Freilassung von Julian Assange ist ein Sieg – leider keiner für die Pressefreiheit

Wikileaks Das Spionagegesetz wird weiterhin über den Köpfen von Journalisten hängen, die über Fragen der nationalen Sicherheit berichten, nicht nur in den USA
Ausgabe 26/2024
Julian Assange umarmt seine Frau Stella Assange nach der Ankunft am Flughafen in Canberra (26.06.2024)
Julian Assange umarmt seine Frau Stella Assange nach der Ankunft am Flughafen in Canberra (26.06.2024)

Foto: William West/Getty Images

Die Freilassung von Julian Assange aus einem britischen Gefängnis ist ein Sieg für ihn und seine zahlreichen Unterstützer auf der ganzen Welt, aber nicht unbedingt ein klarer Sieg für das Prinzip, das seiner Verteidigung zugrunde liegt: die Pressefreiheit.

Es wird erwartet, dass Assange sich im Rahmen eines US-Deals schuldig bekennt und zu einer Haftstrafe verurteilt wird, die sich aus dem Espionage Act aus dem Jahr 1917 ableitet: „Verschwörung zur unrechtmäßigen Beschaffung und Verbreitung von Verschlusssachen im Zusammenhang mit der nationalen Verteidigung der Vereinigten Staaten“.

Auch wenn der WikiLeaks-Gründer nach der Anhörung am Mittwoch das US-Bezirksgericht auf Saipan voraussichtlich wieder verlassen wird, wird das Spionagegesetz weiterhin über den Köpfen von Journalisten hängen, die über Fragen der nationalen Sicherheit berichten, nicht nur in den USA. Assange selbst ist Australier und kein US-Bürger.

Die US-Staatsanwälte argumentierten, Assange sei kein richtiger Journalist, sondern ein Hacker und Aktivist mit einer eigenen Agenda, der das Leben von US-Quellen und -Kontakten gefährde, sodass das Spionagegesetz angewendet werden könne, ohne die Pressefreiheit zu beeinträchtigen.

Verfechter der Presse- und Bürgerrechte vertraten jedoch die Ansicht, dass es irrelevant sei, wie Assange definiert werde. Das, was ihm vorgeworfen wurde, nämlich die „Beschaffung und Verbreitung von Verschlusssachen“, ist das, was Journalisten im Bereich der nationalen Sicherheit beruflich tun.

Die Enthüllungen, die WikiLeaks 2010 über den Irak- und den Afghanistankrieg veröffentlichte und die der Organisation von Chelsea Manning, einer Geheimdienstanalystin der Armee, zugespielt wurden, brachten unter anderem mögliche Menschenrechtsverletzungen durch das US-Militär in diesen Kriegen ans Licht. Sie wurden vom Guardian und anderen Nachrichtenorganisationen mit der Begründung veröffentlicht, es bestehe ein starkes öffentliches Interesse daran, dass diese Geheimnisse ans Licht gebracht werden.

Deal zum Espionage Act beschädigt Pressefreiheit

Bei ihrem Amtsantritt im Jahr 2021 hatte die Regierung Biden die Möglichkeit, die von ihrem Vorgänger, der Präsidentschaft Trump, erhobenen Anklagen nach dem Espionage Act fallen zu lassen. Schließlich hatte das Justizministerium unter Barack Obama beschlossen, sie wegen der Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf den Journalismus nicht zu verfolgen.

Die US-Staatsanwälte unter Biden entschieden sich jedoch dafür, die Anklage von Trump weiterzuverfolgen und kämpften für die Auslieferung von Assange aus dem Vereinigten Königreich. Sie hatten die Möglichkeit, einen Deal auf der Grundlage anderer Anklagepunkte auszuhandeln, zum Beispiel, indem sie Assange dazu brachten, sich des Vergehens des falschen Umgangs mit Verschlusssachen schuldig zu bekennen – ein Deal, der Berichten zufolge im März mit Unterstützung der australischen Regierung ausgehandelt wurde. Oder sie hätten sich für eine Anklage wegen Hackerangriffen entscheiden können, die nicht die gleichen Auswirkungen auf den Journalismus gehabt hätte.

Dem Vernehmen nach wollte Joe Biden nicht einmal, dass Assange in die USA gebracht wird. Die Auslieferung von Assange wäre eine schädliche Ablenkung für den angeschlagenen Präsidenten in einem Wahljahr gewesen und hätte Progressive und Libertäre weiter verprellt.

Biden sagte im April, er erwäge ein australisches Ersuchen, die Anklage fallen zu lassen. Das Justizministerium scheint jedoch auf seinem Standpunkt beharrt zu haben, und die Staatsanwaltschaft machte weiter und stimmte einem Vergleich erst zu, als Assange letzten Monat das Recht erhielt, vor dem Obersten Gerichtshof in London gegen seine Auslieferung zu klagen. Selbst dann blieb das Justizministerium bei seiner Forderung nach einer Anklage nach dem Espionage Act.

Zwischenlandung in Bangkok: Julian Assange hat Großbritannien verlassen

Foto: Sakchai Lalit/AP/picture alliance

„Ein Deal würde das schlimmste Szenario für die Pressefreiheit abwenden, aber dieser Deal sieht vor, dass Assange fünf Jahre Gefängnis für Aktivitäten verbüßt, die Journalisten jeden Tag ausüben“, sagte Jameel Jaffer, Geschäftsführer des Knight First Amendment Institute an der Columbia University. „Das wird einen langen Schatten auf die wichtigsten Arten des Journalismus werfen, nicht nur in diesem Land, sondern auf der ganzen Welt.“

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Geschrieben von

Julian Borger | The Guardian

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