Ins bieder-spießige, aber freundliche Südthüringer Milieu, wo auch schon zu DDR-Zeiten alles hübsch aufgeräumt war und die Häuser schmuck aussahen, passt dieser Typ eigentlich überhaupt nicht: Bullig und stiernackig, über und über tätowiert, darunter ein „Aryan“, also „Arier“, auf dem Hals, eher der Typ „bedrohlicher Wikinger“. Aber Tommy Frenck ist einer von hier, 1987 in Schleusingen geboren. In der unweit gelegenen Kreisstadt Hildburghausen wollte ihn jetzt bei der Kommunalwahl jeder vierte Wähler zum Landrat küren.
Von den Bürgern, die der MDR daraufhin befragte, hat ihn selbstverständlich niemand gewählt, so wie sich auch die meisten schämen, sich als AfD-Wähler zu b
die der MDR daraufhin befragte, hat ihn selbstverständlich niemand gewählt, so wie sich auch die meisten schämen, sich als AfD-Wähler zu bekennen. Man zeigt in diesem schon ins Nordfränkische übergehenden Raum seinen Frust nicht offen, sondern eher auf dem Wahlzettel. Darauf setzte in diesem Wahlkreis auch schon Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen als CDU-Kandidat im Bundestagswahlkampf 2021. Doch der Werteunion-Chef hatte keinen Erfolg. Frenck dürfte ebenso scheitern, in der Stichwahl am 9. Juni: Sven Gregor von den Freien Wählern holte im ersten Wahlgang 42,4 Prozent der Stimmen.Nicht mit Freiwilliger Feuerwehr und FußballDoch dass der Erznazi überhaupt so weit gelangen konnte, beschäftigt die Republik. Gäbe es einen abschreckenden Struwwelpeter mit Nazi-Typen, könnte Frenck als Muster herhalten. Nationalsozialistische Inhalte ziehen sich durch das gesamte Leben des heute 37-Jährigen. Schon mit Erlangung der Volljährigkeit trat der gelernte Koch der NPD bei. Seine Heimatstadt Schleusingen erklärte er zur „Frontstadt“ und „befreiten Zone“. Seine Versuche vor 15 und mehr Jahren, über die Freiwillige Feuerwehr und Fußballclubs vor Ort Fuß zu fassen, trafen damals auf die erfolgreiche Gegenwehr von Bürgermeistern und Vereinsvorsitzenden. 2009 brach der NPD-Kreisverband Hildburghausen weg, dessen Chef Frenck war. Er ging teils über ins Bündnis Zukunft Hildburghausen (BZH), für das er seit 2009 im Kreistag sitzt und zur Landratswahl antrat.Einen rechten Wallfahrtsort schuf Frenck 2014 mit dem Kauf des Gasthofs Goldener Löwe am Kloster Veßra, eines ansehnlichen zweistöckigen Fachwerkbaus. Hier verkauft er am 20. April, dem „Führergeburtstag“, Schnitzel für 8,88 Euro und schenkt „Deutsches Reichsbräu“ aus. Hier sitzt sein Versandhandel „Druck 18“, der Devotionalien wie Nazikleidung, Bettwäsche und Bücher anbietet. „88“ und „18“ sind ans Alphabet angelehnte Parolen für „Heil Hitler“ und „Adolf Hitler“. Frenck hat auch sein Kochbuch „Die 88 besten Fleischgerichte aus dem Reich“ im Angebot.Keine Klöße mehr in VeßraDie 300-Einwohner-Gemeinde Kloster Veßra hatte damals ein Vorkaufsrecht angemeldet. Eine Klage Frencks dagegen wurde im Oktober 2023 gerichtlich abgewiesen. Ob die Gemeinde das Vorkaufsrecht nun tatsächlich ausüben will, ist fraglich. Spekulationen über ein Ende des Goldenen Löwen nährten zu Pfingsten dieses Jahres „zum letzten Mal“ angebotene Kloßgerichte. Aber im nahen Brattendorf verfügt man bereits über ein zweites, über einen Strohmann erworbenes Kneipendomizil. Frenck selbst soll auch nicht mehr in Veßra wohnen, seit er Vater geworden ist.Überregional aufmerksam auf Frenck wurden Medien, Innenministerium und Verfassungsschutz vor allem durch dessen zwischen 2016 und 2018 organisierte Konzerte „Rock gegen Überfremdung“. Der AfD-Bürgermeister von Grimmelshausen, Bodo Dressel, stellte dafür seine zwischen Kloster Veßra und Themar gelegene Wiese zur Verfügung. Bis zu 6.000 Gäste aus ganz Europa kamen. 16,6 Prozent hatte Frenck bereits bei der Landratswahl 2018 erzielt.Die AfD hatte zufällig keinen Kandidaten nominiert2024 geht er mit nur 63 Stimmen Vorsprung vor dem CDU-Kandidaten in die Stichwahl, zweifelsfrei begünstigt dadurch, dass die AfD keinen eigenen Kandidaten aufgestellt hat. Die Linken-Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss bezweifelt die AfD-Legende, sie habe keine geeigneten Kandidaten gefunden, und sieht darin vielmehr einen Ausdruck wachsender Kooperation zwischen AfD und anderen Ultrarechten.Ob Frenck der geeignete Landratskandidat ist, haben sich seine Wähler wohl kaum gefragt. Im Spiegel ist nachzulesen, dass er vor mehr als 15 Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist, nachdem er eine volle Bierflasche auf dem Kopf eines Kubaners zerschlagen hatte. Zuletzt kassierte er eine Geldstrafe von 2.500 Euro wegen Volksverhetzung. Zugelassen wurde im Oktober 2023 eine Anklage wegen Betrugs bei der Umsatz- und Gewerbesteuer in, laut MDR, Höhe von 141.000 Euro.Mutter Frenck beim WahlausschussAn seiner Amtseignung hätte vor allem der fünfköpfige Wahlausschuss zweifeln müssen, als er die Kandidatur zuließ. Nach dem Thüringer Kommunalwahlgesetz ist nur wählbar, wer die Gewähr dafür bietet, „dass er jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintritt“. Daran zweifeln nicht nur Juristen. Der Verfassungsschutz bescheinigt Frencks BZH, sich zur „führenden neonazistischen Gruppierung im Landkreis Hildburghausen“ entwickelt zu haben. Laut einem Augenzeugenbericht erschien bei der öffentlichen Sitzung des Wahlausschusses Frencks Mutter, bei der er vaterlos aufwuchs, und übte eine einschüchternde Wirkung aus. Beide CDU-Mitglieder stimmten für die Zulassung.Wohin seine Reise jetzt geht, postete er am Vorabend der Wahl auf Instagram: „Auf nach Sylt“ – wo in einem Lokal gerade Naziparolen gegrölt worden waren –, und zwar auf einem Wehrmachtsmotorrad.