Was haben Donald Trump und Adolf Hitler wirklich gemeinsam?
Populismus Vergleiche zwischen Donald Trump und Adolf Hitler sind umstritten. Ein neues politisches Buch stellt ihre Ähnlichkeiten als politische Performance-Künstler heraus
Vor Kurzem veröffentlichte der ehemalige US-Präsident Donald Trump ein Video veröffentlichte, in dem er für den Fall, dass er die US-Präsidentschaftswahl dieses Jahr gewinnt, von einem „vereinten Reich“ träumt. Es dauerte fast einen ganzen Tag, bis das Video wieder gelöscht war. Das Schockierendste daran war, wie wenig es schockierte.
Bereits zu einem früheren Zeitpunkt soll Trump gesagt haben, Adolf Hitler habe „einige gute Sachen gemacht“. Wenn er seine politischen Gegner als „Ungeziefer“ bezeichnet und sagt. Immigranten „vergiften das Blut unseres Landes“ erinnert er in seiner Wortwahl an den Nazi-Diktator. Einen Demonstrationszug von White Supremacists in der Stadt Charlottesville kommentierte Trump
einige gute Sachen gemacht“. Wenn er seine politischen Gegner als „Ungeziefer“ bezeichnet und sagt. Immigranten „vergiften das Blut unseres Landes“ erinnert er in seiner Wortwahl an den Nazi-Diktator. Einen Demonstrationszug von White Supremacists in der Stadt Charlottesville kommentierte Trump mit der Aussage, es gebe „auf beiden Seiten sehr gute Leute“.Dabei ist die Hitler-Trump-Analogie umstritten. „Einige von Trumps Kritikern – darunter Bidens Wahlkampfteam – argumentieren, dass Trumps Hetzreden und autoritäres Verhalten den Vergleich rechtfertigen“, fasste kürzlich die Nachrichtenseite Politico. „Unterdessen erwidern Trumps Verteidiger – und sogar einige seiner geschichtsbewussteren Kritiker –, der Vergleich sei ahistorisch und Trump kein echter Faschist.“Dem ersten Lager gehört jetzt auch Henk de Berg an, Germanistikprofessor an der britischen Universität Sheffield. Der Niederländer, von dem unter anderem das Buch Freud’s Theory and Its Use in Literary and Cultural Studies erschienen ist, hat gerade sein neuestes Buch veröffentlicht: Trump and Hitler: A Comparative Study in Lying, zu deutsch: Trump und Hitler: Eine Vergleichsstudie des Lügens.Darin vergleicht und kontrastiert De Berg Hitler und Trump als politische Auftrittskünstler und zeigt, wie sie mit ihrem jeweiligen Publikum in Verbindung treten. Er untersucht die Arbeitsethik der beiden, ihren Management-Stil, ihren Narzissmus, aber auch Macken wie Hitlers Zahnbürstenschnurrbart und Trumps unglaubwürdig blondes Haar.Während eines Zoom-Interviews zitierte De Berg in seinem Büro auf dem Universitätscampus den amerikanischen Komiker und Schauspieler George Burns. „Das Wichtigste beim Schauspielen ist Ehrlichkeit. Wenn man das vortäuschen kann, hat man es geschafft.“ Das lässt sich laut dem Wissenschaftler übertragen: „Das Wichtigste für Populismus ist Authentizität. In dem Moment, in dem man das vortäuschen kann, hat man sein Ziel erreicht.“Donald Trump und Adolf Hitler: Zwei beliebte PopulistenDer heute 60-jährige De Berg war 2015 gerade dabei, sich erneut mit dem Nationalsozialismus zu beschäftigten und las dafür noch einmal Hitlers autobiografisches Manifesto Mein Kampf, als Trump seinen ersten Wahlkampf für das Präsidentenamt im Weißen Haus führte. „Offensichtlich gibt es enorme Unterschiede zwischen den Beiden“, räumt er ein. „Hitler war ein ideologisch überzeugter Antisemit, der den Zweiten Weltkrieg angezettelt hat und für den Holocaust verantwortlich ist, bei dem 6 Millionen Juden starben“, erklärte er. „Aber dann betrachtete ich ihre rhetorischen Strategien und wie sie Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Es fiel auf, wie ähnlich sie sich in vielen Aspekten sind. Ich fragte mich daher, warum nicht ein Buch schreiben, in dem man Hitler aus der Perspektive von Trump betrachtet?