House of the Dragon: Frauen trauern, Männer führen Krieg

Serie Es ist bemerkenswert, wie ausnahmslos von Männerhand getrieben die Gewaltspirale diesmal gezeichnet wird. Warum sind die Frauen in „House of the Dragon 2“ so passiv?
Ausgabe 26/2024
Emma D’Arcy spielt Königin Rhaenyra Targaryen
Emma D’Arcy spielt Königin Rhaenyra Targaryen

Foto: Landmark Media/Imago

Grün und schwarz leuchtet es auf den Plakaten zur zweiten Staffel von House of the Dragon, der Prequel-Serie zu HBOs Serienepos Game of Thrones. Auf der schwarzen Seite steht Rhaenyra (Emma D’Arcy), Tochter und Erbin von Viserys Targaryen, bis zu seinem Tod „König der sieben Reiche“ von Westeros. Den Titel hat ihr Viserys’ Witwe Alicent (Olivia Cooke), auf der grünen Seite, streitig gemacht, indem sie ihren eigenen Sohn Aegon nach Viserys’ Ableben flugs auf den „eisernen Thron“ gesetzt hat. Als erbitterte Widersacherinnen blicken sie sich nun auf den Werbebannern entgegen. Doch im Gegensatz zu dem, was dieser demonstrative Machtwille zweier Frauen zu versprechen scheint, präsentiert die neue Staffel die Heldinnen in eigentümlich passiver und, fast möchte man sagen, traditionell weiblicher Manier.

Zugegeben, es ist eine bedrückende Situation, in der sich Alicent und Rhaenyra zu Beginn befinden: Die erste Staffel endete mit dem Tod von Rhaenyras zweitältestem Sohn Lucerys. Er starb in einem Drachenduell mit Alicents zweitem Sohn Aemond. Dieser Tod, eher ein Unfall denn Aemonds Absicht, hat auch Alicent bestürzt, die zwar am Herrschaftsanspruch ihres Sohnes Aegon festhält, aber dennoch Briefe an Rhaenyra schreibt und eine Kerze für deren toten Sohn anzündet.

Bewegend könnte man das finden, doch angesichts des geradezu blindwütigen Aktionismus der Männer von House of the Dragon wirkt die Zurückhaltung der Frauen inmitten der sich abzeichnenden Kriegssituation fast unangemessen. So muss Alicent sich von ihrem Vater Otto, dem langjährigen Königsberater, belehren lassen, dass der Weg zum Sieg ein gewaltsamer sein wird. „Aber er muss deswegen nicht unmoralisch sein“, antwortet sie, als wäre sie ein Neuankömmling in dieser Welt, die man als Zuschauer ja auch nie anders erlebt hat als auf Blutvergießen und Niedertracht erbaut. Alicents Versuche, auf ihre machtbesoffenen Söhne einzuwirken, sind so vergebens wie auf der anderen Seite Rhaenyras Hoffnung darauf, dass ihr Ehemann (und Onkel) Daemon (Matt Smith) ihr tatsächlich zuhört: Als sie ihrem königlichen Rat mitteilt, dass sie Aemond zur Rechenschaft ziehen will, fühlt Daemon sich in seinem eigenen Vergeltungsdrang bestätigt – „Ein Sohn für einen Sohn“ – und organisiert ein Attentat, das im grausigen Mord an einem sechsjährigen Kind endet.

Alicent und Rhaenyra zwischen Betroffenheit und Überforderung erstarrt

So weit, so bestürzend. Doch es ist schon bemerkenswert, wie ausnahmslos von Männerhand getrieben die in House of the Dragon entstehende Gewaltspirale diesmal gezeichnet wird, insbesondere, wenn man an die (Anti-)Heldinnen von Game of Thrones zurückdenkt: Da gab es Arya, die eine unverhohlene Rachelust hegen durfte, da gab es die brachiale Rücksichtslosigkeit der Mystikerin Melisandre und natürlich die monströse Verschlagenheit von Cersei. All diese Figuren waren geprägt vom Zusammenspiel aus Charakterfehlern, sympathischen Eigenschaften und Handlungsimpulsen, die man auf die Zumutungen einer patriarchalen Gesellschaft zurückführen konnte. Und ganz gleich, ob man sie „Gut“ oder „Böse“ zuordnen wollte: Sie waren interessant in ihrer Komplexität. Und sie trieben durch ihre Aktionen die Handlung von Game of Thrones entscheidend voran.

Genau das aber fehlt in den neuen Folgen von House of the Dragon. Alicent und Rhaenyra wirken wie zwischen Betroffenheit und Überforderung erstarrt. Die als kühl und rational dargestellte Rhaenys (Eve Best) muss sich gar anhören, dass die gesamte Eskalation vermeidbar gewesen wäre, hätte sie „gehandelt, als sich die Gelegenheit bot“. Rhaenys war in der ersten Staffel davor zurückgeschreckt, ihren Drachen auf die versammelte Familie von Alicent zu hetzen.

Doch solche Gewaltakte würden die weißen Westen der weiblichen Figuren dieser Serie beflecken, die wohl offenbar um jeden Preis integre Sympathiefiguren bleiben müssen. Sofern sich House of the Dragon an George R. R. Martins Romanvorlage Feuer und Blut hält, wird die moralische Reinheit der Heldinnen aber kaum aufrechtzuerhalten sein. Und wer sich an die recht unvermittelt vollzogene Wandlung von Game-of-Thrones-Lichtgestalt Daenaerys Targaryen zur grausamen Kriegsverbrecherin erinnert, wird hoffen, dass der moralische Abstieg von Alicent und Rhaenyra etwas gradueller und erzählerisch eleganter vollführt wird.

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