Rheinmetall kauft Leopard-Panzer aus belgischem Privatbesitz
Ukraine-Krieg Ein belgisches Unternehmen besitzt das vielleicht größte private Arsenal an ausgemusterten Panzern. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hofft die Firma auf das große Geschäft
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Aktualisiert am
09.08.2023, 13:45
Am Stadtrand von Tournai, einem verschlafenen mittelalterlichen Städtchen in der sanften Landschaft des französischsprachigen Teils Belgiens, befindet sich ein unscheinbarer grauer Hangar, der nur spärlich durch einen Zaun versteckt ist. Darin stehen reihenweise Leopard-1-Panzer und andere schwere Kampffahrzeuge aus deutscher Produktion – einige der Waffentypen hier stehen auf der Wunschliste der ukrainischen Streitkräfte ganz oben.
Der Hangar gehört dem belgischen Rüstungsunternehmen OIP und darin befindet sich eine der größten Waffensammlungen im Privatbesitz in Europa. „Viele dieser Panzer stehen seit Jahren hier. Hoffentlich ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, dass sie endlich in der Ukraine wieder zum Einsatz kommen“, erklärt
klärte OIP-Chef Freddy Versluys bei einem Rundgang durch den Hangar.„Hier haben wir 50 Leopard 1-Panzer“, zeigte er. „Zudem befinden sich hier 38 deutsche Gepard-Panzer, 112 leichte österreichische SK-105-Panzer, 100 italienische V-CC2-Panzer und 70 M113-Panzerwagen.“ Insgesamt hat seine Firma etwa 500 gepanzerte Fahrzeuge auf Lager, laut Versluys „wahrscheinlich das größte private Panzerarsenal in Europa.“Nach seinem Militärdienst arbeitete Versluys neun Jahre lang für die belgische Armee in einer Abteilung, die für die Qualitätskontrolle von Panzern und Munition zuständig war. 1989 wechselte er zu OIP, einem auf optische Geräte spezialisierten Unternehmen. Dort gründete er schließlich OIP Land Systems, ein Tochterunternehmen, das altes Militärgerät aufkaufte, weil er davon ausging, dass es eines Tages wieder eine Nachfrage danach geben werden würde. „Alles, was wir hier tun, ist legal. Wir halten uns an die Vorschriften und haben alle erforderlichen Lizenzen“, erklärte er. Wenn er als „Waffendealer“ bezeichnet wird, zuckt er nur mit den Achseln.Kaufpreis für einen alten Leopard-Panzer: 37.000 EuroSpaziert man durch die engen, kopfsteingepflasterten Gassen und Straßen von Tournai, kann man sich kaum vorstellen, dass sich nur 15 Minuten Gehweg entfernt solche Waffen befinden. Den größten Teil seines derzeitigen Bestandes erstand Versluys in den vergangenen zwanzig Jahren direkt von europäischen Regierungen, die ihre Verteidigungsausgaben kürzten. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion versuchten die europäischen Staaten, einige der schweren und wartungsintensiven Panzer aus der Ära des Kalten Krieges durch leichtere Fahrzeuge zu ersetzen, die für kürzere friedenserhaltende Einsätze in aller Welt benötigt werden. Durch die Wirtschaftskrise 2008 wurden die Kürzungen im Verteidigungsbereich noch beschleunigt. 2014, dem Jahr, in dem Wladimir Putin die Krim annektierte, hatten die europäischen Militärausgaben einen historischen Tiefstand erreicht.In einem von Versluys’ größeren Deals kaufte er 2014 50 Leopard 1-Panzer von der belgischen Regierung für 37.000 Euro pro Stück. „Aufgrund der geopolitischen Lage war das damals der Marktpreis“, erzählte er. „Aber der Kauf dieser ausgemusterten Panzer war für uns ein großes Wagnis. Ein großes, großes Risiko.