“Dadurch erhoffte er sich neue Erkenntnisse über beide: „Wir tendieren dazu, Hitler als genozidalen Massenmörder zu sehen, der er ja auch war, und weniger als Populisten. Ich dachte, wenn wir es aus der Perspektive von Trump betrachten, können wir uns besser erklären, warum so viele Menschen Hitler unterstützten, und umgekehrt auch auf heute schließen.“Vor allem aber waren und sind Hitler und Trump laut De Berg politische Auftrittskünstler, die nur vage über Politik sprechen – „Macht Deutschland beziehungsweise Amerika wieder groß“ –, aber wissen, wie sie durch den Einsatz von Witzen, Beleidigungen und extremer Sprache Aufmerksamkeit erzielen. Darin unterscheiden sie sich von dem Sowjetautokraten Joseph Stalin, der ein schlechter öffentlicher Redner war und es vorzog, hinter den Kulissen zu arbeiten.„Ihre extremistischen Aussagen sind sehr bewusst dazu da, eine Reaktion zu provozieren und sie in die Medien zu bringen. Tatsächlich schreibt Hitler darüber ziemlich offen in Mein Kampf. Und das ist natürlich die Herausforderung: Was tun als Journalist oder als gegnerische politische Partei, wenn eine Person solche extremen Aussagen von sich gibt?“ Da gilt es abzuwägen: „Berichtet man einfach nicht über diese Dinge? Aber dann können die Populisten sagen, was immer sie wollen. Oder widerspricht man ihnen und weist auf die Lügen und den Extremismus hin? Aber zieht man damit nicht nur noch mehr Aufmerksamkeit auf ihre Kandidatur und ihre politischen Vorschläge?“Gegen den Sündenbock hetzenDie extremistische Sprache hat nicht nur das Potenzial, Schlagzeilen zu machen, sondern kommt auch bei vielen Wählern gut an. „Die meisten ihrer Wähler sind aus verschiedenen Gründen – Globalisierung, Automatisierung – mit dem Status quo unzufrieden“, sagt De Berg, „also wollen sie das System ändern. Und da ist nun ein Anti-Establishment-Kandidat, der nicht politisch korrekt ist, der sagt, dass alles wieder in Ordnung gebracht wird, der nicht mit diesen ganzen ‚feigen, faulen Kompromissen‘ kommt“.Viele dieser Wähler sind bereit, einen Sündenbock verantwortlich zu machen, „den Anderen“. Hitler gab den Juden die Schuld an Deutschlands Niederlage im ersten Weltkrieg; Trump startete 2015 seinen Wahlkampf mit der Verteufelung von Einwanderern aus Mexiko und das Thema Grenzsicherheit rangiert bei ihm weiterhin ganz weit vorn. „Das macht die Welt weniger komplex. Statt abstrakter Gesellschaftsstrukturen und historischer Entwicklungen hat man eine spezifische Gruppe von Leuten, die man für alle eigenen Probleme verantwortlich machen kann.“Eine der treffendsten Beobachtungen aus den frühen Trump-Jahren kam von der Journalistin Salena Zito. Im September 2016 schrieb sie in einer Kolumne für das Magazin Atlantic: dass „die Medien ihn wörtlich nehmen, aber nicht ernst; dagegen nehmen ihn sein Anhänger ernst, aber nicht wörtlich“.Wieder erkennt De Berg Parallelen zu Hitler. „Als sie nach dem Krieg interviewt wurden, sagten viele Nationalsozialisten, ja, okay, Hitler hat all diese extremen Dinge gesagt. Aber wir sahen in ihm einen Politiker der Massen und wir dachten, er sage einfach Dinge, die er nicht wirklich meint, dass er ein bisschen übertreibt. Einer behauptete, man habe die Forderungen in Mein Kampf genommen wie die Dogmen in der Bibel – niemand habe gedacht, dass diese Dinge hundertprozentig erfüllt würden.