Schlimmstenfalls verschmelzen die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten zu einem einzigen, dann wohl zu einem regelrechten Armageddon. Die Ultrarechten in der Regierung von Benjamin Netanjahu haben ihre Ziele offen benannt: Erst die Hamas, dann die Hisbollah, die schiitische Partei Gottes im Libanon, und schließlich deren Verbündeter, der Iran. In dieser Reihenfolge sollen die Gegner Israels militärisch „ausgeschaltet“ werden. Und Premier Netanjahu weiß nur zu gut, dass allein ein endloser Krieg ihn davor bewahrt, abgewählt und vor Gericht gestellt zu werden. Nicht allein wegen Korruption, sondern auch wegen seines Versagens, den Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 nicht verhindert zu haben – ungeachtet aller Warnungen im Vorfeld.
Warum aber st
um aber steht die Hisbollah gerade jetzt ganz oben auf der Agenda von Netanjahu? Nicht zuletzt, weil in den USA Wahlkampf ist. Präsident Joe Biden hat, ähnlich wie die Bundesregierung, den Fehler begangen, sich ohne Wenn und Aber hinter die Regierung Netanjahu zu stellen – unbeschadet der Völkermord-Klage Südafrikas, unbeschadet der mehr als 37.000 Toten im Gazastreifen, unbeschadet des drohenden Haftbefehls durch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag für den Premier und seinen Verteidigungsminister Yoav Galant. Dieser anstehende Haftbefehl hat die Republikaner im US-Kongress sogar in einer Art Trotzreaktion dazu bewogen, Netanjahu für den 24. Juli einzuladen, um eine Rede im US-Kongress zu halten.Erst nach diesem Tag dürfte Israel Libanon angreifen. Die Regierung Biden wird da kaum ihr Veto einlegen – auch deswegen nicht, weil die pro-israelischen Lobbygruppen in den USA sehr einflussreich sind. Netanjahu könnte Biden bis zum Wahltag regelrecht vor sich hertreiben. Die Verantwortlichen in Tel Aviv wissen sehr genau, dass sie weder Sanktionen noch ausbleibende Waffenlieferungen zu fürchten haben. Und sie setzen auf einen Wahlsieg Donald Trumps.Doch gelingt es der israelischen Armee auch nach neun Monaten nicht, die Hamas im Gazastreifen zu besiegen – worin auch immer ein solcher „Sieg“ bestehen mag. Militärisch gesehen ist die Hamas nicht bedeutsam. Anders die Hisbollah: Ihre schätzungsweise 150.000 ballistischen Raketen sind in der Lage, jeden Ort des südlichen Nachbarn zu erreichen. Ein Krieg gegen die Hisbollah, gegen einen Staat im Staat, bedeutet zwei zerstörte Länder: Israel und Libanon. Was aber wäre damit politisch gewonnen? Ganz zu schweigen von den noch einmal nach Zehntausenden zu rechnenden Toten.So ein Krieg würde die gesamte Region erfassen. Die NATO-Länder stünden dann direkt oder indirekt aufseiten Israels, Russland und China aufseiten Irans. Nicht ohne Grund hat Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah kürzlich Zypern mit einem Angriff gedroht, sollten von den dortigen britischen Militärbasen Kampfflugzeuge mit Ziel Libanon aufsteigen.Man muss kein Genie sein, um zu erkennen, was sich hier zusammenbraut. Doch der Westen bleibt sich treu, wie schon beim Krieg in der Ukraine: Es gibt keinerlei Diplomatie, um das Schlimmste zu verhindern. Gefragt wären jetzt Gespräche mit dem Iran, mit Moskau und Peking. Und klare Worte in Richtung Tel Aviv. Das hat Außenministerin Anna-Lena Baerbock (Grüne) bei ihrem jüngsten Besuch in Israel erneut vermieden. Diese Politik könnte uns geradewegs in den Abgrund führen.