G7-Gipfel in Italien: Meloni hat die richtigen Leute eingeladen
Gipfeltreffen Zwei Sicherheitsabkommen und ein Kredit in Milliardenhöhe: Dieser G7-Gipfel war für die Ukraine ein voller Erfolg. Papst Franziskus über Künstliche Intelligenz philosophieren zu lassen – das war ein cleverer Einfall von Giorgia Meloni
Gastgeberin Giorgia Meloni begrüßt den britischen Premier Rishi Sunak auf dem G7-Gipfel
Foto: Christopher Furlong/ Getty Images
Eins muss der Neid ihr lassen: Giorgia Meloni hat die Chance genutzt, sich als Anführerin im Kreis der Mächtigen zu profilieren. Den G7-Gipfel in Italien hat sie clever vorbereitet, fast perfekt organisiert und mühelos dirigiert. Als einzige der anwesenden europäischen Staats- und Regierungschefs ist sie aus den Europawahlen gestärkt hervorgegangen. Anders als Richi Sunak, Emmanuel Macron, Olaf Scholz und Joe Biden braucht sie sich keine Sorgen um ihre politische Zukunft zu machen. In Italien und in Europa hat sie dank des gelungenen Gipfels an Gewicht gewonnen. Beim EU-Gipfel Anfang dieser Woche hat sich das schon bemerkbar gemacht: Auch dank dieses Gipfels genießt Meloni den Ruf, eine vernünftige Konservative zu sein, mit der man zusammenarbeiten kann.
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n.Der Ort des Treffens, im Luxusresort Borgo Egnazia, knapp eine Autostunde von Bari, der Hauptstadt Apuliens, der Region an der Ferse des italienischen Stiefels, war klug gewählt: Eine Brücke zwischen Ost und West, wo Griechen, Römer, Byzantiner, Araber, Normannen, Italiener, Deutsche, Spanier und Franzosen lebten, herrschten und handelten. Es ist eine Landschaft, die schon immer multikulturell geprägt war. Zwischen Olivenhainen, mit Meerblick bei schönstem Wetter: Da blickte selbst unser Olaf weniger verdrießlich als sonst auf die Welt. Er hatte ja auch Geburtstag und wurde gefeiert – wenn auch nur kurz.Ein voller Erfolg war der Gipfel für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Eine weitere Gelegenheit für ihn, als weltpolitischer Akteur aufzutreten. Zwei Sicherheitsabkommen mit jeweils zehnjähriger Laufzeit, eines mit den USA und eines mit Japan, dazu die Zusage der G7, der Ukraine mit einem 50 Milliarden Dollar Kredit zu helfen, haben ihm den Rücken gestärkt. Mit den USA wurden weitere militärische Unterstützung und Rüstungskooperation vereinbart, allerdings ohne den Einsatz amerikanischer Bodentruppen, mit Japan finanzielle Unterstützung für die Verteidigung und den Wiederaufbau und die Entwicklung des Landes. Tokio handelt da nicht uneigennützig: Die an Rohstoffen reiche Ukraine ist als Handelspartner vielversprechend, nicht nur für die EU.Joe Biden: Die Zukunft der Ukraine liegt in der NATODen Milliardenkredit der G7 braucht die Ukraine nicht zu verzinsen oder zurückzuzahlen, er soll mit den Zinserträgen aus den eingefrorenen Auslandsvermögen der russischen Zentralbank finanziert werden. Es geht um Reparatur der zerstörten Infrastruktur, um Wiederaufbau, aber auch um Waffen, die die Ukraine dringend benötigt, vor allem um Flugabwehr. Nachdem die EU den Beginn von formellen Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und der Republik Moldau beschlossen hat, kann Selenskyj das Sicherheitsabkommen mit den USA als weiteren Schritt zur NATO-Mitgliedschaft seines Landes darstellen. Die Zukunft der Ukraine liegt in der NATO, hat Joe Biden bestätigt.Meloni hat die richtigen Leute eingeladen, nicht alle, aber die wichtigsten. Es ist ihr gelungen, mit Indiens Premier Narendra Modi und Brasiliens Präsidenten Lula da Silva zwei weitere Schwergewichte der Weltpolitik zum Treff