererseits aber auch die Software analysieren. Ich muss sie mir quasi „unter dem Mikroskop“ anschauen, der Fachbegriff dafür ist „Reverse Engineering“. In Deutschland ist Reverse Engineering nur in sehr engen Grenzen erlaubt. Spätestens aber wenn ein Bastler anderen Leuten mitteilt, was er entdeckt hat, sehen viele Hersteller ihre Geschäftsgeheimnisse verletzt und greifen zu juristischen Mitteln. Meist werden das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und das Urheberrecht herangezogen, um gegen den Bastler vorzugehen.Wie wichtig es aber ist, elektronische Geräte im Detail zu analysieren und auch öffentlich darüber zu berichten, zeigt der jüngst bekannt gewordene Fall des iPhones. Das Handy speichert über viele Monate hinweg Kennungen von Funknetzen, die eine Rückverfolgung des Nutzers möglich machen. Hier waren es gerade solche Bastler, die auf diesen Umstand aufmerksam gemacht haben. Apple selbst hatte nicht bemerkt, dass die Datensammlung auf dem Gerät kontinuierlich anwächst und verkündete, die Aufzeichnung der Daten sei ein Programmierfehler gewesen.Ginge es nach dem Unternehmen, hat der gemeine iPhone-Nutzer am Betriebssystem des Geräts gar nichts zu schaffen. Wer das trotzdem möchte, muss den Sicherheitsmechanismus des Telefons aushebeln, um vollen Zugriff zu bekommen. Nur mittels dieses so genannten „Jail-Breaks“ war es möglich, in die Tiefen des Gerätes vorzudringen und den Positionsdatenspeicher aufzudecken.Vorgeblich hält Apple das Betriebssystem vom Nutzer weg, damit er keine grundlegenden Funktionen im Telefon verändern und es somit unter Umständen funktionsunfähig machen kann. Allerdings ermöglicht ein direkter Betriebssystemzugriff auch, das Geschäftsmodell von Apple zu unterwandern: Ein solches Telefon kann Software aus anderen Quellen als Apples iTunes-Store laden und Nutzer könnten Handyanwendungen untereinander tauschen, ohne sie jedes Mal neu zu bezahlen. Apple würde auch nicht mehr 30 Prozent am Umsatz verdienen, die jede App einbringt.Ein anderes Beispiel: Sony ist ins Visier der Gruppe „Anonymous“ geraten, jenem diffusen, lockeren Zusammenschluss von Internetaktivisten, die gemeinsam Sitzblockaden vor den Servern von Firmen abhalten, denen sie unfaires Verhalten vorwerfen. Sony traf es, weil sie gegen Bastler juristisch vorging, die Informationen darüber veröffentlichten, wie man eine Funktion der Playstation 3 wieder aktiviert, die Sony im Rahmen eines Updates deaktiviert hatte. Diese Funktion OtherOS erlaubte es den Nutzern, alternative Betriebssystem wie zum Beispiel Linux auf der Playstation zu installieren, um dann eigene Software für das Gerät zu entwickeln – was für viele Menschen durchaus interessant ist: Des leistungsfähigen Prozessors wegen ist die Playstation quasi ein Supercomputer zum Schnäppchenpreis.Hoheit über die HosentascheEiner der Bastler, in der Szene bekannt unter dem Pseudonym Graf Chokolo, veröffentlichte im Dezember 2010 eine Anleitung, wie man die OtherOS-Funktion wieder herstellt. Damit brachte er die Rechtsabteilung von Sony auf den Plan, die eine Hausdurchsuchung und ein absehbar teures Gerichtsverfahren anstrengte. Sony wirft dem Bastler vor, Geschäftsgeheimnisse ausspioniert und veröffentlicht zu haben. Die Erkenntnisse von Graf Chokolo machen es nämlich auch möglich, nicht-originale Spiele-DVDs auf dem Gerät zu starten.Sony fürchtet nun eine Schwemme von Raubkopien, da mit der Anleitung auch der Kopierschutz-Mechanismus der Playstation ausgehebelt werden kann. Laut Graf Chokolo geht es ihm aber nicht darum – er möchte nur die Funktion wieder auf seiner Box haben, die Sony ihm durch das Update genommen hat. Der Hersteller kalkuliert jedoch anders: Ähnlich wie bei Tintenstrahldruckern werden Spielekonsolen in der Regel zu einem nicht kostendeckenden Preis verkauft – man hofft, den Gewinn über die Druckerpatronen, respektive die verkauften Spiele reinzuholen.Beide Beispiele zeigen, dass es unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, wer die Hoheit über ein Gerät haben darf, das bei mir im Wohnzimmer steht oder in der Hosentasche steckt. Die Hersteller möchten ihr Geschäftsmodell sichern, die Kunden aber haben ihre Geräte bezahlt und müssen damit auch beanspruchen dürfen, zumindest genau zu verstehen, was darin vor sich geht. Es ist kein Skandal, wenn ein Kunde mit seinem Gerät das machen will, was damit möglich ist – und nicht nur das, was ein Hersteller sich wünscht.Die Hackervereinigung Chaos Computer Club hat angekündigt, Graf Chokolo beim Rechtsstreit gegen Sony zu unterstützen. Auch wenn die Aktionen von Anonymous Sony kaum umstimmen werden, konnten sie immerhin etwas Aufmerksamkeit auf den Konflikt Kunde versus Hersteller lenken. Denn wenn sich Firmen mit ihrer Auffassung vor den Gerichten durchsetzen, dass jede Detailanalyse eines elektronischen Gerätes gleich auch eine Verletzung von Geschäftsgeheimnissen ist, werden sich die Nutzer zukünftig an böse Überraschungen gewöhnen müssen: Die Geräte führen ein Eigenleben und niemand außer dem Hersteller wird erfahren, was genau sie tun. Im Interesse der Verbraucher und des Datenschutzes jedenfalls wären bastler-freundliche Gesetze oder zumindest eine solche Rechtspraxis wünschenswert.