“Der Leopard 1, der aus den 1960er Jahren stammt, ist leichter und weniger leistungsfähig als die neueren Leopard 2-Panzer, von denen Deutschland vergangene Woche eine Lieferung von 14 Stück genehmigt hat. Aber laut den deutschen Behörden können sie immer noch mit einem russischen Kampfpanzer konkurrieren.Jahrelang war Versluys nicht in der Lage, Leopard 1- und Gepard-Panzer zu verkaufen, da das deutsche Gesetz für einen Re-Export von Militärausrüstung eine Zustimmung der Bundesregierung erfordert. Aber die Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz zu den Leopard 2-Panzern in der vergangenen Woche, die die Schleusentore für andere europäische Länder öffnete, bringt neue Möglichkeiten.Belgien nennt Rückkaufpreis von 500.000 EuroRusslands Invasion der Ukraine und die folgende westliche Militärunterstützung für Kiew führten bereits dazu, dass Versluys 46 leichte M113-Panzerwagen an Großbritannien verkaufte, das sie als Teil eines Militärpakets in die Ukraine brachte. Derweil erwog Belgien, das keine Panzer mehr in seinem Verteidigungsbestand hat, die Möglichkeit, die an Versluys verkauften Leopard 1-Panzer zurückzukaufen.Belgiens Verteidigungsministerin Ludivine Dedonder sagte vergangene Woche, man habe Gespräche mit OIP geführt, aber das Unternehmen versuche, einen „riesigen Profit“ aus dem Verkauf zu schlagen. „Die Gespräche laufen noch“, sagte Dedonder gegenüber belgischen Medien, „aber ich werde nicht eine halbe Million für einen Panzer bezahlen, der bei weitem nicht einsatzbereit ist.“Versluys dagegen bestritt, dass die belgische Regierung an ihn herangetreten sei. Den Preis zu schätzen, zu dem er die Panzer verkaufen würde, sei schwierig, sagte er weiter. „Es bringt nichts, jetzt über Preise zu sprechen. Wir müssen den Zustand jedes einzelnen Panzers prüfen und feststellen, was erneuert werden muss.“Er betonte, dass es Monate dauern und bis zu eine Million Euro pro Fahrzeug kosten könnte, um die Panzer für den Einsatz in der Ukraine bereitzumachen. „Die Fahrzeuge brauchen einen neuen Motor, Stoßdämpfer, die neueste Radartechnologie – die Liste ist lang.“Laut Versluys wurde er kürzlich vom staatlichen ukrainischen Waffenexporteur und -importeur auf die Möglichkeit angesprochen, seine Panzer zu kaufen. Auch die britische Joint Expeditionary Force (JEF), eine von Großbritannien geführte Gruppe aus zehn nordeuropäischen Staaten, habe seit der Panzer-Entscheidung Deutschlands Kontakt aufgenommen. „Wir sind offen für alle Optionen“, erklärte der Firmenchef. „Aber der Preis muss stimmen. Wir sind keine Wohltätigkeitsorganisation.“Manche Panzer in gutem ZustandWährend Deutschland das Exportverbot für Leopard-Panzer aufgehoben hat, bleiben andere Hürden. Es ist OIP weiterhin nicht möglich, seinen großen Vorrat an in Österreich hergestellten SK-105-Leichtpanzern zu verkaufen, weil Wien dem Export nicht zustimmt. „Das ist sehr schade“, bedauert Versluys, „denn sie befinden sich in einem guten Zustand und könnten leicht einsatzbereit gemacht werden.“In Brüssel wurde darüber diskutiert, ob es kurzsichtig war, die Panzer auszumustern. „Im Nachhinein lässt sich leicht sagen, dass es ein Fehler war, die Panzer abzugeben“, verteidigte Joe Coelmont, Senior Fellow am Royal Higher Institute for Defence und ehemaliger Brigadier der belgischen Armee den Schritt. „Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war es schlicht unvorstellbar, dass es in Europa erneut zu einem Kampf nach Art des Zweiten Weltkriegs kommen würde. Angesichts der Kürzungen im Verteidigungshaushalt der Regierung musste die Armee Entscheidungen treffen. Die Abschaffung älterer, teurer Panzer war die logischste Entscheidung.“Im Hangar wies Versluys Vorwürfe aus Belgien zurück, er versuche, aus dem Krieg Profit zu schlagen. „Alle denken, dass wir sehr viel Geld machen, aber schauen Sie sich um: Bisher ist der Hangar voll“, sagte er. „Wir nahmen diese Panzer, als niemand sie haben wollte. Jetzt würde ich sie sehr gern in der Ukraine sehen.“
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