„Bridgerton“ ist ein Booster für die britische Wirtschaft: Die Teeparty als heißer Trend

Kulturgeschäft Netflix ist stolz darauf, dass es mit der Serie „Bridgerton“ eine Viertelmilliarde Pfund in die britische Wirtschaft gepumpt hat. Und dann ist da noch der „Regency-Core“-Trend, der vom Tourismus über die Mode bis zur Gartenpflege reicht
Ausgabe 26/2024
Auch der britische Hundeausstatter Maxbone kooperiert mit der Serie „Bridgerton“
Auch der britische Hundeausstatter Maxbone kooperiert mit der Serie „Bridgerton“

Foto: Netflix

Der „Bridgerton-Effekt“ ist in Großbritannien nicht mehr zu übersehen. Seit die Netflix-Serie im Dezember 2020 zum ersten Mal auf Sendung ging, hat die Ausstattung dieses zu Beginn des 19. Jahrhunderts spielenden Kostümdramas zahlreiche Kleidungs- und Einrichtungstrends inspiriert und dazu beigetragen, Dinge wie „Afternoon Tea“ und den Besuch von alten englischen Herrenhäusern sexy zu machen.

Jetzt hat Netflix den Wert des sogenannten Bridgerton-Universums mit einer großen Zahl beziffert: Der Streamingdienst gab an, dass die von der Produktionsfirma Shondaland realisierte Serie der kränkelnden Wirtschaft Großbritanniens in den vergangenen fünf Jahren den beachtlichen Schub von 275 Millionen Pfund (rund 325 Millionen Euro) versetzt haben soll. Wie um die Geschäftstüchtigkeit der Serie noch zusätzlich zu unterstreichen, ließ man im Juni Shonda Rhimes, Geschäftsführerin von Shondaland und erfahrene Produzentin von Serien-Hits wie Grey's Anatomy, ins Londoner Finanzzentrum einladen, um an einem Tag den Handel an der Londoner Börse zu eröffnen.

Produzentin Shonda Rhimes spricht von „seismischen Auswirkungen“

Auch wenn die Netflix-Serie, die im Juni die bereits dritte Staffel veröffentlichte, landläufig als unrealistischer Eskapismus betrachtet wird, solle man ihre kulturelle Wirkung nicht unterschätzen, so Rhimes in London. „Das Bridgerton-Universum nimmt einen besonderen Platz in der Alltagskultur ein, es findet bei Jung und Alt gleichermaßen Anklang, sorgt für Gesprächsstoff, setzt Trends und beeinflusst alles, von Babynamen bis zu Hochzeiten“, meinte die 54-jährige Amerikanerin. Sie spricht von „seismischen Auswirkungen“ auf die britische Wirtschaft und Tausenden von Arbeitsplätzen und Unternehmen, die durch die Viertelmilliarde Pfund gestützt worden seien.

Netflix behauptet, dass von der Bridgerton-Produktion seit Beginn der Dreharbeiten fast 5.000 lokale Unternehmen profitiert hätten. Rhimes meint dazu, dass sich deutlich zeige, dass „das Geschäft mit Kunst und Kultur einen enormen wirtschaftlichen Beitrag für die Gemeinden vor Ort leisten kann“. Anna Mallett, die Vizepräsidentin für die Produktion in Europa, dem Nahen Osten und Afrika bei Netflix, schloss sich Rhimes an. „Die Serie hat nicht nur die Wirtschaft angekurbelt, sondern auch einen enormen kulturellen Einfluss“, sagte sie. „Wir fühlen uns im Vereinigten Königreich zu Hause und dies ist ein Teil unserer großen Investition in die Erschaffung von Geschichten, die unsere Abonnenten lieben werden.“

Die Zahl von 275 Millionen Pfund wurde von Netflix selbst berechnet und umfasst sowohl direkte als auch indirekte Ausgaben, die bei anderen Unternehmen getätigt wurden, um die Serie auf den Bildschirm zu bringen. Die positive Nachricht fällt in eine schwierige Zeit für britische Film- und Fernsehstudios allgemein. Seit der pandemiebedingte Streaming-Boom wieder am Abebben ist, werden gerade überall vermehrt Arbeitsplätze abgebaut.

