Markus Söders Analysen geben die Richtung vor. Na dann: Gute Nacht!

Meinung Markus Söder sieht in der Migrationspolitik der Ampel-Koalition den Grund für das bundesweite Erstarken der AfD – und hat natürlich Verbesserungsvorschläge parat, um der Entwicklung bei zu kommen. Über die Pläne für ein schärferes Asylrecht
Ausgabe 26/2024
Bekannt für große Worte: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder
Bekannt für große Worte: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder

Foto: Tobias Schwarz/Getty Images

Von den Bürgern der Stadt Schilda wird erzählt, sie hätten ein Rathaus gebaut. Weil sie aber die Fenster vergessen hatten, war es drin stockfinster. Da grübelten die Schildbürger, was sie dagegen tun könnten. Nach dem fünften Bier, so erzählt man sich, schlug dann der Hufschmied vor: „Wir sollten das Licht wie Wasser hineintragen!“ „Hurra!“, riefen alle begeistert, schnappten sich Kübel und taten, wie er es vorgeschlagen hatte.

So wie Sie sich jetzt beim Lesen fühlen mögen, so ging es mir nach der jüngsten Ministerpräsidentenkonferenz zum Thema Asyl- und Migrationspolitik. Warum? Weil mir schien, dass hier alle „Hurra“ riefen und sich gegenseitig auf die Schultern klopften. Nachdem sie sich auf ein neues Rezept geeinigt hatten, um die AfD kleinzukriegen, das ungefähr so erfolgversprechend sein dürfte wie das Tragen von Sonnenlicht in Kübeln. Den Part des Hufschmieds übernahm für die Länderchefs übrigens Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU).

Söder hatte nach den Europa- und Kommunalwahlen Anfang Juni als Fazit erklärt: „Das Ergebnis für die AfD ist viel zu hoch. Der Grund ist die Migrationspolitik der Ampel. Es wird Zeit, dass endlich Konsequenzen gezogen werden.“ Ich bin überzeugt, dass dies das Dumpfbackigste war, was zum Ausgang der Wahl gesagt worden ist. Und trotzdem haben sich die anderen Parteien Söders Analyse offenbar alsbald zu eigen gemacht.

Beim Gipfel im Kanzleramt jedenfalls überboten sich die Länderchefs gegenseitig mit Forderungen nach der Einführung einer Drittstaatenlösung. Das aber bedeutet: Das Recht auf Asyl, wie wir es kennen, wird abgeschafft. Flüchtlinge sollen künftig nicht mehr in Deutschland, sondern in einem anderen Land, beispielsweise in Ruanda oder sonst wo fernab vom Schuss, ihren Antrag auf Schutz vor Verfolgung stellen. Dringend, so tönte die Union, solle Deutschland dem Beispiel von so erfolgreichen Politikern wie dem britischen Premier Rishi Sunak folgen. Der hatte das Ruanda-Modell zum Kern seiner Politik gemacht; nächste Woche wird er sehr wahrscheinlich krachend abgewählt. Oder der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, einer lupenreinen Demokratin, die Albanien dazu bringen will, Asylanträge für Italien zu bearbeiten. Nur leise regte sich Widerspruch bei der SPD: Man sehe gewisse Hindernisse in Form der allgemeinen Menschenrechte, die leider auch Asylsuchenden zustehen, oder anderen Lappalien wie dem Grundgesetz.

Nun kann man ja sagen: Wir wollen das Recht auf Asyl abschaffen! Oder: Wir wollen weniger Flüchtlinge! Nur eines sollte man nicht tun: Denken, dass man damit die AfD kleinkriegt. Lässt man übrigens die Handreichungen des Politstrategen Söder links liegen und fragt, was wirklich die Gründe für das Erstarken der AfD sein können, dann stößt man auf Erstaunliches. Unter den fünf wahlentscheidenden Themen bei der Europawahl war „Zuwanderung“ nur eines und nur an dritter Stelle, fast gleichauf mit „Klima- und Umweltschutz“ und „Wirtschaftswachstum“. Ganz vorn aber lagen „Friedenssicherung“ und „soziale Sicherheit“.

Es ist die Ursünde der Ampel-Regierung, dass sie sich mit dem FDP-Spardiktat alle Wege verbaut, vier von den fünf größten Sorgen der Menschen ernst zu nehmen und etwas dagegen zu tun. Etwa die soziale Sicherheit auszubauen oder in Klimaschutz zu investieren. So bleibt ihr nur mehr ein Weg offen: Auf Flüchtlinge eindreschen und hoffen, dass sie dadurch die AfD kleinkriegt. Da kann man auch gleich Sonnenlicht in Kübeln tragen.

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Geschrieben von

Pepe Egger

Verantwortlicher Redakteur für das „Wochenthema“

Pepe Egger verantwortet das Wochenthema und die Titelseite der Zeitung. Er studierte in Wien, Paris, Damaskus und London und arbeitete sechs Jahre im Herzen des britischen Kapitalismus, der City of London. Seit 2011 ist er Journalist und Reporter. Seine Reportagen, Lesestücke und Interviews sind in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften erschienen. Seit 2017 arbeitet er als Redakteur beim Freitag.

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