Am 16. Juli gaben die Israel Defense Forces (IDF) bekannt, dass sie sich nach Konsultationen mit den Vereinten Nationen und internationalen Hilfsorganisationen zu Kampfpausen im Umkreis einer wichtigen Straße im südlichen Gazastreifen bereit erklärt hätten: Zwischen 7 und 18 Uhr Ortszeit könnten dort humanitäre Güter transportiert werden. Wer das entschieden habe, sei ein verantwortungsloser Idiot und gehöre entlassen, empörte sich der Minister für Innere Sicherheit, Itamar Ben-Gvir. Sein ebenfalls rechtsextremer Kollege, Finanzminister Bezalel Smotrich, befand, dass die Hilfslieferungen der Hamas direkt in die Hände spielten.
Diese eigenmächtige Entscheidung hochrangiger Armeekader ist der bisherige Höhepunkt der seit geraume
it geraumer Zeit herrschenden Spannungen mit der Regierung. Militärs vor Ort schätzen die Lage offenbar anders als diese ein und sind mittlerweile eher geneigt, mit internationalen Organisationen zu kooperieren und damit vielleicht das Verdikt des Völkerrechtsbruchs abzuschwächen.Während das Regierungshandeln bestimmt ist von ideologischer Verbohrtheit und der Sorge des Ministerpräsidenten, seine Immunität zu verlieren, nehmen leitende Offiziere auch eine Verantwortung für die Sicherheit der Truppen wahr und könnten auch aus diesem Grund Kampfpausen sowie den international geforderten Waffenstillstand eher befürworten.In Rafah wird indes weitergekämpft, und der dortige Grenzübergang zu Ägypten bleibt für Hilfslieferungen gesperrt. Dass der Schutz der eigenen Militärs nicht gewährleistet werden kann, hatte sich gerade erst gezeigt: Ein vom Einsatz in Rafah zurückkehrendes Militärfahrzeug war von einer Panzerfaust oder einer Panzerabwehrrakete zerstört worden. Acht Soldaten kamen ums Leben – eine der höchsten Verlustraten, die die israelische Seite seit Beginn des Krieges zu verzeichnen hat. Da es auch hinterher zu Explosionen in der Umgebung des Fahrzeugs kam, konnten die IDF erst zwei Stunden später an den Ort des Infernos gelangen.Wenn die Hamas noch zu solchen militärischen Schlägen in der Lage ist und weiter Raketen auf Israel abschießen kann, wird deutlich, dass das von Netanjahus Kriegskabinett immer wieder erklärte Ziel nicht erreicht ist: diesen Gegner vollständig manövrierunfähig zu machen.Ein Dissens zwischen Armee und Regierung scheint auch bei der Einschätzung der Lage an der Nordfront vorzuliegen. Armeesprecher Daniel Hagari warnt vor einer Eskalation des Konflikts mit der Hisbollah. Weil Israel vor kurzem einen ihrer Kommandeure gezielt tötete, verstärkte sie ihre Kampfaktivität. Es wird seit längerem vermutet, dass die Milizen der Hisbollah, die weitaus schlagkräftiger sind als die Hamas, diese nicht nur unterstützen, indem sie israelische Streitkräfte binden. Sie könnten sich auch das Ziel gesetzt haben, den 28 Quadratkilometer großen, am Westhang des Berges Hermon gelegenen Landstrich zurückzuerobern. Seit 1967 hält Israel diesen besetzt.Die zu Vorsicht mahnende Armee bewegt sich vielleicht auf den von der UNO unterstützten Befriedungsplan der USA zu. Dieser impliziert früher oder später die von der Regierung nach wie vor ausgeschlossenen Verhandlungen für einen dauernden Waffenstillstand. Die IDF können sich von einem allmählich wachsenden Teil der israelischen Bevölkerung unterstützt fühlen, der darin den einzigen Weg zur Befreiung der Geiseln und zur Zukunft eines israelischen Staates erkennt.