„Bridgerton“-Fans pilgern zu Castle Howard in Yorkshire und Ranger's House in Greenwich, London

So ist zwar nicht bekannt, ob auch Julia Hoggett, die Geschäftsführerin der Londoner Börse, ein Bridgerton-Fan ist, aber auch sie zeigte sich „begeistert, den bedeutenden wirtschaftlichen und kulturellen Einfluss“ der Film- und Kreativindustrie in Großbritannien mit dem Auftritt von Rhimes feiern zu können.

Dabei sind in den errechneten 275 Millionen Pfund noch gar nicht alle geldeinbringenden Aktivitäten erfasst, die aus dem Image und der Beliebtheit der Serie Profit schlagen. Hinzu kommen nämlich noch Dinge wie themenbezogene Veranstaltungen oder Produktreihen, die von Einzelhändlern verkauft werden, oder die bereits spürbare Belebung des Tourismus, der Bridgerton-Fans zu Drehorten wie Castle Howard in Yorkshire und Ranger’s House in Greenwich, London, pilgern lässt.

Das wiederum bedeutet, dass die 275 Millionen Pfund eigentlich noch eine vorsichtige Schätzung sind. Das Hochglanzdrama löst mit seiner jungen, dynamischen Besetzung gewissermaßen einen „Regency-core“-Trend nach dem anderen aus – ohne Anzeichen dafür, dass ihm der Stoff ausgehen könnte. So rangierte nicht umsonst in einem kürzlich erschienenen Bericht auf Pinterest zu den „heißesten Trends“ des Sommers eine „Bridgerton-Teeparty“ ganz oben. Die Suchanfragen stiegen im April im Vergleich zum Vorjahr um 430 Prozent. Kreative Teerezepte erfreuen sich heißer Nachfrage, so der Bericht, die Menschen suchten sowohl nach Inspirationen, was man servieren könnte, als auch nach Ideen für die Blumendekoration. So ist „Regency-core“ auch auf den Shopping-Meilen stark im Kommen: Das gehobene Londoner Kaufhaus Liberty stellte ein beeindruckendes Bridgerton-Pop-up auf, um eine spezielle Stoffkollektion zu promoten. Die prächtigen Interieurs der Serie sollen bei Heimwerkern überall einen regelrechten Run auf Material für die Verkleidung von Wänden und Ähnlichem ausgelöst haben.

Besonders beliebt: Glyzinien, Springbrunnen und Kerzen für den Außenbereich

Während die Serie unter anderem den Verkauf von Korsetts, Empire-Taillen und Babypuppenkleidern angekurbelt hat, hat sich ihr Einfluss nun über die Mode hinaus auch auf die Kosmetik ausgeweitet. Der Onlinehändler Cult Beauty verweist auf den „Liebe-überwindet-alles“-Trend in diesem Sommer mit viel Rouge und falschen Sommersprossen. Bridgerton wird auch verantwortlich gemacht für neue von der Regency-Epoche inspirierte Innenräume und Gärten. Beth Boulton, Marketingdirektorin beim Heimwerkerspezialisten Eurocell, berichtet, dass die Kunden seit Beginn der neuen Staffel online vermehrt nach Glyzinienpflanzen, Pergolas, Springbrunnen und Kerzen für den Außenbereich suchen. „Die Serie ist ein Synonym für Blumentöpfe, die vor Pflanzen und leuchtenden Kletterblumen wie Efeu und Glyzinien geradezu überlaufen und dem heimischen Garten dadurch einen Hauch von Magie verleihen“, sagt sie.

Alle drei Staffeln von Bridgerton laufen auf Netflix

Zoe Wood schreibt für den Guardian über Verbraucherthemen

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Übersetzung: Barbara Schweizerhof
Geschrieben von

Zoe Wood | The Guardian

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