“„Das Gleiche gilt in gefährlicher Weise für die Dinge, die Trump sagt. Bei seinen Wahlkampfauftritten kündigte er eine Reihe sehr problematischer Dinge an, die er tun würde, wenn er Präsident wird. Aber das bedeutet nicht, dass alle Leute das wörtlich nehmen. Ich glaube nicht, dass sie wirklich annahmen, dass er diese große Betonmauer zwischen Mexiko und den USA baut. Viele von ihnen glaubten unterbewusst, dass er eigentlich sagt, er werde die traditionelle Identität der USA schützen“, ist De Berg überzeugt.„Und diese – um es vornehm auszudrücken – interpretative Offenheit bedeutet, dass sowohl die extremeren Anhänger als auch die weniger extremen oder ‚gemäßigten‘ Anhänger sich in den Worten des Sprechers wiederfinden können. Das machte Hitler und macht Trump so schwierig.“Taktische LügenTrumps inkohärente, mäandernde und zickzackartige Redeweise verstärkt diesen Effekt noch. „Trump springt vom FBI zu einem Richter zu den Demokraten, dann zu den Kommunisten und so weiter. Man kann jetzt sagen: Der Mann ist ganz klar ein intellektueller Schwachkopf. Er kann nicht logisch und auf Argumenten basierend sprechen. Dabei könnte er das, aber er erkennt, dass die vage Aneinanderreihung all dieser Leute den verschiedenen Teilen der Wählerschaft verschiedene Dinge gibt, mit denen sie sich identifizieren können. Manche mögen vielleicht das FBI nicht, andere keine Immigranten und so weiter.“Die US-Zeitung Washington Post hat gezählt: Demnach stellte Trump während seiner vier Jahre als Präsident 30.000 falsche oder irreführende Behauptungen auf. Am krassesten ist vielleicht die „große Lüge“, dass er, und nicht Joe Biden, die Präsidentschaftswahlen 2020 gewonnen habe, die ihm dann durch einen groß angelegten Betrug gestohlen wurden. In seinem Buch schreibt De Berg: „Die Idee hinter dem Konzept der großen Lüge ist: Wenn eine Unwahrheit ausreichend extrem ist, tendieren die Leute dazu, sie zu glauben, nur weil sie nicht glauben können, dass irgendjemand auf eine so empörende Weise lügen könnte.“Weiter erklärte er: „Das Konzept geht auf Hitler zurück, der in Mein Kampf sinngemäß schrieb: ‚die meisten Leute …. werden leichter Opfer einer großen Lüge als einer kleinen, da sie selbst in kleinen Angelegenheiten lügen, aber sich zu großer Lügen schämen würden. So viel Falschheit wird ihnen nie in den Kopf gehen. Sie werden nie an die Möglichkeit einer so monströsen Frechheit und infamen Falschdarstellung durch Andere glauben können.‘“Politische Inszenierungen wie RockstarsEin weiteres zentrales Element sind das Spektakel und der soziale Klebstoff, den Massendemonstrationen bieten. In einem umstrittenen Kommentar gegenüber der Zeitschrift Playboy sagte einmal der britische Sänger David Bowie: „Adolf Hitler war einer der ersten Rockstars … Schauen Sie sich einige der Filme an, die ihn zeigen, und sehen Sie, wie er sich bewegte. Ich glaube, er war genauso gut wie Jagger. Es ist erstaunlich. Und Junge, wenn er die Bühne betrat, begeisterte er das Publikum. Großer Gott! Er war kein Politiker. Er war ein Medienkünstler. Er nutzte Politik und Inszenierung und schuf dieses Ding, das die Show zwölf Jahre lang bestimmte und beherrschte. So etwas wie ihn wird die Welt nie wieder sehen.“Trumps Wahlkampauftritte sind in der Regel ausgelassene Veranstaltungen mit einer Atmosphäre teils von Zirkus, teils Konzert- oder Sportereignis, die gleichgesinnte Menschen genauso ritualisiert zusammenbringt wie ein Kirchenbesuch. Egal bei welchem Wetter teilen sie ein kollektives Gefühl der Unzufriedenheit, finden aber gleichzeitig auch Wege, um Spaß zu haben. In kleinen Städten, die sich oft von den Großstädten abgehängt fühlen, können sie das größte Ereignis des Jahres darstellen und den Reiz einer Live-Performance in einem ansonsten vom Digitalen bestimmten Zeitalter bieten.