Ist „jeder seines Glückes Schmied“, wie es Liberal-Konservative gern behaupten? In Deutschland besitzt laut Oxfam das reichste Prozent der Bevölkerung 41,1 Prozent des Finanzvermögens. Laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) haben wiederum 40 Prozent gar nichts. Strengen sich gewöhnliche Menschen also nicht genug an? Nein. Eine Studienanfängerquote von 56 Prozent zeigt die Aufstiegsbemühungen. Aber was macht die Mehrheit dann falsch? Sind sie am Ende halt doch nicht so helle wie die da oben?
So denken diese sich das, und das wiederholt ihr Polit-Personal, wenn es Verteilungsfragen als Neiddebatte stigmatisiert. Doch die Daten sehen anders aus: Eine Studie anhand von 59.000 Männern auf Basis der schwedischen Wehrpflichtunters
ichtuntersuchung besagt etwa das Gegenteil: Jenes oberste Prozent schneidet bei den kognitiven Fähigkeiten messbar schlechter ab als die Einkommensschichten direkt darunter. Das besondere Talent der Topverdiener scheint also darin zu bestehen, kluge Leute für sich arbeiten zu lassen.Wie aber kommen sie in die Position, die ihnen das erlaubt? Die Ökonomen der italienischen Zentralbank haben herausgefunden, dass etwa in Florenz – der klassischen Kaufmanns- und Bankenstadt der Frühneuzeit – seit sechs Jahrhunderten dieselben Familien die Wirtschaftselite bilden, trotz Weltkriegen, Revolutionen und Umverteilungspolitik. Bessere Ausbildung, bessere Netzwerke und unkomplizierter Zugang zu Startkapital sind die wahren Erfolgskriterien.Das Kind einer alleinerziehenden Krankenschwester wird es auch mit Fleiß und Arbeit kaum schaffen. Bei 75 Prozent der Hochvermögenden über 40 Jahren wuchs das Vermögen laut DIW vor allem durch Erbschaft und Schenkung. Das ist der Trick, den man im BWL-Studium nicht lernt: Donald Trump startete mit 60 Millionen von Papa. Elon Musks Eltern beuteten eine spätkoloniale Smaragdmine aus – und Jeff Bezos bekam zu seiner Garage noch eine Viertelmillion von den Eltern. Warum vergessen wir das immer wieder?Schon seit dem Mittelalter ist Reichtum dynastisch. Großbetriebe geraten in die Hände von Menschen mit der richtigen Geburtsurkunde. Ebenso zeitlos ist die Erkenntnis, dass leistungsloser Reichtum zu Entmenschlichung führt: Im „Monopoly-Experiment“ ließ der Sozialpsychologe Paul Piff Menschen mit unterschiedlichem Startkapital gegeneinander spielen. Für den Sieg waren Fähigkeit, Talent oder auch Glück irrelevant. Ihre Privilegien hatten die bevorteilten Spieler schnell vergessen. Laut Piff nimmt mit dem Reichtum das Mitgefühl ab, stattdessen wachsen Gier und Boshaftigkeit – jüngst live aufgeführt im berühmt-berüchtigten Sylt-Video.Nichts an all dem ist „verdient“, doch der Schaden trifft uns alle. Laut Oxfam ist ein Milliardär so klimaschädlich wie eine Million Durchschnittsmenschen. Hierzulande leben laut Manager Magazin 236 Milliardäre – rechnen Sie selbst! Die Ungleichheitsforscher Richard Wilkinson und Kate Pickett weisen empirisch nach, dass Probleme wie Kriminalität, Drogenkonsum und Teenager-Schwangerschaften zunehmen, wenn sich die Arm-Reich-Schere weitet. Egal, wie wohlhabend eine Gesellschaft insgesamt ist.Nicht der Wunsch nach Gerechtigkeit mobilisiert die niederen Instinkte, sondern dieser Neofeudalismus. Seine Verteidiger führen die wahre Neiddebatte – meist gegen die, die noch weniger haben. Nicht immer machen sich die Profiteure selbst die Hände schmutzig. Aber sie fördern und feiern es, wenn die Mitte nach unten tritt.Der Rohstoff dabei ist häufig der Frust. Nach Enttäuschungen sucht man sich leichtere Gegner: Kommt man an den nicht heran, der sich die Hälfte vom Kuchen nimmt, gönnt man den Nebenleuten ihr Stückchen nicht mehr. Auf steckengebliebene, abgewürgte, korrumpierte oder niedergeschlagene Revolutionen folgt oft eine rechte Welle – das steckt im Wort „reaktionär“ ja schon drin. Beispiele muss man heute nicht lange suchen. Aber es hilft nichts. Wir müssen von vorne anfangen. Wir müssen neu lernen, nach oben zu treten.Denn darin wartet ein Glück, dessen Schmiede wir tatsächlich selbst werden könnten.