der G7 zu holen. Auch wenn die beiden ihre ambivalente Haltung zu Russlands Krieg offiziell nicht geändert haben: Den guten Absichten der G7 können und wollen sie sich nicht verschließen. Beide haben keinerlei Interesse daran, sich von Russland oder China in eine offene Konfrontation gegen „den Westen“ treiben zu lassen. Denn die BRICS-Staaten sind noch lange nicht imstande, der EU und der G7 ökonomisch Paroli zu bieten. Modi und Lula kennen die Interessen ihrer Länder.Zum ersten Mal stand die Migrationspolitik auf der Agenda, für Meloni ein Schlüsselthema ihrer Innen- wie Außenpolitik. Dafür brauchen sie und die EU die Nachbarländer in Afrika und im Nahen Osten. Meloni rief und sie kamen: Recep Tayyip Erdoğan, der jordanische König, der Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate, Kenias Präsident William Ruto, Tunesiens Präsident Kais Saied, der Präsident Mauretaniens als Vorsitzender der Afrikanischen Union. Illegale Migration soll härter bekämpft werden, Arm in Arm mit den neuen Partnern im Süden. Nur wer da mitspielt, kann auf weitere Entwicklungshilfe rechnen.Papst Franziskus einzuladen und ihn nicht über die Streitfragen der Weltpolitik, sondern über Künstliche Intelligenz und deren Folgen philosophieren zu lassen – noch ein cleverer Regieeinfall der Giorgia Meloni. Damit hat sie sich den Segen der Kirche für das löbliche Werk der G7 gesichert.Das steht in der Abschlusserklärung des G7-GipfelsRusslands Krieg gegen die Ukraine stand zur Debatte, aber auch der Indo-Pazifik als aktuelle Gewitterzone der Weltpolitik. Chinas Kumpanei mit Putin wurde gerügt und erneut kam die Drohung mit weiteren Sanktionen, dicht gefolgt von Warnungen vor einem eskalierenden Handelskrieg mit der EU. Solche Töne kann sich die G7 erlauben. Denn China steckt in einer Wirtschaftskrise und findet keinen raschen Ausweg. Die bereits verhängten Sanktionen haben Wirkung gezeigt, die größten chinesischen Banken haben sich mittlerweile aus dem Russlandgeschäft zurückgezogen oder sind dabei, das zu tun. Offiziell liefert China keine Waffen an Russland, den Handel mit „dual use“ Waren zu unterbinden, ist allerdings schwierig und käme einem Exportstopp für alle High-Tech-Güter gleich.China vermeidet es, auf die Androhung von Strafzöllen gegen seine E-Autoexporte mit scharfen Tönen zu antworten. Statt von Vergeltung spricht man in Beijing davon, die Klagemöglichkeiten auszuschöpfen, die die Welthandelsorganisation ihren Mitgliedern bietet. Auf der Seite der G7 ist es nicht nur Deutschland, sondern auch Japan, die für Zurückhaltung plädieren, weil sie einen offenen Handelskrieg vermeiden wollen. Denn für Japans Investitionsgüterindustrie ist China nach wie vor einer der wichtigsten Absatzmärkte.In der Abschlusserklärung dieses Gipfels hat Meloni Akzente gesetzt. Da diese Dokumente jeweils fortschreiben, was bei den vorangehenden Gipfeln beschlossen wurde, fielen die Abstriche auf, die auf das Konto der italienischen Präsidentschaft gehen. Anders als im vorigen Jahr wurde auf einige Passagen verzichte, beispielsweise auf die Bestätigung des Rechts auf Abtreibung. Stattdessen ist diesmal eher vage von Frauenrechten und Rechten für LGBTQ die Rede. Das gefällt dem Papst wie den Konservativen, Proteste gab es, aber fernab vom Tagungsort, ohne Randale und fast ohne Medienresonanz. Nur einige Hundert Demonstranten marschierten am Freitag in Bari auf, die Gipfelteilnehmer merkten nichts davon. Weltoffen und dialogbereit wollen die G7 sein. Den Dialog mit ihren Kritikern hat sie elegant vermieden.
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