„Das Leben vieler normaler Deutscher während der Weimarer Republik kurz nach dem Ersten Weltkrieg war von der kriselnden Wirtschaft und vielen Problemen geprägt. Viele konnten es sich nicht leisten, Veranstaltungen verschiedener Art zu besuchen, aber sie konnten zu einer Hitler-Kundgebung gehen“, erklärte De Berg.„Auch zu einer Trump-Kundgebung kann man einfach gehen, was ein Gefühl von Solidarität schafft, ein Gemeinschaftsgefühl, was natürlich gleichzeitig die Gefahr an der Sache ist, weil die Leute sich dann miteinander identifizieren. Sie verlieren ihre Individualität, sie verlieren ihre Fähigkeit zu Kritik, und zur gleichen Zeit identifizieren sich alle mit einem politischen Anführer, so dass der politische Anführer machen kann, was er will.“Die Partei kapituliert vor dem PopulistenErschreckend bekannt kommt einem auch vor, wie die Republikanische Partei glaubte, sie könne sich Trump zunutze machen und ihn kontrollieren, um dann vor ihm zu kapitulieren und nach seinem Vorbild umgestaltet zu werden. Einer nach dem anderen begaben sich die Anhänger der Partei auf eine Linie, indem sie langjährige Prinzipien aufgaben, während Andersdenkende gehen mussten.De Berg erinnerte an die Geschichte: „Hitler brachte es von 2,6 Prozent der Wahlstimmen im Jahr 1928, was ja bedeutet, dass ihn 97 Prozent der Wähler nicht wollten, so weit, dass die Nationalsozialisten 1932 zur stärksten Partei wurde. Die konservativen Politiker sagten sich: OK, wir haben hier diesen politischen Trottel, aber er ist ein Populist und er ist beliebt, die Leute mögen ihn. Wenn wir versuchen, diesen Kerl zum Vizekanzler zu machen, wird er nach unserer Pfeife tanzen.“Doch „Hitler sagt nein, ich werde nicht Vize-Kanzler, ich will Kanzler werden. Und so gaben sie schließlich nach, dachten aber weiter, dass er tun wird, was sie wollen, und ihre Politik durchsetzt. Einer dieser konservativen Politiker kommentierte mit den denkwürdigen Worten: ‚Wir haben ihn eingesetzt‘. Aber Hitler manipuliert sie und wird Kanzler. Von da an läuft für die deutsche Gesellschaft alles katastrophal schief.“De Berg weiter: „Mit am meisten beunruhigt mich am Trumpismus, wie es Trump gelungen ist, sehr rechtskonservative, aber letztlich rational denkende Politiker in Leute zu verwandeln, die vor allem Trumpisten sind.“ Am Ende „manipulierten nicht sie Trump, sondern Trump sie und dann übernahm er schlicht die Republikanische Partei. All diese Politiker mussten auf alles verzichten, an das sie früher geglaubt hatten: internationale Freihandelsabkommen etwa oder eine zukunftsweisende Rolle für Amerika in der Welt.“Dabei habe Trumps Verrücktheit Methode, warnte der Wissenschaftler: Die Clownereien, das Chaos und die Wortsalat-Reden sind vielleicht kalkulierter, als sie wirken. „Ich möchte, dass den Leuten klarer wird, wie unglaublich bewusst Trump das tut, was er tut; wie unglaublich gerissen und hinterlistig er war und ist. Man sollte diesen Mann auf gar keinen Fall unterschätzen.“
×
Artikel verschenken
Mit einem Digital-Abo des Freitag können Sie pro Monat fünf Artikel verschenken.
Die Texte sind für die Beschenkten kostenlos.
Mehr Infos erhalten Sie
hier.
Aktuell sind Sie nicht eingeloggt.
Wenn Sie diesen Artikel verschenken wollen, müssen Sie sich entweder einloggen oder ein Digital-Abo abschließen.