„Wie wichtig ist es Ihnen, das Klima zu schützen?“ Diese Frage hatte die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung im vergangenen Jahr mehr als 4.000 repräsentativ ausgesuchten Personen gestellt. Ergebnis der Umfrage: 90 Prozent halten den Klimaschutz für „wichtig“ oder „sehr wichtig“. Das Interessante an diesem Ergebnis: In der Altersgruppe „über 75 Jahre“ antworteten 47 Prozent der Befragten mit „sehr wichtig“. Von den 16- bis 25-Jährigen war Klimaschutz „nur“ 38 Prozent „sehr wichtig“.
Bei der Europawahl hat sich jetzt gezeigt, dass Klimaschutz den Wähler:innen überhaupt nicht wichtig ist. Jene Partei, die im politischen Alltagsgeschäft wenigstens versucht, die Bedrohungen
drohungen durch die Klimaerhitzung abzumildern, wurde knallhart abgestraft: Die Bündnisgrünen erhielten 2.940.158 Stimmen weniger als bei der Europawahl 2019, die Zustimmung zu ihrer Politik halbierte sich fast. Und das nach den Überschwemmungen zu Pfingsten in West- und nun in Süddeutschland.Wurde mit der Stimmverweigerung die Leistungen der Grünen abgestraft? Schließlich ist Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck für den Aufbau einer fossilen Infrastruktur verantwortlich, die LNG-Terminals machen es unmöglich, dass Deutschland einen fairen Beitrag zum weltweiten Klimaschutz leistet. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir wirkt beim Klimaschutz ratlos, etwa wenn er Bauern gestattet, Brachflächen zu nutzen, denn dabei wird sehr viel Kohlendioxid frei. Die grüne Umweltministerin Steffi Lemke hat gerade einer Aufweichung jenes Klimaschutz-Gesetzes zugestimmt, das die Vorgängerregierung beschlossen hatte.Wenig Stimmen für Klimaschutzparteien Letzte Generation, Klimaliste, V-Partei3, ÖDP und VoltEs gebe also genügend Gründe, die praktische Politik der Grünen abzulehnen. Und es gab bei dieser Wahl Klimaschutz-Parteien, die schon deshalb radikaler in ihrem Ansatz sein können, weil sie auf keinen Koalitionspartner Rücksicht nehmen müssen. Da ist beispielsweise die „Letzte Generation“, jene Bewegung, die durch Straßenblockaden, als „Klimakleber“ am Flughafen oder mit oranger Farbe auf das Brandenburger Tor für Schlagzeilen gesorgt hatte: Sie war mit dem Slogan „Parlament aufmischen“ zur Wahl angetreten. Allerdings votierten nur 104.340 Menschen für sie, was 0,3 Prozent entspricht. Zwar gibt es keine Sperrklausel bei der Europawahl, für einen Sitz im EU-Parlament ist das aber zu wenig.Noch weniger Zustimmung erhielt die „Klimaliste“, die sich anders als die „Letzte Generation“ nicht als Protestpartei versteht: Programmatisch will die „Klimaliste“ die Erderwärmung auf unter 1,5 Grad Celsius beschränken. Das überzeugte aber nur 31.504 Wähler:innen bei dieser Wahl. Damit ist die Zustimmung geringer als beispielsweise für die „V-Partei3“, die Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer. Die Klimaliste hatte sich 2021 gründet, trat bereits bei mehreren Landtagswahlen an und verfügt über einige Sitze in Kommunalparlamenten.Auch die ÖDP hat sich Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben: Ihr Ziel „Klimaneutralität bis 2030 durch Beendigung der Nutzung fossiler Energieträger“ fand bei 257.968 Wähler:innen Zustimmung. Das reicht zwar für einen Sitz im neuen EU-Parlament. Aber auch die ÖDP muss einen massiven Stimmenverlust beklagen, sie profitiert also nicht von den schwächelnden Grünen.Bleibt die Europapartei Volt, die „ein klimaneutrales, innovatives, gerechtes“ Europa aufbauen will: In der Wahlempfehlung des Bundes für Umwelt und Naturschutz BUND landete Volt mit 100 von 100 Punkten auf dem ersten Platz – noch vor der ÖDP (97 von 100). 1.023.161 Stimmen konnte Volt einfahren, was 2,6 Prozent der Stimmen und zwei oder drei Sitzen im Parlament entspricht. In München war Volt mit 5,8 Prozent sogar fast so stark wie AfD und FDP.Sicherlich gab es von den Grünen enttäuschte Wähler:innen, die ihr Kreuz bei Volt gesetzt haben. Addiert man aber die Wahlstimmen der Klimaschutzparteien, kommen trotzdem nicht annähernd so viele zusammen, wie Wähler:innen den Grünen den Rücken gekehrt haben. Von einem Abstrafen der schlechten Klimapolitik kann also keine Rede sein. Es mag stimmen, dass Klimaschutz in Umfragen ins Bewusstsein der Befragten geholt wird. Als „relevant“ verankert wird er dort aber nicht, wie diese Wahlen zeigen: Man könnte Klimaschutz wählen, tut es aber nicht.Klimaschutz auch bei jungen Wähler:innen nicht wahlentscheidendDie alljährliche Umweltbewusstseinsstudie ist sicherlich die umfassendste Untersuchung zum Thema, die hierzulande erarbeitet wird. Die aktuelle Ausgabe aus dem Jahr 2023 kommt beispielsweise zu dem Ergebnis: „Die Mehrheit der Deutschen hält Anpassung an bereits deutlich spürbare Klimakrise für notwendig.“ 85 Prozent der Befragten würden demnach bereits sehr starke oder starke Auswirkungen des Klimawandels in Form von anhaltender Trockenheit, Niedrigwasser und Dürren wahrnehmen. Jetzt kam mit den Hochwassern die andere Richtung der zunehmenden Wetterextreme noch hinzu. Deshalb zeigt das Wahlergebnis: Der Mehrheit der Deutschen fällt es schwer, einen Zusammenhang zwischen ihrer Entscheidung an der Urne und wirksamer Klimapolitik herzustellen.Nicht einmal in jener Generation, die freitags für die Zukunft auf die Straße geht, gibt es dieses Bewusstsein: Erstmals konnten junge Menschen ab 16 mit über die Zusammensetzung des neuen EU-Parlaments entscheiden. Während die Grünen massiv an Zustimmung verloren, liegt die AfD jetzt mit der Union in der Zustimmung gleich auf (je 17 Prozent). Volt kommt bei den 16- bis 24-Jährigen auf die gleiche Zustimmung wie die SPD (je 9 Prozent), das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ auf genau so viel Unterstützung wie die FDP (6 Prozent). „Klimaliste“ oder „Letzte Generation“ spielen keine Rolle.Die Diskrepanz zwischen Umfragen und dem Wahlverhalten ist übrigens kein speziell deutsches Phänomen. Laut einer Eurobarometer-Umfrage aus dem vergangenen Jahr sind 93 Prozent der Europäer:innen der Ansicht, dass der Klimawandel ein ernstes Problem für die Welt ist und schneller bekämpft werden sollte. Zwar konnten die Grünen in Italien leicht zulegen, sie kommen jetzt auf 6,9 Prozent. Insgesamt aber hat die Fraktion, die im EU-Parlament den Klimaschutz auf ihrer Agenda weit oben hat, 19 Sitze verloren: Sie kommt jetzt noch auf 59 von 720 Stimmen.