„Bauhaus und Nationalsozialismus“ in Weimar: Warum kommt diese Ausstellung erst jetzt?
Mythos Hier das gute, progressive Bauhaus, dort die bösen faschistischen Umstände: Eine Ausstellung an drei Standorten in Weimar zeigt, dass es so einfach nicht war. Aufschlussreich ist unter anderem, wie viele Studierende der NSDAP beitraten
Gestaltung des Schriftzugs am Tor des Konzentrationslagers Buchenwald von Franz Ehrlich, 1938 (Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Stiftung Bauhaus Dessau)
Foto: Klassik Stiftung Weimar
Auf dem Stéphane-Hessel-Platz in Weimar, vor dem Bauhaus-Museum, steht eine würfelförmige Konstruktion. 2019 von Studierenden der Bauhaus-Universität zuerst für wechselnde Standorte konzipiert, zeichnet sie die Umrisse des Dienstzimmers des ersten Bauhaus-Direktors Walter Gropius nach. Auf einer Außenfläche dieses „Gropius-Zimmer-Pavillons“ ist in großer Schrift der Satz „das bauhaus kommt aus weimar“ zu lesen. „kommt“ ist durchgestrichen und mit dem Wort „floh“ korrigiert. Beides, dass diese für die Moderne so maßgebliche Kunstschule 1919 von Gropius in Weimar gegründet wurde und dass sie 1925 aufgrund politischen Drucks von rechts nach Dessau und schließlich aus vergleichbaren Gr
ründen 1932 nach Berlin umziehen musste, wo sie sich im folgenden Jahr selbst auflösen musste und sich ihre Ideen nachhaltig in alle Welt verstreuten, gehörte lange zur tradierten Geschichtsschreibung Das gute, progressive Bauhaus hier, die bösen faschistischen Umstände da. Wie gut hätte das Land doch aussehen können, wären da nur nicht die Nazis gewesen!Bewusst im Thüringer SuperwahljahrNun tut diese Beschriftung des 2023 auf Betreiben der Klassik Stiftung Weimar an den Platz geholten Pavillons der neuen Ausstellung, die die Stiftung dieser Tage unter anderem im von ihr betriebenen Bauhaus-Museum eröffnete, aber keinen guten Dienst, konterkariert sie geradezu eindimensional. Denn Bauhaus und Nationalsozialismus, so der Titel der ganz bewusst im Thüringer Superwahljahr eröffneten Ausstellung, die großflächig auch im Museum Neues Weimar und im Schiller-Museum gezeigt wird, hat nichts Geringes vor: Sie soll die Geschichte der Beziehung zwischen dem Bauhaus, der Politik und dem Nachleben der Institution „völlig neu“ schreiben, wie sich eine der drei Kuratorinnen, die US-amerikanische Kunsthistorikerin Elizabeth Otto, bereits in der Pressemitteilung zitieren ließ. Stiftungspräsidentin Ulrike Lorenz legte bei der Pressekonferenz noch eins drauf: Der Mythos des guten, des demokratischen Bauhauses soll mit dieser Ausstellung angekratzt werden. Das scheint allerhand zu sein – auch verglichen mit den geradezu staatstragenden Feierlichkeiten zum Bauhaus-Jubiläum 2019. Der differenzierte Blick, der 2019 zur Eröffnung der heutigen Weimarer Dauerausstellung nicht geleistet wurde, soll laut Lorenz nun nachgereicht werden.Worum geht es? In einer Fachöffentlichkeit hatten in den vergangenen Jahren Designhistoriker*innen immer wieder darauf hingewiesen, dass viele Bauhaus-Lehrende und -Studierende (vor und nach 1933) mit den Nationalsozialisten zusammengearbeitet hatten, selbst Nazis waren. Oder: Der kürzlich in Buchform veröffentlichte Briefwechsel zwischen Alma Mahler und Walter Gropius weist auch Letzteren, zumindest in seinen jungen Jahren, einmal mehr als Antisemiten aus. Oder: Die beachtliche Ausstellung 50 Jahre nach 50 Jahre Bauhaus 1968 hatte 2018 beim Württembergischen Kunstverein Stuttgart dokumentiert, wie die bruchlose Anknüpfung an das Bauhaus für die demokratische Rehabilitierung Westdeutschlands instrumentalisiert wurde. Und bereits die Ausstellung (2013 im Berliner Bauhaus-Archiv) über den Bauhaus-Schüler und späteren -Lehrer Herbert Bayer, der als Werbegrafiker nach seiner Zeit an der Kunstschule erst mit den Nazis zusammenarbeitete und sich später in den USA feiern ließ, aber auch etwa auf der documenta 1964 ausstellte, hatte keine Scheu, Bayers Wirken im Dienst der Nazipropaganda frontal zu thematisieren. Konzipiert wurde sie seinerzeit in Zusammenarbeit mit Patrick Rössler (Universität Erfurt), nun einer der Kuratoren von Bauhaus und Nationalsozialismus. Angekratzt war der Mythos des Bauhauses also schon lange, neu ist allerdings das große Format, mit dem sich die Klassik Stiftung des Themas annimmt. Insofern nimmt es nicht wunder, dass die dritte Kuratorin im Team, Anke Blümm vom Bauhaus-Museum, vermerkt, man sei bei der Vorbereitung auf die Ausstellung keineswegs auf Widerstand, sondern auf offene Ohren gestoßen. Vielmehr habe es geheißen: „Warum erst jetzt?