Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) war noch keine zwei Jahre alt, als Brandenburgs damaliger Umweltminister Matthias Platzeck die Forschungseinrichtung 1994 besuchte. Natürlich stellte er die Frage, was die Erderwärmung eigentlich für sein Bundesland bedeute. Die Antwort: „Aufgrund der zunehmenden Trockenheit" zeigten die Simulationsergebnisse „einen Trend zur Steppe“, heißt es 1996 in der Studie. An Standorten mit schlechten Böden werde Mitte des Jahrhunderts „die Trockenstresstoleranz von allen berücksichtigten Baumarten überschritten“. Es habe einen Anruf aus der Staatskanzlei gegeben, berichtet einer der damals Beteiligten, man sei dringend aufgefordert worden, das Wort „Steppe“ doch bitt
ligten, man sei dringend aufgefordert worden, das Wort „Steppe“ doch bitte zu vermeiden – das verschrecke die Öffentlichkeit.Später wurde Platzeck Ministerpräsident von Brandenburg. Doch statt jetzt sein Heimatland vor der Versteppung zu retten, setzte sich der SPD-Politiker für die Braunkohle ein.Brandenburg wird also versteppen. Das liegt einerseits am kontinentalen Einfluss auf das Wetter: Die Klimamodelle des Deutschen Wetterdienstes zeigen, dass Deutschlands Nordosten von Rügen über die Prignitz, die Mark Brandenburg bis hinunter zur Lausitz deutlich trockener wird – und deutlich heißer als im Vergleich zu jenen Landesteilen, die unter maritimem Einfluss liegen. Das führt andererseits zur 1996 attestierten Überschreitung der Trockenstresstoleranz: Nach dem Waldzustandsbericht waren 2023 drei Viertel aller Bäume Brandenburgs krank. Was eine gute Nachricht ist: In den Trockenjahren davor ging es dem Wald noch schlechter, nur noch acht Prozent der Bäume waren da gesund.„Die Buchenforscher sagen: Bei 450 Millimeter Niederschlag pro Jahr gibt es eine Grenze“, erklärt Joachim Rock vom Thünen-Institut für Waldökosysteme. Diese Menge Regen gibt es heute schon stellenweise in Brandenburg nicht mehr: „Wir müssen uns darauf einstellen, dass Wald, so wie wir ihn heute kennen, mancherorts nicht überleben wird.“Bäume, besonders die Laubarten, versuchen sich bei heißen Temperaturen selbst zu kühlen, indem sie viel Flüssigkeit verdunsten. Untersuchungen der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde zeigen, dass es im Schatten von Buchen im Hochsommer sechs Grad kühler sein kann als in Kiefernforsten. Dafür brauchen sie aber genügend Feuchtigkeit um die Wurzeln. Fehlt diese, schalten viele Laubarten auf Krisenmodus: Sie werfen dann Blätter ab und zehren von der Substanz. Was nicht lange gut geht: Krankheiten und Schädlinge haben dann leichtes Spiel. In den Spreeniederungen bei Beeskow gibt es am Schwarzberg einen Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald, der sich nach der letzten Eiszeit bildete. Oder korrekter: gab es. Denn drei von vier Eichen oder Buchen sind mittlerweile tot, die restlichen sind krank, nicht einmal die wenigen eingestreuten Kiefern kommen mit dem Trockenstress zurecht, unter ihrer Rinde finden sich die Fraßspuren des Buchendruckers. Die waldlose Zukunft, sie hat bereits begonnen.Die einst dunkelgrünen Nadelforste verwandelten sich zuerst in Baumfriedhöfe mit mahnenden braungrauen Skeletten. Dann folgten riesige Kahlschläge, auf denen der mühsam nachgepflanzte Baumnachwuchs ums Überleben kämpft. Früher galt die Fichte als „Brotbaum“ der deutschen Forstwirtschaft, Experten bezweifeln mittlerweile, dass die Fichte hierzulande eine Zukunft hat.Oder die Eiche. Vor zehn Jahren galt die Eiche noch als potenzieller Gewinner. Die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft im Schweizerischen Birmensdorf sprach ihr 2015 ein „hohes Anpassungspotenzial“ zu, weshalb sie „gut auf den Klimawandel vorbereitet“ sei. Nach den Dürre- und Hitzejahren attestierte der Waldzustandsbericht bundesweit nur noch 17 Prozent der Eichen eine gute Gesundheit – es geht ihnen damit noch schlechter als Fichten oder Buchen.Bis Ende des Jahrhunderts wird sich die Lage weiter verschärfen. In optimistischeren Ergebnissen der Modellrechnungen bliebe der größte Hitzestress auf einzelne Regionen beschränkt. Im schlimmsten Fall wären jedoch Ost- und Süddeutschland fast flächendeckend betroffen. An rund 40 Prozent der heutigen Buchen- und Fichtenstandorte wäre es dann zu heiß für die Bäume, bei Eichen und Kiefern wären es rund 35 Prozent.Aber irgendetwas wird doch auch künftig wachsen? Viele Experten sind ratlos. „Wir haben kein Verständnis davon, welche Arten den Klimawandel mitmachen“, sagt etwa Henrik Hartmann vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena. „Es ist völlig unklar, welche Baumart es in 50 Jahren hier noch aushält, wenn es so weitergeht.“Waldsterben? Das hatten wir doch schon mal, damals in den 80er-Jahren. Und? Heute ist das Erzgebirge wieder grün. Das stimmt. Aber der Wald von damals ist trotzdem gestorben. Weißtanne oder Moorkiefer waren früher Hauptbaumarten im Erzgebirge, heute gibt es sie praktisch nicht mehr. Stattdessen wurden robustere Silberfichten gepflanzt, die aus den amerikanischen Rocky Mountains stammen. Die einstmals charakteristischen Hochmoore sind nahezu alle verschwunden, der Wald im Erzgebirge ist heute ein komplett anderer.Hans-Werner Schröck von der Forschungsanstalt für Waldökologie in Rheinland-Pfalz sagt: „Die Zukunft unserer Wälder könnte so aussehen, wie Urlauber heute Wald im Süden Europas erleben: lange nicht so produktiv und groß, wie wir Wald heute hierzulande kennen.“