Kartellklage gegen Ticketanbieter: Selbst DIY kostet

Musiktagebuch Schon seit längerem wird die Monopolstellung des US-Unternehmens Ticketmaster kritisiert: Dank der „dynamischen Preisgestaltung“ können Tickets für Konzerte zu horrenden Preisen verkauft werden. Dagegen gehen die „Swifties“ jetzt vor
Ausgabe 23/2024
Mit den Fans von Taylor Swift – den „Swifties“ – ist nicht zu Spaßen
Mit den Fans von Taylor Swift – den „Swifties“ – ist nicht zu Spaßen

Foto: Lisa Maree Williams/Getty Images

Bühnentechnik, Licht und Sound, vielleicht Pyrotechnik und Kostüme, Make-up, Kameras, Leinwände, Tänzer*innen, Türsteher*innen und Barpersonal, Garderobe, Sanitäranlagen, Lüftung, Strom, Catering – die Liste der Kostenpunkte für ein Konzert kann lang sein. Je größer das Publikum, je opulenter die Show, desto länger wird sie: Schon für die „Confessions Tour“ von Madonna 2006 mussten 70 Tonnen Bühnenequipment von Stadt zu Stadt transportiert werden, unter anderem mit 24 Sattelschleppern und zwei privaten Flugzeugen.

Das kostet, weswegen es prinzipiell kaum verwundert, dass hochrangige Künstler*innen für ein Ticket für ihre fulminanten Shows hohe Preise aufrufen. Und dann noch das: Ticketverkäufe – vom Drucken der Papiertickets über den Versand bis hin zum Bereitstellen von Online-Plattformen – kosten selbst Geld. Mancher Vertrieb ist mit herkömmlichen Mitteln gar nicht mehr zu stemmen: Mit 1,5 Millionen Interessent*innen rechnete der Anbieter Ticketmaster 2022 für die US-Tour von Taylor Swift. Es waren dann aber 14 Millionen. Damit war selbst das marktführende Unternehmen überfordert: Die Website brach zusammen, Millionen Fans gingen leer aus.

Wie viel kostet so ein Ticket der ersten Klasse im Pop-Business? Da fängt’s schon an: „Dynamische Preisgestaltung“ nennt sich ein System, mit dem Anbieter wie Ticketmaster die Nachfrage für ein Ticket laufend ermitteln und Preise sekundenschnell entsprechend anpassen. So ist es möglich, dass Swift-Fans 2022 berichteten, zwischen 150 und 500 Dollar für Tickets ausgegeben zu haben – für ein und dieselbe Show, teils in den gleichen Platzkategorien.

Schon seit längerem gilt Ticketmaster als potenzieller Monopolist, spätestens seitdem das US-Unternehmen 2010 mit dem Veranstalter Live Nation fusionierte und seither weltweit sowohl Ticketverkäufe als auch die Shows selbst koordiniert. Seitdem haben Fans international bekannter Stars oft keine andere Wahl, als sich in den Warteschlagen des Unternehmens für Tickets einzureihen, deren Preisgestaltung undurchsichtig ist. Hinzu kommen Skandale: Das Unternehmen soll unter anderem mit Zweitverkäufern geheime Absprachen getroffen und Hacking-Angriffe auf Wettbewerber unternommen haben.

Aber auch dieses milliardenschwere Unternehmen muss dieser Tage lernen: Mit „Swifties“, wie sich die Fans von Taylor Swift selbst nennen, ist nicht zu spaßen. Mehrere Beschwerden erreichten die US-Aufsichtsbehörden seit dem Swift-Skandal 2022, vergangenen Monat erklärte dann das US-Justizministerium, dass es eine Monopolklage gegen Live Nation eingereicht hat.

Sollte sie Erfolg haben, könnte das auch die deutsche Eventbranche unter Druck setzen. Schon länger gibt es gegen den Unterhaltungsdienstleister CTS Eventim ähnliche Vorwürfe wie gegen Ticketmaster, auch hier ermittelten die Kartellbehörden bereits. 2018 erklärte der Bundesgerichtshof die Geschäftspraxis von Eventim, Gebühren auf Tickets zu erheben, die zu Hause ausgedruckt werden, für unzulässig. Vor knapp einem Jahr griff Moderator Jan Böhmermann das undurchsichtige Gebührenmodell von Eventim in seinem ZDF Magazin Royale auf, woraufhin der Aktienkurs des Unternehmens einknickte. Zuletzt schätzten Experten den Marktanteil von Eventim bei der Ticketvermarktung auf mehr als 60 Prozent, das Unternehmen kann damit als „marktbeherrschend“ gelten.

Für 2023 vermerkte Eventim in seinem Geschäftsbericht einen Umsatz von 2,3 Milliarden Euro, das 18. Rekordjahr seit seiner Börsennotierung. Klar: Ein Konzert muss sich rechnen. Aber ein Ticketanbieter zapft kein Bier, verwahrt keine Jacken, bewegt keine Lautstärkeregler, bedient keinen Scheinwerfer. Er fährt keinen Truck, baut keine Bühne, steht auf keiner – und Musik, die macht er schon gar nicht.

Musiktagebuch

Konstantin Nowotny schreibt beim Freitag die Kolumne Musiktagebuch. Darüber hinaus schreibt er öfter über Themen rund um die Psyche und hin und wieder über Ostdeutschland.

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