In Südostasien hat „Grab“ die Taxibranche zerstört: Verlierer des digitalen Kapitalismus

Startup-Mentalität Grab: Die App hat in Südostasien das klassische Taxifahren ersetzt. So hat der mittlerweile an der Börse notierte Konzern im letzten Jahr fast 2,5 Milliarden Dollar umgesetzt. Doch wer sind die Verlierer dieser „Innovation“?
Ausgabe 26/2024
Fahrer:innen des Unternehmens „Grab“ haben die Taxifahrer:innen Südostasiens von den Straßen gedrängt
Fahrer:innen des Unternehmens „Grab“ haben die Taxifahrer:innen Südostasiens von den Straßen gedrängt

Foto:Manan Vatsyaynana /Getty Images

In Südostasien hat das taxilose Leben bereits begonnen. Wer zum Beispiel in Chiang Mai, Thailands zweitgrößter Stadt, von A nach B kommen möchte, sucht vergebens nach einem gelben Gefährt. Hier wird „Grab“ gefahren. Dabei handelt es sich um „Südostasiens führende Superapp“, zumindest wenn man das dahintersteckende Unternehmen fragt. Die Idee hatte ein Malaysier vor zwölf Jahren während seines Studiums an der US-amerikanischen Harvard Business School. Es müsse doch irgendwie möglich sein, dachte er, das Produktionskapital fremder Leute für sich arbeiten zu lassen. Nach dem Kolonialismus, dem Fossilkapitalismus und dem globalisierten Kapitalismus kommt jetzt also der Digitalkapitalismus. Und der ist gerade dabei, die Taxibranche komplett aus dem Markt zu verdrängen. Doch auf wessen Kosten geht das?

Grab funktioniert so: Man gibt seinen Standort preis und ein Fahrtziel an, Sekunden später bekommt man eine SMS, die das Kennzeichen des Autos, das gleich kommen wird, verrät. Nach einer Bestätigung wird der Fahrpreis via Smartphone direkt vom Konto abgebucht. Tatsächlich ist das Auto wenig später da. Kommunikation mit dem Fahrer ist unnötig (und unerwünscht), der seinen „Gast“ an der gebuchten Stelle absetzt. Die App zieht sich eine Gebühr vom Fahrer ab, die Firma Grab wird so reich, ohne selbst zu arbeiten.

Auf diese Art hat der mittlerweile an der Börse notierte Konzern 2023 fast 2,5 Milliarden Dollar umgesetzt. Grab ist unter anderem in Vietnam, Singapur, Malaysia, Kambodscha, Japan und Indonesien aktiv. Mit einem Wert von 14 Milliarden US-Dollar war der Konzern vor seinem Börsengang 2021 das wertvollste „Einhorn“ Südostasiens: Als solche werden Start-ups bezeichnet, die bereits vor ihrem Börsengang mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet werden.

Rendite ohne Eigenkapital

Andere „Einhörner“ sind beispielsweise Airbnb, Houzz, Getyourguide oder Uber: Unternehmungen, die das Prinzip des Digitalkapitalismus verstanden haben und für sich ausnutzen. Ohne selbst auch nur ein einziges Bett zu besitzen, verdient Airbnb an der Vermietung von Betten, indem fremde Leute anderen fremden Leuten ihre Wohnung über die App anbieten. Airbnb streicht dafür 3,4 Milliarden Dollar im Jahr ein. Ohne auch nur ein einziges touristisches Event zu organisieren, kassiert Getyourguide Touristen ab. Und die App Houzz macht Geld damit, dass Wohnungsbesitzer bei Innendesignern oder Handwerkern Dienste einkaufen. Auch Uber nutzt, wie Grab, die Autos fremder Leute.

Es ist die App, die das Wesen des Kapitalismus verändert hat: Mittlerweile ist das Smartphone so tief in unsere Lebensrealität eingedrungen, dass es Programmierern leicht fällt, fremde Produktionsmittel für sich arbeiten zu lassen. Natürlich wird das Hotelzimmer nicht mehr an der Rezeption gebucht, schließlich gibt es Booking.com. Den Flug kauft man nicht mehr im Reisebüro und Grab bringt dir – eine Bestellung genügt – auch Mittagessen, das von realen Köchen zubereitet wird. Die bleiben dafür allerdings real auf den Kosten sitzen: Schließlich muss auch der Taxifahrer bezahlt werden und die fette Provision an den Konzern. Wer sich der digitalen Verwertungsmaschine verweigert, ist schnell raus aus dem Geschäft.

Schon Anfang des 19. Jahrhunderts haben die Maschinenstürmer gezeigt, dass wirtschaftliche Umbrüche immer Verlierer mit sich bringen: „Verzichtet auf Grab und Uber, fahrt mit einheimischen Taxis!“, steht auf einem Schild im Hafen von Padangbai auf Bali. Dabei hat das Partyvolk, das von der Gilli-Insel kommend hier anlegt, längst online via Smartphone sein Auto geordert.

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