“Neu sind allerdings die Erkenntnisse der Forschung, die der Ausstellung vorausgegangen sind und neben über 400 mit dem Bauhaus verbundenen Werken in Form von Infografiken gezeigt werden: Galten lange die Stichworte „Exil“ oder „innere Emigration“ als Wegmarken ehemaliger Lehrender und Studierender, die das Naziregime überlebt hatten (24 Angehörige des Bauhauses wurden verfolgt, kamen um oder wurden ermordet), kann nun als gesichert gelten, dass etwa von den ingesamt 1.253 Studierenden 188 (darunter 18 Frauen) in die NSDAP eintraten, 15 in die SA und 14 in die SS. Blümm und Rössler ziehen daraus im Katalog den Schluss, dass sich „ein relevanter Prozentsatz“ in einer der NS-Parteiorganisationen engagiert habe, die Ausbildung an der multinational ausgerichteten Schule „also nicht automatisch vor der Beteiligung an einem menschenverachtenden System“ geschützt habe.Der Bauhaus-Schüler Kurt Kranz war erfolgreich als „Kriegsmaler“Für den Fall des 1928 als Student ans Bauhaus gekommenen Fritz Ertl scheint diese Beschreibung geradezu untertrieben: Der Österreicher, der unter anderem beim zweiten Bauhaus-Direktor, dem Sozialisten Hannes Meyer, studiert hatte, entwarf im Oktober 1941 als SS-Rottenführer und stellvertretender Leiter der „Sonderbauleitung für die Errichtung eines Kriegsgefangenenlagers der Waffen-SS“ den ersten Lageplan für Auschwitz-Birkenau. Zu sehen ist dieser an einer Wand des Schiller-Museums, des Hauptorts der Ausstellung, der die „Lebenswege in der Diktatur“ zeigt. Neben eindeutigen Propaganda-Arbeiten etwa des 1930 als Student ans Bauhaus gekommenen Kurt Kranz, der ab 1940 als „Kriegsmaler“ überhöhende, von tradierten Bauhaus-Formalismen sehr weit entfernte Aquarelle mit Soldaten im Kampf malte, oder einem Großformatposter Herbert Bayers zur Ausstellung Deutsches Volk – Deutsche Arbeit 1934 in Berlin sind hier auch Arbeiten von Bauhaus-Angehörigen zu sehen, die Opfer des Regimes wurden: Von Alice Glaser, die 1928/29 am Bauhaus studiert hatte, wird ein Tierquartett gezeigt, das sie 1939 ihrer Tochter übergeben hatte. Im November 1941 ins Minsker Ghetto deportiert, kam die aus Chemnitz stammende Jüdin Glaser dort um. Als Leihgabe aus dem Familienbesitz ist die Arbeit nun erstmals zu sehen.Es sind auch die widersprüchlichen Dokumente, die im Schiller-Museum gezeigt werden: die bekannten Fotografien Heinrich Hoffmanns mit Adolf Hitler in einem für das Bauhaus typischen Stahlrohrstuhl (1935 auf dem Obersalzberg) – ein sich hier trotz „Kulturbolschewismus“-Vorwurf als „modern“ inszenierender Diktator. Oder ein Exemplar eines von Gropius entworfenen Ofens, der ohne Nennung des Gestalternamens in die NS-Geschmacksfibel Deutsche Warenkunde Eingang fand. Vor allem aber Objekte wie die aus der Sammlung Gedenkstätte Buchenwald entliehene, von den Nazis „Sippenwiege“ genannte Kinderwiege für Karl Otto und Ilse Koch (den Lagerkommandanten und seine Frau), entworfen vom früheren Bauhaus-Studenten Franz Ehrlich, der ab 1937 als politischer Häftling in Buchenwald als Opfer für die Täter gestalten musste, unter anderem auch das bekannte Tor des Lagers mit der Inschrift „Jedem das Seine“, das nun als Replik vor dem Museum aufgestellt ist.Was vor den „Lebenswegen in der Diktatur“ war, zeigen die beiden anderen Standorte der Ausstellung: Der erste Teil im Museum Neues Weimar zeichnet die politischen Kämpfe (auch innerhalb der Kunstschule) nach, die zu den Schließungen in Weimar, Dessau und Berlin führten. Im Bauhaus-Museum dann sind unter anderem einerseits Arbeiten von Bauhaus-Angehörigen zu sehen, die in der Ausstellung Entartete Kunst (ab 1937) gezeigt wurden, andererseits Werke gleicher Herkunft aus der Großen Deutschen Kunstausstellung (GDK, 1937 – 1944). Wenn das Bild Möwe mit Kutter des ehemaligen Bauhaus-Studenten und Sturmbannführers Heinrich Basedow nicht für die GDK ausgewählt wurde, dann wohl, weil es trotz der Linientreue seines Urhebers als zu experimentell galt. Basedow war aufs Äußerste empört, und man kann froh sein, seine Empörung über den „Erfolg“ der jetzigen Hängung nicht mit ansehen zu müssen, starb er doch 1994, als Mitläufer eingestuft.
×
Artikel verschenken
Mit einem Digital-Abo des Freitag können Sie pro Monat fünf Artikel verschenken.
Die Texte sind für die Beschenkten kostenlos.
Mehr Infos erhalten Sie
hier.
Aktuell sind Sie nicht eingeloggt.
Wenn Sie diesen Artikel verschenken wollen, müssen Sie sich entweder einloggen oder ein Digital-Abo abschließen.